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Calcium

Mineralstoff mit Aufhol­bedarf

25.03.2014  11:48 Uhr

Von Ulrike Becker / Calcium sorgt im menschlichen Körper für stabile Knochen. Der Mineralstoff steckt in zahlreichen Lebensmitteln – besonders gehaltvoll sind Milch, Joghurt und Käse. Über die Nahrung ausreichend Calcium aufzunehmen, sollte daher kein Problem sein. Dennoch gibt es überraschend viele Menschen, die schlecht mit dem wichtigen Knochenbaustein versorgt sind.

Das menschliche Skelettsystem ist ein riesiger Calciumspeicher. In den Knochen sowie in den Zähnen befinden sich 99 Prozent des gesamten im Körper vorhandenen Mineralstoffs. Zusammen mit anorganischem Phosphat sorgt Calcium für deren Stabilität. Der kleine Rest liegt gelöst oder an Eiweiß gebunden in Blut und Gewebe vor und spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung und der Signalübertragung in den Körperzellen. Calciumionen steuern zudem die Erregbarkeit von Nerven- und Muskelzellen, aktivieren bestimmte Hormone und Enzyme, auch zur Stabilisierung der Zellwände tragen sie bei.

Hormone regulieren Calciumhaushalt

Aufgrund dieser wichtigen Funktionen hält der Organismus den Calciumspiegel in sehr engen Grenzen. An dieser Regulation sind zahlreiche Hormone beteiligt: vor allem das Parathormon – ein Hormon der Nebenschilddrüse, das bei einem Abfall des Calcium-Blutspiegels ausgeschüttet wird. Um die normale Konzentration im Blut wieder herzustellen, mobilisiert das Hormon Calcium aus den Knochen und verstärkt die Rückresorption in den Nieren. Gleichzeitig wandelt es Vitamin D in seine aktive Form um: 1α,25(OH)2-Cholecalciferol – auch als Calcitriol bezeichnet. Das sogenannte Vitamin-D-Hormon stimuliert die Bildung eines Transportproteins, sodass das Calcium der Nahrung vermehrt aus dem Darm in das Blut gelangt. Ist der Vitamin-D-Spiegel zu niedrig, kann der Körper selbst bei ausreichender Zufuhr nicht genug Calcium aus dem Darm aufnehmen. Vitamin D fördert außerdem den Einbau von Calcium in die Knochen und die Härtung des Knochens. An diesem Prozess sind übrigens auch die Estrogene beteiligt.

Gegenspieler des Parathormons ist das Schilddrüsenhormon Calcitonin. Bei hohem Calciumspiegel im Blut bremst es dessen Freisetzung aus den Knochen und die Resorption im Darm, gleichzeitig fördert es die Ausscheidung über die Nieren. Eine weitere interessante Regulation des Körpers: Die resorbierte Calciummenge passt sich ein Stück weit den Bedürfnissen an. So nehmen Säuglinge sowie Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase Calcium besonders effektiv auf. Die Resorp­tions­rate liegt in jungen Jahren bei rund 60 Prozent, während sie bei Erwachsenen auf etwa 15 bis 20 Prozent absinkt.

Wie viel Calcium braucht der Mensch?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen, täglich 1000 Milligramm Calcium aufzunehmen. Diese Menge gleicht die täglichen Verluste über Urin, Stuhl und Schweiß aus. Weil Kinder und Jugendliche noch Knochen aufbauen, ist ihr Bedarf erhöht: Zehn- bis Zwölfjährige sollten 1100 Milligramm und 13- bis 18-Jährige 1200 Milligramm zuführen. Diese Empfehlung überprüften Experten erst im Juni 2013 anhand aktueller wissenschaftlicher Daten und bestätigten die Werte für die meisten Altersgruppen.

