Mundgeruch - nein danke! |
25.03.2014 11:48 Uhr |
Von Ulrike Viegener / In der Mundhöhle herrschen eigene Gesetze. Das Besondere ist ihr enger Kontakt mit der Außenwelt. Befindlichkeitsstörungen im Bereich der Mundhöhle sind häufig. Viele Betroffene setzen bei Beschwerden erst einmal Präparate aus der Selbstmedikation ein.
Mundgeruch hat viele unterschiedliche Ursachen. Meist registrieren ihn nur die anderen. Die Furcht vor Mundgeruch kann sogar pathologische Züge annehmen: Manche Menschen leiden – im Rahmen seltener neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen – unter Geruchshalluzinationen oder sogar wahnhafter Angst, dass andere sie wegen ihres schlechten Atems meiden.
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Mundgeruch wirkt nicht zuletzt deshalb sozial stigmatisierend, weil sich beim Gegenüber fast automatisch der Gedanke einstellt: Da hat sich jemand die Zähne nicht richtig geputzt. Und in den allermeisten Fällen stimmt das sogar. Ursache Nummer eins für Mundgeruch ist schlechte Mundhygiene. Die ebenfalls verbreitete Ansicht, Mundgeruch komme meist vom Magen her, ist dagegen falsch. In Ausnahmefällen, beispielsweise bei Menschen mit einer Magenerkrankung, gilt dies allerdings sehr wohl.
Fachleute unterscheiden zwei Formen von Mundgeruch: Foetor ex ore und Halitosis. Im ersten Fall entstehen die üblen Gerüche in der Mundhöhle und entweichen nur bei geöffnetem Mund. Im zweiten – viel selteneren – Fall riecht bei geschlossenem Mund auch die Atemluft, die durch die Nase strömt. Hierbei kommen als Ursache systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus in Betracht. Heute werden die Begriffe »Foetor ex ore« und »Halitosis« allerdings meist synonym verwendet.
In der Atemluft von Menschen mit Mundgeruch konnten Wissenschaftler eine Vielzahl flüchtiger Substanzen nachweisen. Die Hauptschuldigen sind flüchtige Schwefelverbindungen wie Schwefelwasserstoff. Doch auch Amine, Aromaten und kurzkettige Carbonsäuren tragen zu schlechtem Atem bei. Auch spezielle Gerüche geben dem Atem eine unangenehme Note, beispielsweise das Hungerazeton nach längerer Nüchternheit oder auch der Knoblauch- und Zwiebelgeruch.
Taschen und Zunge nicht vergessen
Schlechte Mundhygiene als Ursache für Mundgeruch, das heißt vor allem, dass die Betroffenen die Zähne entweder zu selten putzen oder die relativ schwer zugänglichen Zahnzwischenräume und bestehende Zahnfleischtaschen, wo sich Bakterien besonders gern festsetzen, beim Zähneputzen vernachlässigen oder ganz vergessen.
Neben gründlichem Zähneputzen auch die Zunge reinigen. Foto: Shutterstock/hightowernrw
Im Rahmen einer Parodontitis können sich mehrere Millimeter tiefe Zahnfleischtaschen bilden, die für Mikroben ein ideales Biotop darstellen. Bakterielle Stoffwechselprodukte sowie auch die entzündlichen Prozesse selbst führen zu fauligen Gerüchen. Dies gilt auch für weniger tiefe Zahnfleischentzündungen (Gingivitis). Auf der rauen Zungenoberfläche – besonders im hinteren Bereich, der nicht mit dem Gaumen in Kontakt gelangt – sammeln sich bei unzureichender Mundhygiene ebenfalls Essensreste und bakterielle Beläge.
Gutes Miteinander
Milliarden von Bakterien bevölkern unseren Mund- und Rachenraum, wobei mehrere hundert verschiedene Arten beschrieben sind. Die meisten von ihnen sind gutartig und leben mit uns in friedlicher Koexistenz. Mehr noch: Wir profitieren sogar von diesen Mikroben, weil sie das Immunsystem stimulieren und an der Abwehr pathogener Keime aktiv beteiligt sind.
Trotzdem gelangen immer wieder Keime in den Mundraum, die potenziell gesundheitsschädlich sind. Ihre Stoffwechselprodukte greifen den Zahnschmelz an und provozieren auch Entzündungen des Zahnfleisches, die oft mit unangenehmen Gerüchen einhergehen. Andere Mikroben sind direkt für Mundgeruch verantwortlich, ohne dass es zu Entzündungsreaktionen kommt. So sind eine Reihe von Bakterienspezies bekannt, die Aminosäuren unter Abspaltung von Schwefelwasserstoff zersetzen. Alle potenziell schädlichen Mikroben müssen durch regelmäßige Mundhygiene eliminiert oder doch zumindest an einer massiven Ausbreitung gehindert werden.
