Hilfe gegen starkes Schwitzen |
25.05.2010 10:11 Uhr |
Hilfen gegen starkes Schwitzen
von Nina Griese
Hohe Temperaturen regen bei jedem Menschen die Schweißproduktion an, denn so schützt sich der Körper vor Überhitzung. Menschen mit Hyperhidrose schwitzen über das normale Maß hinaus und unabhängig von den äußeren Umständen. Was hilft, übermäßiges Schwitzen in den Griff zu bekommen?
Schwitzen ist eine natürliche Funktion des menschlichen Organismus, um die Körpertemperatur zu regulieren. Das Verdunsten des Schweißes entzieht der Haut Wärme und kühlt sie ab. Die etwa drei Millionen Schweißdrüsen sind ungleichmäßig über die Körperoberfläche verteilt: Am dichtesten sitzen sie in den Innenflächen der Hände, unter den Füßen und in den Achselhöhlen. Wie viel Schweiß sie absondern, steuert das sympathische Nervensystem. Bei normalen Temperaturen produziert der Mensch täglich bis zu einem halben Liter Schweiß. Er ist leicht sauer (pH-Wert 5 bis 6) und besteht zu 99 Prozent aus Wasser und zu 1 Prozent aus Mineralsalzen und organischen Verbindungen. Frischer Schweiß ist farb- und geruchlos. Erst durch bakterielle Zersetzung entsteht der unangenehme Schweißgeruch.
Grundsätzlich wird zwischen thermoregulatorischem und emotional bedingtem Schwitzen unterschieden. Muskelaktivität und Wärme lassen vor allem am Kopf, Oberkörper sowie an den Oberarmen und -schenkeln den Schweiß fließen. Beim emotional bedingten Schwitzen führen dagegen psychische Reize wie Angst zum Schwitzen insbesondere an Handflächen, Fußsohlen und unter den Achseln. Geht die Schweißsekretion über das normale Maß hinaus, spricht man von einer Hyperhidrose. In Deutschland leidet etwa 1 Prozent der Bevölkerung daran.
Hyperhidrose kann örtlich begrenzt (fokal) oder am ganzen Körper (generalisiert) auftreten. Am häufigsten bildet sich der übermäßige Schweiß an den Händen (Hyperhidrosis manuum) oder in den Achselhöhlen (Hyperhidrosis axillaris), ferner an Kopf und Hals (Hyperhidrosis facialis), Füßen (Hyperhidrosis peduum) und Rumpf (trunkale Hyperhidrosis). Manchen Betroffenen bricht der Schweiß plötzlich aus, andere schwitzen ununterbrochen.
Es gibt verschiedene Arten der Hyperhidrose. Bei der primären Hyperhidrose, die über 90 Prozent der Fälle ausmacht, ist die Ursache der Störung nicht bekannt. Die sekundäre Hyperhidrose ist durch eine andere Erkrankung bedingt, zum Beispiel durch eine Überfunktion der Schilddrüsen oder Nebennieren, Hormon produzierende Tumore, Diabetes mellitus, psychische Erkrankungen oder eine Schädigung des Sympathikus, eventuell als Folge eines Unfalls. Die sekundäre Form betrifft häufig den ganzen Körper. Um die Hyperhidrose zum Stillstand zu bringen, muss der Arzt die Therapie der Grunderkrankung optimieren. Lösen Infektionen oder maligne Erkrankungen die Hyperhidrose aus, schwitzen die Betroffenen meist nachts am stärksten.
Zudem gibt es physiologische Vorgänge, die zu starkem Schwitzen führen können. So sind plötzliche Schweißausbrüche ein bekanntes Symptom der Wechseljahre. Auch Adipositas oder bestimmte Lebensmittel können verstärktes Schwitzen auslösen. Des Weiteren können Medikamente wie Antidepressiva oder Parasympathomimetika, beispielsweise Pyridostigmin, eine Hyperhidrose verursachen.
Als Erkrankung ernst nehmen
Menschen mit primärer Hyperhidrose kennen das Phänomen meist schon aus Kindertagen. Typischerweise begleitet es die Betroffenen ein Leben lang. Am stärksten leiden sie in der Pubertät und im frühen Erwachsenenalter. Im Extremfall ist die Kleidung der Betroffenen durchnässt. Sind die Hände schweißnass, wird für sie das Händeschütteln zur Qual. Obwohl solche Fälle selten sind, ist die Hyperhidrose eine ernst zu nehmende Erkrankung, die die Psyche der Betroffenen enorm beeinträchtigt. Die meisten Betroffenen fühlen sich im sozialen und beruflichen Umfeld erheblich eingeschränkt. Zudem begünstigt die Hyperhidrose bakterielle Infekte und Mykosen. Daher erkranken viele Patienten an entzündlichen Ekzemen.