Die Calciumlieferanten Nummer eins sind Käse (bis zu 1200 Milligramm pro 100 Gramm), Milch (120 Milligramm pro 100 Milliliter) und andere Milchprodukte.Wer diese Lebensmittel regel­mäßig zu sich nimmt, ist mit dem Knochenbaustein gut versorgt. Bereits ein viertel Liter Milch und zwei Scheiben Hartkäse liefern die empfohlene Menge von 1000 Milligramm. Doch auch wer keine Milch verträgt oder bewusst auf tierische Lebensmittel verzichtet, kann durch eine geschickte Lebensmittelauswahl für ausreichend Calcium sorgen. Vor allem dunkelgrüne Gemüsesorten wie Brokkoli, Grünkohl und Rucola sind wertvolle Quellen ebenso wie Hasel- und Paranüsse, Mandeln und Sesam. Calciumreiches Mineralwasser kann zur Versorgung ebenfalls ganz erheblich beitragen. Ein Mineralwasser darf als calciumreich bezeichnet werden, wenn es pro Liter mehr als 150 Milligramm Calcium enthält.

Viele Faktoren bestimmen Bioverfügbarkeit

Milch und Milchprodukte liefern nicht nur reichlich Calcium, das Mineral ist aus diesen Lebensmitteln mit rund 30 Prozent auch gut verfügbar. Das liegt an den natürlichen Begleitstoffen wie Milchzucker, Vitamin D, Milchsäure und bestimmten Milchproteinen, die die Resorption fördern.

Aus pflanzlichen Lebensmitteln kann der Körper das Calcium allgemein schlechter nutzen, denn Pflanzenstoffe wie Oxal- und Phytinsäure reduzieren die Bioverfügbarkeit. Hemmend wirken auch Gerbsäuren, wie sie in schwarzem Tee und Kaffee vorkommen. Allerdings sind die Schwankungsbreiten sehr groß: Während Calcium aus Spinat nur zu 5 bis 10 Prozent verfügbar ist, nimmt der Körper aus Brokkoli oder Grünkohl sogar 60 Prozent auf. Grundsätzlich wird im Darm mehr Calcium resorbiert, wenn sich die Zufuhr auf mehrere Mahlzeiten über den Tag verteilt.

Eine hohe Zufuhr an tierischem Protein ist ungünstig für die Calcium­bilanz, denn die enthaltenen schwefelhaltigen Aminosäuren senken den pH-Wert des Urins und forcieren so die Ausscheidung. Wer sehr viel Kochsalz aufnimmt oder sehr viel Kaffee trinkt, steigert ebenfalls die Calciumverluste über die Niere.

Versorgungslage teilweise bedenklich

Der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung lässt sich Milch, Milchprodukte und Käse gerne schmecken. Und so scheint die Calciumaufnahme auf den ersten Blick optimal zu sein. Die Nationale Verzehrsstudie ermittelte anhand der Daten von mehr als 15 000 Menschen: Der mittlere Wert bei Männern beträgt circa 1052 Milligramm täglich und bei Frauen etwa 964 Milligramm. Das heißt, die offizielle Empfehlung von 1000 Milligramm wird recht gut erreicht.

Auffällig ist aber, dass sowohl sehr junge als auch ältere Frauen schlecht mit dem wichtigen Knochenbaustein versorgt sind: 74 Prozent der 14- bis 18-Jährigen sowie rund 65 Prozent der Seniorinnen zwischen 65 und 80 Jahren nehmen deutlich zu wenig auf. Mit zunehmendem Alter sinkt die Calciumzufuhr auch bei den Männern kontinuierlich, und bei den Über-65-Jährigen sind ebenfalls 61 Prozent unterversorgt. Aufgrund dieser Daten stufen Ernährungsexperten Calcium als kritischen Nährstoff ein.