Keine falsche Scheu
Wer in der Apotheke nach einem Produkt gegen Mundgeruch fragt, sollte diese Zusammenhänge unbedingt kennen. Viele möchten mit einem Mittel den schlechten Geruch übertünchen oder besser noch vertreiben. Solche Präparate können sinnvoll sein, eine gute Mundhygiene jedoch nicht ersetzen. Führt die optimierte Zahnputztechnik nicht zum Erfolg, muss ein Arzt andere Ursachen abklären. Auch sollten PTA oder Apotheker sich nicht scheuen, das Thema mit der gebotenen Sensibilität von sich aus anzusprechen, wenn sie bei einem Kunden mit Mundgeruch konfrontiert werden.
Viele Betroffene suchen nach einem Mittel, um den schlechten Atem zu überdecken, sollten aber lieber die Ursache bekämpfen. Foto: Fotolia/apops
Verräterische Gerüche
Bei manchen systemischen Erkrankungen dringt schlechter Geruch aus Mund und Nase. So riecht beispielsweise der Atem von Diabetikern als Folge einer Stoffwechselentgleisung nach Aceton. Uringeruch aus Mund und Nase ist dagegen Zeichen einer schweren Nierenfunktionsstörung. Mundtrockenheit ist ein Leitsymptom beim Sjögren-Syndrom. Daher kann diese Autoimmunerkrankung, bei der die Speicheldrüsen angegriffen werden – ebenfalls zu schlechtem Atem führen. Dasselbe gilt für die Refluxkrankheit, Speiseröhrendivertikel und einige Magenerkrankungen sowie Entzündungen im Nasen-Rachenraum (Rhinosinusitis) oder der unteren Atemwege (Bronchitis, Lungenentzündung, Lungenabszess). Bei hartnäckiger Halitosis muss ausgeschlossen werden, dass sich ein Tumor im Bereich von Mund, Nase oder Rachen hinter den schlechten Gerüchen verbirgt.
Unter den kausalen Maßnahmen gegen Mundgeruch steht die optimierte Mundhygiene an erster Stelle. Dazu gehört auch die Verwendung spezieller Werkzeuge wie Zungenspatel. Spülungen sind vor allem bei Entzündungen im Mundraum angezeigt. Auch wenn die geruchsmildernde Wirkung nicht wissenschaftlich belegt ist, einen Versuch sind auch die alten Hausmittel Petersilie und Ingwerwurzel wert, die von Betroffenen gekaut werden sollten.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, den Speichelfluss anzuregen – unabhängig davon, ob die Betroffenen unter Mundtrockenheit leiden oder nicht. Vermehrter Speichelfluss lässt sich allein schon durch sorgfältiges Kauen fester Nahrungsmittel wie Schwarzbrot erreichen. Auch das Lutschen saurer Drops ist für diesen Zweck gut geeignet.
Zu wenig Spucke
Zu wenig Speichel ist ein Risikofaktor für Mundgeruch, weil der Speichel schwer zugängliche Bereiche im Mund von Bakterien reinigt. Bei Mundtrockenheit (Xerostomie) kommen unterschiedliche Ursachen in Frage. Nicht immer ist nur die Speichelmenge reduziert, manchmal ist auch die Zusammensetzung des Speichels verändert.
Vor allem drei paarig angelegte Speicheldrüsen sind für die Speichelproduktion zuständig: im Ohr, Unterkiefer und unter der Zunge. Daneben beteiligen sich an der Bildung noch zahlreiche kleinere Drüsen im Mundraum. Gesteuert wird der Speichelfluss über das vegetative Nervensystem. Mundtrockenheit infolge starker Aufregung ist ein Beispiel für die psychovegetative Beeinflussung der Speichelproduktion.
Oft ist schlichtweg Flüssigkeitsmangel der Grund für Mundtrockenheit. Sehr viele Menschen trinken nicht genug, wobei dieses Problem bei alten Menschen in besonderem Maß besteht. Aber auch hohe Flüssigkeitsverluste zum Beispiel durch Schwitzen oder Brechdurchfall bewirken, wenn sie nicht ausgeglichen werden, einen Mangelzustand.
Ältere Menschen leiden noch aus einem anderen Grund besonders oft an Mundtrockenheit: Sie nehmen häufig zahlreichen Medikamente ein, zu deren unerwünschten Wirkungen Mundtrockenheit gehört.
