Wer schön sein will, muss leiden |
04.06.2009 15:56 Uhr |
von Ernst-Albert Meyer
Jede Epoche entwickelte ihr eigenesSchönheitsideal. Frauen strebten zu allen Zeiten danach, durch Kleidung, Kosmetik, Frisur und Accessoires diesem Ideal gerecht zu werden. DochSchönheit hat ihren Preis, sagt nicht nur ein altes Sprichwort.
Der heutige Kosmetikaverbrauch mutet wie ein Stiefkind an, wenn man liest, wo-rüber die Autoren der Antike berichteten: Ihre Zeitgenossen benutzten mehrmals täglich Düfte und Salben. Neben Nahrung, Kleidung und Wohnung gehörten Schminke, Öle, Parfümwässer, Salben und Räuchermittel zum alltäglichen Bedarf, zumindest bei der reichen Bevölkerung. Im pharmazeutischen Sinne unterschied man im Altertum nicht zwischen Salben und Ölen. Als Salbe wurde jedes Mittel bezeichnet, das sich bei Körpertemperatur im streichfähigen Zustand befand. Meist waren das dünnflüssige Öle, die zum Einreiben dienten. Kurz gesagt: Alles, was sich auf die Haut auftragen ließ, hieß damals Salbe.
Steinzeitliche Augenschminke
Aufgrund von archäologischen Funden schlussfolgern Wissenschaftler, dass schon die Steinzeitmenschen Augenschminke verwendeten. Ursprünglich schützten sich die Menschen damit gegen Insekten und Sand. Gleichzeitig erkannten sie wohl, dass Schminke die Augen betont, größer und glänzender wirken lässt. So entwickelte sich das Schminken der Augen zum reinen Schönheitsritual. Als Grüntöne für die Augenlider dienten basisches Kupfercarbonat und Malachit, als Blautöne Kupfer-Natriumsilikat. Für die schwarzen Augenumrandungen benutzte man Graphit. Rote oder ockerfarbene Schminke für Gesicht und Lippen enthielten als Farbpigmente amorphes Eisenhydroxid. Dabei nutzte die Damenwelt sogar schon mit Bienenwachs hergestellte rote Lippenstifte.
In Ägypten zur Zeit der Pharaonen besaß die Schönheitspflege bereits einen sehr hohen Stellenwert. Die noch heute berühmte Königin Kleopatra (69 bis 30 v. Chr.) notierte im Buch »Kosmetikon« eine Sammlung von Rezepten für Schönheitsmittel, Schminken und andere kosmetische Mittel. Leider ging das Buch verloren, doch einige Rezepte daraus zitierten andere Autoren: Damals waren allein 18 verschiedene Mittel zum Ondulieren und Färben der Haare bekannt.
Eine besonders aufwendige Schönheitspflege betrieb Poppäa Sabina (um 31 bis 65n. Chr.), die zweite Gemahlin des römischen Kaisers Nero. Sie galt als selten schön und lasterhaft zugleich. Die »erste Dame« im Römischen Reich nahm täglich ein Bad in Eselsmilch, von dem siesich ewige Schönheit versprach. Zu diesem Zweck wurde für sie eine Herde von 500 Eselstuten gehalten, täglich gemolken und bei Reisen im Gefolge der Kaiserin mitgetrieben.
Auf Poppäa Sabina geht auch die Mixtur einer Gesichtsmaske zurück, die aus zerquetschten Erdbeeren, Milch und Lupinenmehl bestand. Doch der ewigen Schönheit bedurfte sie gar nicht: Mit 34 Jahren und hochschwanger starb sie an den Folgen eines Fußtritts durch Nero.
