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Rabattverträge

Fünf Jahre Nerverei

20.04.2012  15:15 Uhr

Von Daniel Rücker / Am 1. April 2007 begann in den Apotheken eine neue Zeit. Vor fünf Jahren vereinbarte die AOK mit elf ­kleineren Generika-Unternehmen Preisnachlässe. Unter dem ­Namen Rabattverträge sorgten die für viel Arbeit und schlechte Stimmung in den Apotheken.

Da zum selben Zeitpunkt das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in Kraft trat, boten sich den Krankenkassen neue Möglichkeiten, Preisnachlässe für Arzneimittel auszuhandeln. Anfangs boykottierten die großen Hersteller wie Hexal, Ratiopharm oder Stada diese Vereinbarungen. So übernahmen bis dato unbekannte Firmen wie Corax, Biomo oder Dr. Friedrich Eberth Arzneimittel die Versorgung von rund 30 Millionen AOK-Versicherten mit 43 Wirkstoffen. Der Vertrag mischte den Arzneimittelmarkt in einer Art auf, die damals auch Experten kaum für möglich gehalten hatten.

Nach heutigen Maßstäben waren die ersten Vereinbarungen kein großer Wurf. Ursprünglich hatte die AOK Verträge über 89 Wirkstoffe geplant, am Ende wurden es 43. Die ausgehandelten Preisnachlässe lagen bei maximal 37 Prozent. Heute gehen Hersteller sogar um 90 Prozent mit dem Preis herunter. Aus Sicht der Krankenkassen sind die Rabattverträge insgesamt ganz klar ein Erfolg. Sie gehören inzwischen zum Standardrepertoire ihrer Geschäftspolitik. Die AOK als Wegbereiter hat Anfang April bereits ihre achte Runde gestartet. Die Einsparungen gehen in die Milliarden. Bei der Umsetzung zeigt sich dann, dass mit diesen Vereinbarungen aber auch erhebliche Nachteile verbunden sind: Immer wieder haben Pharmaunternehmen Lieferschwierigkeiten. Das gilt besonders dann, wenn eine Krankenkasse grundsätzlich nur einem Hersteller den Zuschlag für ein Gebietslos erteilt, dazu gehört auch der Branchenführer AOK.

Extreme Situation

Schon grotesk war die Situation bei der im vergangenen Juni gestarteten sechsten Rabattrunde. Wegen juris­tischer Streitigkeiten konnte die AOK erst kurzfristig die Zuschläge erteilen und dadurch konnten die Hersteller sich nicht mehr bevorraten. Extrembeispiel war hierbei Metoprololsuccinat von Teva. Der Generikahersteller und die AOK hatten einen Vertrag geschlossen über ein Präparat, das es überhaupt noch nicht gab. Über viele Monate war es nicht verfügbar.

Während sich die Krankenkassen über Einsparungen freuen, verursachen die Rabattverträge in den Apotheken ein Chaos. Sie bedeuten vor allem langwierige Diskussionen mit Patienten sowie erhöhten Aufwand bei der Verwaltung und oft auch bei der Beschaffung der Rabattarzneimittel.

Branchenriesen im Vorteil

Eng verbunden sind die Rabattverträge mit dem Namen Christopher Hermann. Der Initiator des ersten Vertrages erlangte in den vergangenen fünf Jahren bundesweit Bekanntheit, die man aber nicht mit Sympathie verwechseln darf. Bei Apotheken und Generikaherstellern gehört er sicher nicht zu den beliebtesten Kassenfunktionären, denn die Anliegen der Marktpartner haben ihn noch nie interessiert.

Wem Rabattverträge langfristig nutzen, muss sich noch zeigen. Hermann hatte zwar immer wieder behauptet, die Rabattverträge seien eine Chance für kleine Generikahersteller, sich gegen die Branchenriesen durchzusetzen. Daran gibt es aber Zweifel. Nach einer Untersuchung des Iges-In­stituts haben die Rabattverträge in den vergangenen Jahren nicht zu mehr, sondern zu weniger Wettbewerb geführt. Insgesamt sei die Marktkonzentration gestiegen, sagen die Iges-Wissenschaftler. Weniger Wettbewerb würde mittelfristig die Preise für Generika wieder steigen lassen.

Die aktuelle Situation birgt eine zweite Gefahr. Wenn die Preise weiter so niedrig bleiben oder sogar noch sinken, dann könnte dies mittelfristig auf die Qualität von Generika durchschlagen. Das kann nicht im Interesse der Krankenkassen sein. Auf der anderen Seite ist es allerdings ziemlich unwahrscheinlich, dass die Kassen ihr liebstes Kostensparinstrument aufgeben. Das sieht auch der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, so: »Wir hätten gerne intelligentere Kostendämpfungsinstrumente. Meine Einschätzung ist aber, dass wir noch eine Weile mit Rabattverträgen leben müssen, auch wenn wir das nicht wollen.« Die Nerverei mit nicht verfügbaren Medikamenten dürfte also weitergehen. /