Warum weibliche Jugendliche weniger Milch trinken als ihre männlichen Altersgenossen, ist unklar. Möglicherweise befürchten die jungen Frauen, dick zu werden. Dabei beobachteten Wissenschaftler in verschiedenen Studien den gegenteiligen Effekt: Offenbar schützen Milch und Milchprodukte sogar vor Übergewicht und können das Abnehmen erleichtern. Dies hängt vermutlich mit dem Einfluss von Calcium auf den Fettstoffwechsel zusammen. So scheint der Körper bei einer guten Calciumversorgung weniger Fett einzulagern, dafür mehr Muskelprotein aufzubauen. Im Vergleich zum Verzehr von Milchprodukten wirkt sich die Gabe von isoliertem Calcium deutlich geringer aus. Die Forscher vermuten, dass neben Calcium weitere bioaktive Bestandteile aus der Milch den Fettstoffwechsel günstig beeinflussen.

Gefahr für die Knochen

Wer von klein auf ausreichend Calcium aufnimmt, dessen Knochen sind optimal mineralisiert. Neben einer bedarfsgerechten Ernährung spielen Bewegung und – für die Vitamin-D-Synthese in der Haut – der Aufenthalt in der Sonne eine wesentliche Rolle. Alle dauerhaft unzureichend Versorgten riskieren, an Osteoporose zu erkranken. Allein in Deutschland leiden knapp acht Millionen Menschen an dem übermäßigen Knochenabbau, 80 Prozent davon sind Frauen. Die verringerte Knochenstabilität tritt vermehrt bei Frauen nach den Wechseljahren auf, denn durch den sinkenden Estrogenspiegel dominiert der Knochenabbau. Auch die im Alter nachlassende Fähigkeit, Vitamin D in der Haut zu bilden, wirkt sich ungünstig auf die Knochen aus.

Wer keine Milch verträgt

Eine Unverträglichkeit von Milchzucker macht etwa 15 bis 20 Prozent der deutschen Bevölkerung zu schaffen. Mit zunehmendem Alter lässt die Aktivität des Enzyms Lactase nach, das den Milchzucker (Lactose) aufspaltet. Dann gelangt unverdauter Milchzucker in den Darm und sorgt für Beschwerden. Der völlige Verzicht auf Milchprodukte ist deswegen aber nicht erforderlich. Die meisten Betroffenen vertragen noch kleine Mengen Milchzucker. Jeder sollte daher die individuelle Verträglichkeit gezielt austesten. Käse ist praktisch lactosefrei und daher gut bekömmlich, denn bei der Käsereifung wird Milchzucker in Milchsäure umgewandelt. Sauermilchprodukte wie Joghurt, Quark oder saure Sahne sind ebenfalls gut verträglich. Hier haben die enthaltenen Milchsäurebakterien den Milchzucker zu einem großen Teil bereits abgebaut.

Wissenschaftler diskutieren darüber, ob eine hohe Calciumaufnahme über Supplemente bei bereits vorliegendem Knochenabbau sinnvoll ist. Viele Studien belegen zwar den Nutzen, andere dagegen bestätigen dies nicht. Die Verfasser der Leitlinien zu Osteoporose weisen darauf hin, dass nur bei denjenigen Calciumergänzungen sinnvoll sind, die weniger als 1000 Milligramm Calcium über die Nahrung zuführen können. Die Gesamtzufuhr sollte aber nicht mehr als 1500 Milligramm täglich betragen. Die Leitlinien betonen auch die Bedeutung von Vitamin D für den Knochenstoffwechsel. Um ausreichend Vitamin D zu bilden, sind täglich mindestens 30 Minuten Sonnenlicht auf Armen und Gesicht notwendig. Bei bettlägerigen Patienten oder Menschen, die sich gar nicht oder kaum im Freien aufhalten, ist eine Vitamin-D-Ergänzung auf jeden Fall angebracht.

Supplemente sinnvoll?