Mode-Highlights im alten Rom
Reichtum, Prunksucht und Verschwendung beherrschten ab 27 v. Chr. das römische Imperium. Schönheits-pflege und Mode erlebten eine noch nie da gewesene Verfeinerung. Die vornehmen Damen entwickelten sich zu Großverbraucherinnen von ätherischen Ölen, Rosenextrakten, Gesichtsmasken, Duftwässern, Salben, Pomaden, Pudern und Schminke. Viele römische Autoren berichteten, dass manche Frauen durch den übermäßigen Gebrauch von Salben regelrecht »trieften«. Plinius der Ältere (23/24 bis 79 n. Chr.) verurteilte die Kosmetik-Euphorie: »Unter allen Grundstoffen des Luxus sind die Salben wohl das, was am meisten überflüssig ist. Perlen nämlich und Edelsteine gehen noch auf die Erben über, Kleider halten eine gewisse Weile: Salben verdunsten rasch und verschwinden nach Ablauf ihrer Stunden. Ihre größte Empfehlung ist es, dass ihr Geruch, wenn eine Frau vorübergeht, sogar die anlockt, die anderweitig beschäftigt sind.«
Ziegentalg und Buchenasche
Nach den ersten Kriegen gegen die Germanen kamen die nordischen Frauen als Sklavinnen nach Rom. Ihre blonden Haare waren eine Sensation. Schlagartig wurden, sehr zum Ärgernis der vorwiegend dunkelhaarigen Römerinnen, Blondinen zum gefragtesten Frauentyp. Doch die Römerinnen wussten Rat: Entweder trugen sie aus dem Haar germanischer Sklavinnen gefertigte Perücken oder sie benutzten Mittel, die ihre Haare aufhellten. Als Rezeptur zum Färben ist eine Mischung aus Ziegentalgseife und Buchen-asche überliefert. Alternativ wurden die Haare wiederholt mit Kamillentee gespült und in der Sonne getrocknet, was einige Frauen heute noch praktizieren.
Die giftige Tollkirsche galt bei liebes-erfahrenen Römerinnen als Geheimtipp. Wenige Tropfen des verdünnten Presssaftes in die Augen eingeträufelt führten zu großen Pupillen und einem »Schlafzimmer-Blick«. Daher rührt das zweite Wort des botanischen Namens der Pflanze Atropa belladonna, schöne Frau.
Viele der damals gebräuchlichen Kosmetika enthielten Bestandteile, die heute noch in kosmetischen Präparaten vorkommen, wie Oliven-, Sesam- und Rosenöl, Lanolin, Schweinefett, Eier, Kreide, Honig, Moschus, Ambra, Myrrhe und Bienenwachs. Andere Zutaten der Antike erregen heute eher Abscheu. So wurden als Haarwuchsmittel empfohlen: ein gekochter Auszug aus Windhundkrallen, Eselshufen, Dattelblüten oder eine Paste aus getrockneten Fröschen, grünen Eidechsen, Bienen und Eidotter.
Kleidung als Standesprivileg
Im Mittelalter achteten Adel und Klerus darauf, dass sie sich schon durch ihre Kleidung von der Masse der Bauern und Bürger unterschieden. Aus der Chronik ist bekannt, dass Kaiser Karl der Große (742 bis 814) seinen Bauern befahl, dunkle und unauffällige Farben zu tragen, denn die leuchtenden Farben waren den Privilegierten vorbehalten.
Ende des 14. Jahrhunderts gab das reiche Herzogtum Burgund den Ton in der Mode an. Es kamen die langen Schnabelschuhe auf, deren Schuhspitzen den Fuß um ein Vielfaches überragten. Die Redewendung »auf großem Fuß leben« stammt aus dieser Zeit. Für die Länge der Schnabelschuhe gab es verbindliche Vorschriften: Fürsten und Prinzen trugen Schuhspitzen mit zweieinhalbfacher, Ritter mit eineinhalbfacher Fußlänge. Reiche Leute durften die Spitzen um einen Fuß verlängern, einfachen Leuten war ein halber Fuß gestattet.
Waschen war verpönt
Ende des 15. Jahrhunderts wurde in Italien die Klistierspritze erfunden und zunächst vor allem für kosmetische Zwecke eingesetzt. Man glaubte, dass häufige Klistiere einen blassen Teint erzeugten. Modebewusste Damen und junge Gecken ließen sich mehrere Male am Tag vom Apotheker nach Rosen- oder Orangenblüten duftende Klistiere verabreichen – eine für Apotheker damals einträgliche Tätigkeit.