Wenn Hyperhidrose die Betroffenen im Alltag stark einschränkt und belastet, sollte sie behandelt werden. Über die Gewichtszunahme von saugfähigem Filterpapier pro Minute kann die Schweißproduktion bestimmt werden. Der so genannte Iod-Stärke-Test macht sichtbar, wo die Person am meisten schwitzt. Dies ist für eine gezielte Therapie notwendig.
Wendet sich ein Kunde mit Hyperhidrose an PTA oder Apotheker, sollten diese sich ein Bild von der individuellen Situation machen und die Eigendiagnose des Patienten hinterfragen. Hierdurch können sie die Patienten herausfiltern, bei denen ein Arzt die Ursache des übermäßigen Schwitzens abklären muss (siehe Kasten). Äußert der Patient einen konkreten Arzneimittelwunsch, sollten sie sich nach den Erfahrungen mit dem Arzneimittel und der bisherigen Anwendung erkundigen. Hilfreiche Fragen sind zum Beispiel: »Seit wann und wie häufig treten die Beschwerden auf? Wo und wann schwitzen Sie? Haben Sie weitere Beschwerden? Nehmen Sie zurzeit weitere, vielleicht neue Arzneimittel ein?«
Die Abklärung durch den Arzt ist dann notwendig, wenn die Schweißbildung am ganzen Körper auftritt oder eine sekundäre Hyperhidrose vermutet wird. Bei sekundären Formen steht die Therapie der zugrunde liegenden Krankheit an erster Stelle. Welche Methode sich zur Behandlung der örtlich begrenzten, meist primären Hyperhidrose eignet, richtet sich nach Ausmaß und Lokalisation der Schweißbildung. Zur Auswahl stehen lokale, physikalische und operative Möglichkeiten.
Antitranspirantien aus der Apotheke
Lokale Antitranspirantien (Schweißhemmer) stellen die erste therapeutische Maßnahme bei örtlich begrenzter Hyperhidrose dar, insbesondere bei der axilliären Form. Dies gilt sowohl bei der ärztliche Behandlung als auch in der Selbstmedikation. Ihre Wirkung beruht auf dem Verschluss der Schweißdrüsenausführgänge. Geeignet sind vor allem Aluminiumverbindungen. Aluminiumionen binden die Mucopolysaccharide auf der Haut zu Komplexen, wodurch die Drüsenausführgänge verstopfen und die Schweißbildung nachlässt. Da die Epidermis sich permanent regeneriert, müssen die Betroffenen die Behandlung mindestens 2 Jahre regelmäßig und konsequent durchführen. Durch eine Atrophie des Drüsenepithels kann die Hyperhidrose innerhalb dieser Zeit fast vollständig zurückgehen. Dann sind nur noch sporadische Anwendungen von Aluminiumchlorid-Zubereitungen notwendig. Weil Aluminiumsalze außerdem die Hautflora eliminieren, desodorieren sie auch.
Bei leichter bis mäßiger Hyperhidrose empfiehlt sich die Anwendung von Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Lösungen oder Gelen in Konzentrationen von 10 bis 25 Prozent. Unter den Nummern 11.1, 11.24 und 11.132 führt das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) 15- beziehungsweise 20-prozentige Aluminiumchlorid-haltige Zubereitungen (Gele und Lösungen) als Antihydrotika. Diese Rezepturen sind in der Apotheke leicht herzustellen und können je nach Anwendungsgebiet in einem Roll-On-Glas oder einer Rundflasche aus Polyethylen abgefüllt werden. Nachteil der konzentrierten Aluminium-Zubereitungen ist eine Hautreizung, die sich häufig in Brennen und Jucken äußert. Reagiert die Haut der Patienten irritiert, sollten sie die Lösungen in geringerer Konzentration (15- bis 10-prozentig) anwenden. Falls sie auch eine 10-prozentige Lösung nicht vertragen, müssen sie eine andere Methode wählen.
Beste Wirkung nachts
Die Betroffenen sollten die Präparate abends vor dem Zubettgehen dünn auf die trockene Haut streichen, da Aluminiumverbindungen auf schwitzender, feuchter Haut nahezu unwirksam sind. Die Präparate sollten bis zur Normalisierung der Schweißproduktion drei- bis fünfmal pro Woche angewandt werden. Hierfür sind normalerweise nur ein bis zwei Wochen notwendig. Achtung: In den Achselhöhlen sollte die Aluminiumlösung nur jeden zweiten Tag mit einem Deo-Roller aufgetragen werden. Hier ist es zudem vorteilhaft, wenn sich der Patient ein bis zwei Tage vorher die Achselhöhlen rasiert.