Lange Medikamentenliste
So beeinflussen orale Anticholinergika, aber auch Anticholinergika in Augentropfen die Speichelproduktion. Dasselbe gilt für viele Psychopharmaka, vor allem trizyklische Antidepressiva. Auch bei Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) muss mit Mundtrockenheit gerechnet werden.
Antihistaminika haben ebenfalls diese Nebenwirkung ebenso wie viele Herz-Kreislauf-Medikamente. Das ist sowohl von Diuretika als auch von Beta-Blockern, ACE-Hemmern und Calcium-Antagonisten bekannt.
Therapiebedingt leiden auch Krebskranke sehr häufig unter Mundtrockenheit. Chemotherapeutika greifen die Mundschleimhaut an, was oft Entzündungen und einen gestörten Speichelfluss zur Folge hat. Außerdem besteht bei Bestrahlungen im Kopfbereich das Risiko, dass die Funktion der Speicheldrüsen gestört wird. Die Krebserkrankung selbst spielt eventuell ebenfalls eine Rolle.
Zahlreiche Ursachen
Die Liste von Krankheiten, die mit Mundtrockenheit einhergehen, ist lang. Sie reicht von psychiatrischen Erkrankungen über Nervenstörungen bis hin zu Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes mellitus. Bei Angsterkrankungen und Depressionen ist Mundtrockenheit ein häufiges Symptom, das über das Vegetativum, aber auch über hormonelle Veränderungen vermittelt wird. Auch an Essstörungen sollte als mögliche Ursache für Xerostomie gedacht werden. Schnarchen oder – im schlimmeren Fall – eine Schlafapnoe können wegen der Mundatmung die Schleimhaut ebenfalls austrocknen. Gegen Xerostomie können PTA oder Apotheker Speichelersatzprodukte empfehlen.
Mundwinkel sind ideale Brutstätten für alle Arten von Mikroben. Dort ist es feucht und ausgeprägte Falten verstärken den Nischencharakter noch. Erhöhter Speichelfluss – zum Beispiel beim Morbus Parkinson – sowie häufiges Lippenlecken steigern das Infektionsrisiko. Andererseits reißen auch bei sehr trockener Haut leicht die Mundwinkel ein, die dann eventuell sekundär besiedelt werden.
Rhagaden in den Mundwinkeln – Faulecken – sind meist Folge einer Infektion: Bei Erwachsenen steckt oft der Hefepilz Candida albicans dahinter, bei Kindern sind häufig Streptokokken oder Staphylokokken schuld. Aber auch das Herpes-simplex-Virus nistet sich gerne in den Mundwinkeln ein.
Rhagaden können aber auch Folge einer Allergie sein. Als allergene Quellen kommen Kosmetika oder Zahnprothesen in Frage, aber auch nickelhaltige Kugelschreiber, auf denen manche Menschen beim Nachdenken gerne herumbeißen. An Zink-, Eisen- oder Vitaminmangel oder Diabetes mellitus muss bei Rhagaden ebenfalls gedacht werden.
Der entzündliche Prozess beginnt damit, dass die Haut sich rötet und einreißt, in manchen Fällen bilden sich Beläge oder Krusten. Fast alle Rhagaden sind schmerzhaft und mit einem Spannungsgefühl verbunden. Meist heilen sie innerhalb weniger Tage ab, mitunter erweisen sie sich jedoch als recht hartnäckig.
Wer Rhagaden in der Selbstmedikation behandelt, läuft Gefahr, eine Erkrankung zu verschleppen. vor allem wenn sie ständig wiederkehren.
Zur symptomatischen Behandlung eignen sich fetthaltige Salben und Cremes – zum Beispiel Zinkpaste oder Vaseline. Ist der Erreger bekannt, lässt der Hautarzt eventuell eine Rezeptur anfertigen, der spezifische antimikrobielle Wirksubstanzen beigemischt sind, oder er verschreibt zusätzlich lokale Antimykotika, Antibiotika oder Virustatika.
Mundgeruch, Mundtrockenheit und auch Rhagaden (siehe Kasten) muten als Symptome relativ harmlos an. Doch im Einzelfall können sich gravierende Erkrankungen dahinter verbergen. Deshalb sollten rein symptomorientierte Therapieversuche allenfalls kurzfristig durchgeführt werden. Bleiben die Beschwerden bestehen oder kommen immer wieder, sollten die Betroffenen unbedingt einen Arzt konsultieren. /
E-Mail-Adresse der Verfasserin
ulrike.viegener(at)gmx.de