Obwohl Calcium bereits von Natur aus in vielen Lebensmitteln enthalten ist, findet es sich als Zusatz in vielen Nahrungsergänzungsmitteln und Produkten wie Fruchtsaftgetränken, Getränkepulver, Frühstückscerealien oder Fertiggerichten. Studien belegen, dass gerade die Menschen verstärkt zu angereicherten Produkten greifen, die ohnehin über die Nahrung gut mit Nährstoffen versorgt sind. Die Experten des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfehlen: Nahrungsergänzungsmittel sollten eine Tageshöchstmenge von 500 Milligramm Calcium nicht überschreiten. Eine zu hohe Zufuhr von Calcium verschlechtert beispielsweise die Aufnahme von Eisen, Zink und Magnesium und kann eine Unterversorgung mit diesen wichtigen Nährstoffen zur Folge haben.

Tipps für stabile Knochen

  • Täglich an drei Portionen Milch und Milchprodukte wie Joghurt, Kefir, Dickmilch sowie Käse denken. Besonders calciumreich sind Hart- und Schnittkäse.
  • Häufiger calciumreiche Gemüse wie Brokkoli oder Grünkohl wählen.
  • Das Essen öfter mit Nüssen, Mandeln und Sesamsamen ergänzen.
  • Calciumreiches Mineralwasser (mindestens 150 Milligramm Calcium pro Liter) bevorzugen.
  • Jeden Tag mindestens 30 Minuten an der frischen Luft bewegen.
  • Für die Vitamin-D-Versorgung täglich circa 5 bis 25 Minuten in der Sonne aufhalten. Dabei sollten Gesicht, Hände und größere Teile von Armen und Beinen unbedeckt sein.

Eine langfristig überhöhte Aufnahme steigert die Calciumkonzentration im Blut (Hypercalcämie) und erhöht das Risiko für Ablagerungen in den Nieren und den Harnwegen. Insbesondere bei vorbelasteten Menschen kann das zu Funktionsstörungen der Nieren und zu Harnsteinen führen. Zu viel Calcium scheint auch dem Herzen zu schaden. Als Ursache dafür vermuten Wissenschaftler, dass zu hohe Calciumblutspiegel zu einer Verengung der Blutgefäße führen und damit Arteriosklerose begünstigen.

Ernährung hat Vorrang

Die gute Versorgung mit Calcium ist für den Stoffwechsel unverzichtbar. Über eine gezielte Lebensmittelauswahl fällt es nicht schwer, die ausreichende Zufuhr sicherzustellen. Daher sollte niemand zusätzlich Calciumpräparate schlucken. Sie sind lediglich in bestimmten Situationen und bei einigen Krankheiten erforderlich. Eine einfache Blutuntersuchung gibt Auskunft, wie gut der Körper mit dem Mineralstoff versorgt ist. Liegt ein Calciummangel vor, lohnt sich zunächst ein Blick auf die Essgewohnheiten. Erweist sich die zusätzliche Zufuhr als nötig, muss der Patient Dosierung und Dauer der Supplementierung mit dem Arzt absprechen. Von einer Selbstmedika­tion nach dem Motto »viel hilft viel« ist in jedem Fall abzuraten. Eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise ist der beste Garant dafür, ausreichend Calcium aufzunehmen und sich vor Osteoporose zu schützen – Nebenwirkungen oder Mangelerscheinungen sind hier ausgeschlossen. /

Knochenstarker Speisezettel

1000 Milligramm Calcium sind enthalten in:

  • 100 g Vollkornnudeln, 30 g Parmesan, 250 Gramm Brokkoli, 30 Gramm Haselnüsse, 200 ml Kefir oder
  • 0,25 l Milch, 2 Scheiben Vollkornbrot (100 g), 2 Scheiben Hartkäse wie Emmentaler, 100 Gramm Rucola, 200 g Joghurt oder
  • 0,2 l Mineralwasser (300 mg Calcium), 0,2 l Sojamilch (mit Calcium angereichert), 1 Esslöffel Sesammus, Müsli aus Haferflocken und Nüssen, 1 Apfelsine

E-Mail-Adresse der Verfasserin
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