In der Regel normalisiert sich die Schweißproduktion innerhalb von ein bis zwei Wochen. Dann kann die Behandlung auf einmal pro Woche verringert werden. Morgens werden die Rückstände abgewaschen, bei Missempfindungen wie stechendem Juckreiz schon früher. Um Erfolg oder Misserfolg beurteilen zu können, sollten die Patienten die Hyperhidrose mindestens zwei Monate konsequent behandeln. Bei Handflächen und Fußsohlen verstärkt eine Okklusion mit Einmalhandschuhen oder Plastikfolie den Effekt der Behandlung. Die Zubereitungen dürfen nicht mit Augen oder Schleimhäuten in Berührung kommen. Da Aluminiumchlorid Textilien angreifen kann, sollte die Lösung nicht direkt mit der Kleidung in Kontakt kommen.
Eine weitere denaturierende Substanz ist Methenamin. Sie eignet sich ebenfalls zur Behandlung von Fuß-, Hand- und Achselschweiß. Methenamin (Hexamethylentetramin) setzt in Anwesenheit von saurem Schweiß Formaldehyd frei, der die Proteine im Schweiß denaturiert und dadurch die Schweißdrüsen äußerlich verschließt. Formaldehyd entsteht allerdings nur so lange, wie saurer Schweiß vorhanden ist. Die Patienten müssen die Methenamin-haltige Salbe oder Paste ein- bis zweimal täglich dünn auf die betroffenen Hautregionen auftragen. Sobald die Schweißsekretion nachlässt, kann die Applikation in größeren Zeitabständen erfolgen. Die Präparate dürfen nicht bei nässender oder blasig veränderter Haut angewendet werden.
Da Formaldehyd nur in geringen Mengen entsteht, ist die Sensibilisierungsgefahr bei Methenamin-haltigen Zubereitungen im Vergleich zu reinen Formaldehydpräparaten wesentlich geringer. Für die Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor.
Baden und Pudern
Bei leichteren Formen des Hand-, Fuß- und Achselschweißes eignen sich Gerbstoff-Bäder oder -Puder mit Eichenrinde oder synthetischen Gerbstoffen. Die Gerbstoffe denaturieren Keratin kurzfristig und blockieren dadurch die Schweißdrüsen. Der Effekt ist deutlich geringer als bei den Aluminiumsalzen, dafür eignen sich die Bäder oder Puder auch bei entzündlichen und nässenden Ekzemen. Insgesamt sind die Produkte gut verträglich, nur in Einzelfällen treten leichte Hautreizungen auf. Gerbstoff-haltige Puder müssen Menschen mit Hyperhidrose ein- bis zweimal täglich auftragen.
Bei leichter Hyperhidrose lohnt sich ein Versuch mit Salbei. In der Aufbereitungsmonographie der Droge sind folgende Tagesdosen angegeben: 4 bis 6 g Droge, 0,1 bis 0,3 g ätherisches Öl, 2,5 bis 7,5 g Tinktur (EB 6) oder 1,5 bis 3 g Fluidextrakt (EB 6). Die innerliche Anwendung erfolgt drei- bis viermal täglich, zum Beispiel viermal täglich eine Tasse Tee zubereitet aus je 1,5 g Droge. Die längere Einnahme von alkoholischen Extrakten oder des reinen Salbeiöls kann zu Krämpfen führen, die epileptischen Krämpfen ähneln. Schwangere sollten das ätherische Öl und alkoholische Extrakte daher nicht einnehmen.
Bei Hand- und Fußschweiß hat sich die Iontophorese, eine physikalische Therapie, bewährt. Hierbei werden flache, mit Leitungswasser gefüllte Schalen mit den elektrischen Polen einer schwachen Gleichstromquelle verbunden. Der Stromkreis schließt sich durch Eintauchen der Hände oder Füße. Bei Patienten mit Achselschweiß werden zwei nasse Schwämme zunächst in das Bad getaucht und danach unter die Achselhöhlen geklemmt. Der Wirkungsmechanismus ist nicht genau bekannt, vermutlich wird der Ionentransport in der Schweißdrüse reversibel gestört. Initial sollte die Iontophorese dreimal wöchentlich etwa 20 Minuten lang erfolgen. In der Erhaltungsphase reicht eine wöchentliche Anwendung meist aus. Mit dem entsprechenden Gerät können Patienten die Behandlung auch zuhause durchführen. Leider lässt sich mit dieser Methode kein Langzeiteffekt erreichen, sie muss jede Woche wiederholt werden.
Fazit
Die Therapie der Wahl gegen Achselschweiß ist die lokale Anwendung von Aluminiumchlorid-Präparaten, gegen Hand- und Fußschweiß die Leitungswasser-Iontophorese. Erst wenn diese Methoden versagen, kommen andere Verfahren wie Injektionen von Botulinumtoxin, operative Maßnahmen oder Anticholinergika in Frage. Die Tipps aus dem Kasten runden das Beratungsgespräch ab. In den meisten Fällen gelingt es, durch symptomatische Behandlung der Hyperhidrose den starken Leidensdruck und die Angst der Betroffenen abzumildern.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
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