Um 1700 nutzten die Reichen und Schönen immer seltener Seife und Wasser und wechselten die Unterwäsche nur noch monatlich. Die Mode, sich nicht mehr zu waschen, führte zu einem zunehmenden Verbrauch von Duftwässern, Pudern und Schminke, um die Körpergerüche zu bekämpfen. Der französische »Sonnenkönig« Louis XIV. (1638 bis 1715) und sein Hof gaben den modischen Trend für Europa vor. Die absolutistischen Herrscher badeten in Ruhm und Glanz, aber höchst selten in einem Badezuber. Statt sich zu waschen, rieben sie Hände und Gesicht mit Parfüm, selten mit Wein oder Milch ab. Die deutsche Prinzessin Liselotte von der Pfalz schrieb über den Hof Louis XIV: »Sie fressen viel und waschen sich wenig.« Adlige streuten parfümierte Puder auf Haar, Gesicht, Hals, Arme, Hände und Brüste, die man damals sehr freigiebig zeigte. Manche Ehemänner erkannten während Empfängen und Bällen unter der Schicht aus Puder und Schminke ihre eigenen Frauen nicht mehr.
Gesetz gegen den Schönheitswahn
Kurz vor 1700 wurden Schönheitspflästerchen modern (franz. mouches = Fliegen). Sie hatten die Form von Halbmonden, Herzen und Sternchen. Unter ihnen versteckte man diskret Grübchen, Pickel, Pusteln und Mitesser in Mund- und Augenwinkel, auf Wangen oder Stirn. Die anmutigen Damen der Mantel- und Degenfilme dürften in Wirklichkeit gar nicht so anziehend gewesen sein. Ungewaschen, stinkend, voller Ungeziefer und bis zur Unkenntlichkeit geschminkt entsprächen sie kaum dem heutigen Geschmack.
Auch im konservativen England verbreitete sich die »Kosmetikwelle«. Doch dort sah sich das englische Parlament 1770 genötigt, eine Verordnung zum Schutz der Männer zu erlassen: »….dass alle Frauen, welchen Alters, Ranges, Berufes oder Standes auch immer, ob Jungfrauen, Mädchen oder Witwen, die durch Parfüms, Schminken, Schönheitswasser, künstliche Zähne, falsches Haar, spanische Wolle, Korsetts, Reifen, hochhackige Schuhe, ausgepolsterte Hüften irgendeinen von Seiner Majestät Untertanen hintergehen, verführen und zum Ehestand verleiten, die Strafe der gegen Hexerei und ähnliche Vergehen in Kraft befindlichen Gesetze auf sich ziehen sollen und dass die Ehe bei Überführung für null und nichtig gelten soll.«
Die Qual des Korsetts
Eine besondere Tortur war das Anlegen und Tragen eines Korsetts. Vorläufer dessen waren unter den Namen »fascia« und »mamillare« schon in der Antike bekannt. Dazu wurden Bänder und Gürtel aus Stoff oder Leder bandagenartig um den Leib geschlungen, um die Brust zu stützen und die Taille schlanker zu gestalten. So beschrieb der römische Dichter Ovid (43 bis 17 v. Chr.) in seinem Werk »Die Kunst zu lieben«: »...umgebet mit einem Gurt die Brust, welche zu voll oder von der zu wenig vorhanden ist.«
Im 14. und 15. Jahrhundert tauchten im Herzogtum Burgund erste dem Korsett ähnliche Kleidungsstücke auf. Form und Funktion änderten sich mit den ästhetischen Vorstellungen vom weiblichen Körper und der Mode. Einmal hob das Korsett den Busen, dann unterdrückte es ihn. Die Taille wurde mal betont, mal aufgehoben.
Im streng katholischen Spanien des 16.und 17. Jahrhunderts verstärkten die Frauen das Korsett durch Stäbe aus Metall, Fischbein oder Holz. Es entstand ein Panzer, der die Brust flachdrückte und die weibliche Figur völlig deformierte. Schon jungen Mädchen wurden Bleiplatten auf den Busen gelegt, um sein Wachstum zu unterdrücken. Ganz im Gegensatz zu Frankreich: Dort zeigten die Damen ihre Reize selbstbewusst und schnürten mit dem Korsett hoch, was zu heben war.
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