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Schutzstoff Arginin

Mehr als nur den Blutdruck regulieren

25.03.2014  11:48 Uhr

Von Annette van Gessel / Spätestens seit dem Nobelpreis für Medizin im Jahr 1998 ist bekannt, dass die Aminosäure L-Arginin ein entscheidender Faktor für die Regulation des Blutdrucks ist. Dass Arginin noch wesentlich mehr kann, belegen aktuelle Studien. Warum der Eiweißbaustein für das gesamte Wohlbefinden eine so wichtige Rolle spielt, erklärt der Arteriosklerose-Spezialist Professor Dr. Horst Robenek vom Universitätsklinikum Münster im Interview.

PTA-Forum: Arginin ist an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt. Warum ist es gerade für die Regulation des Blutdrucks so wichtig?

Robenek: Der natürliche Eiweißbaustein Arginin ist in unserem Körper für die Produktion von Stickstoffmonoxid verantwortlich. Dieser Botenstoff weitet die Gefäßwände und entspannt die Muskulatur. Das senkt den Blutdruck. Die Folge ist eine bessere Versorgung der Organe mit Sauerstoff und allen anderen Nährstoffen, die über das Blut transportiert werden. Andersherum betrachtet, bedeutet Arginin-Mangel eine geringere Stickstoffmonoxid-Produktion. Die Organe sind schlechter versorgt und ein langfristig erhöhter Druck kann das Endothel als innerste Zellschicht der Arterien verletzen. Die Gefahr, dass Kalk- und Fettablagerungen die Gefäße verengen, nimmt dann deutlich zu.

PTA-Forum: Wirkt sich das auch auf unser Gedächtnis beziehungsweise die geistige Leistungsfähigkeit aus?

Robenek: Ja. Das Prinzip ist das gleiche: Bei einer erhöhten Stickstoffmonoxid-Produktion ist auch unser Gehirn besser mit Sauerstoff und allen anderen Nährstoffen versorgt. Unser Gehirn braucht vor allem Glucose. Je mehr davon im Gehirn ankommt, desto besser ist das für unsere Gehirnleistungen – also auch die kognitiven Fähig­keiten und unser Gedächtnis. Deshalb ist es auch durchaus sinnvoll, Arginin beispielsweise bei Demenzkranken einzusetzen. Grundsätzlich gilt: Je besser die Durchblutung und damit die Nähr- und Sauerstoffversorgung des Gehirns, desto geringer das Risiko für Alzheimer und Demenz. Zahlreiche Studien bestätigen dies.

PTA-Forum: Etwas Arginin produziert unser Körper ja selbst. Außerdem ist es in Lebensmitteln enthalten. Daher müsste es doch leicht sein, sich damit ausreichend zu versorgen, oder?

Robenek: Leider ist das genaue Gegenteil der Fall. Bei Erwachsenen bildet der Körper nur noch geringe Mengen Arginin und mit dem Lebensalter steigt der Bedarf an. Dann muss die Nahrung den Großteil liefern. In der Tat gibt es für Arginin gute Quellen, wie Sonnenblumenkerne, Nüsse, Sojabohnen, Hülsenfrüchte, Vollkornreis, Garnelen, Thunfisch, rotes Fleisch und Gelatine.

Gerade Menschen mit Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Diabetes mellitus brauchen meist jedoch deutlich mehr Arginin, als sie über die täg­liche Kost aufnehmen. Zudem hat Arginin im Körper einen gefährlichen Gegenspieler, das Asymmetrische-Di-Methyl-Arginin, kurz ADMA genannt. Eine neue Studie belegt sogar, dass ein hoher ADMA-Spiegel im Blut bei gleichzeitig erniedrigtem Arginin-Spiegel bei Patienten mit Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen das Risiko, relativ früh zu sterben erheblich erhöht.

PTA-Forum: Weshalb wird ADMA zum »Killer«?

Robenek: ADMA hemmt die Umwandlung von Arginin in Stickstoffmonoxid. Die unmittelbare Folge des so verursachten Stickstoffmonoxid-Mangels: Unsere Gefäße werden zusammengezogen, die Durchblutung aller Organe leidet. Und damit auch deren Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff.

Außerdem ist Stickstoffmonoxid ein wichtiger Radikalfänger: Es schützt unsere Zellen vor oxidativem Stress, also vor der Zerstörung durch aggressive Sauerstoffverbindungen, sogenannte freie Radikale. So lautet der Zusammenhang: Je mehr ADMA, desto weniger Stickstoffmonoxid und desto mehr freie Radikale. Noch vorhandenes Stickstoffmonoxid macht zwar einen Teil des ADMA unschädlich, bei diesem Prozess nimmt das Stickstoffmonoxid im Blut aber weiter ab. Dadurch kann es auch seine Gefäß schützenden und erweiternden Wirkungen immer weniger entfalten.

Und der zunehmende oxidative Stress beschleunigt unglücklicherweise noch die ADMA-Bildung, womit der Stickstoffmonoxid-Mangel fortschreitet. Somit entsteht ein echter Teufelskreis. Das ist aber nicht das einzige Problem, das ADMA verursacht.

PTA-Forum: Inwiefern?

Robenek: Stickstoffmonoxid steigert auch die Aktivität und Bildung von Mitochondrien. Funktionieren diese Energiezentralen aufgrund eines Stickstoffmonoxid-Mangels nur eingeschränkt, wirkt sich das auch auf das Gehirn aus. Dort kommt es zum Beispiel zur Degeneration der Synapsen und somit zu erheblichen Leistungsstörungen. Grundsätzlich kann man zusammenfassen: Der durch ADMA verursachte Stickstoffmonoxid-Mangel führt zu einem Sauerstoff- und Nährstoffmangel, einem erheblichen Energiemangel, zu einem deutlich verringerten Gefäßschutz und letztlich zur Zerstörung von Zellen. ADMA ist für unseren Körper quasi Gift.

PTA-Forum: Was lässt sich dagegen tun?

Robenek: Wenn Sie Ihrem Körper ausreichend Arginin zuführen, kurbeln Sie die Stickstoffmonoxid-Produktion aktiv und ganz natürlich an. Bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung besteht leider ein Arginin-Mangel. Und die ADMA-Spiegel steigen im Alter selbst bei gesunden Menschen um das Vierfache an. Eine ausreichende Versorgung mit Arginin über die tägliche Kost wird so nahezu unmöglich.

PTA-Forum: Gibt es eine Dosierungsempfehlung für die Gabe von Arginin in Tablettenform?

Robenek: Eine klare Empfehlung gibt es nicht. Niemand muss jedoch extrem hohe Dosierungen einnehmen, besser längerfristig etwa 2,5 Gramm pro Tag. Der Blutdruck sinkt langsam. Nach drei bis fünf Tagen spüren die Patienten in der Regel eine erste Wirkung. Die kon­tinuierliche Zufuhr des Nährstoffs ist dann für eine Verbesserung der Durchblutung essenziell.

PTA-Forum: Vor kurzem wurde eine Studienübersicht zu Arginin veröffentlicht. Können Sie die Ergebnisse erläutern?

Robenek: Diese Arbeit fasst die wichtigsten Studien der vergangenen Jahre zusammen und bestätigt damit die Erkenntnisse des Medizin-Nobelpreisträgers von 1998: Louis Ignarro. Mittlerweile erscheinen jedes Jahr rund 5000 wissenschaftliche Arbeiten zu den vielfältigen gesundheitsfördernden Effekten von Arginin. In der angesprochenen Studienübersicht werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Das entscheidende Fazit der Studienübersicht ist: Sowohl der systolische als auch der diastolische Wert wird durch die zusätzliche Einnahme von Arginin entscheidend verbessert.

PTA-Forum: Ab welchen Blutdruckwerten würden Sie die Einnahme von Arginin-haltigen Präparaten empfehlen?

Robenek: Grundsätzlich kann es nicht schaden, die Stickstoffmonoxid-Produktion in unserem Körper durch die Zufuhr von Arginin zu unterstützen. Die idealen Blutdruckwerte liegen bei 120/80 mmHg. Bei dauerhaft hohen Werten von über 140/90 mmHg muss auf jeden Fall ein Arzt konsultiert werden. Je früher, desto besser.

PTA-Forum: Wie viele Deutsche sind nach Ihrer Einschätzung von Arginin-Mangel betroffen?

Robenek: Genaue Zahlen gibt es leider nicht. Allerdings haben etwa 20 Millionen Deutsche einen Bluthochdruck, Tendenz steigend. Und circa 6 Millionen von ihnen ahnen nicht einmal etwas davon, weil sie keine oder nur unspezifische Beschwerden verspüren. Nach dem heutigem Stand der Wissenschaft gehen wir davon ausgehen, dass aktuell bei jedem vierten Deutschen Arginin-Mangel vorliegt. Mindestens.

PTA-Forum: Wieso mindestens?

Robenek: Vermutlich sind es noch viel mehr, denn die Hälfte aller Deutschen stirbt an Herz-Kreislauferkrankungen. Gerade Menschen mit Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Diabetes mellitus sollten auf eine ausreichende Arginin-Versorgung achten, um ihre Gefäße zu schützen. Da sie meist jedoch mehr Arginin brauchen, als sie über ihre Nahrung aufnehmen, lohnt es sich für sie, Arginin-Präparate einzunehmen. Ich persönlich empfehle das auch Gesunden ab dem mittleren Alter, die vorbeugen möchten. Sie sollten jedoch nicht irgendein Mittel kaufen, sondern ein qualitativ hochwertiges Präparat in der Apotheke, am besten die Kombination aus L-Arginin plus Folsäure sowie Vitamin B6 und B12. Das Besondere an dieser Kombination: Die B-Vitamine senken zusätzlich noch den Spiegel von Homocystein im Blut. Homocystein bildet sich im Eiweißstoffwechsel eines jeden Menschen und ist für die Gefäße ähnlich gefährlich wie Cholesterol.

PTA-Forum: Kann man Arginin zu hoch dosieren?

Robenek: Nein. Es gibt keinerlei Belege dafür, dass selbst sehr hohe Dosen Arginin schädigend wirken. /