Den Versender zieht es in die Provinz |
07.03.2016 15:08 Uhr |
Von Daniel Rücker / Die Versandapotheke Doc Morris will das Konzept der Video-Apotheke reanimieren. In kleinen Dörfern, in denen es keine Apotheke gibt, soll dieser Service die Versorgung mit Medikamenten sicherstellen. Die Idee ist weder neu noch legal.
Es war ruhig geworden um Doc Morris. Nachdem Ralf Däinghaus im Schulterschluss mit der Konzernmutter Celesio vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert war, lief es medial nicht mehr so gut für den Versender, der zuvor über Jahre Liebling der Medien gewesen war. In der vergangenen Woche hat es Doc Morris wieder in die Zeitungen geschafft.
Foto: Shutterstock/koi88
Vermeintlicher Sehnsuchtsort des Unternehmens ist das baden-württembergische 2000-Seelen-Dorf Hüffenhardt. Dort gibt es seit einigen Monaten keine Apotheke mehr. Jetzt naht der Retter. Früher wollte Doc Morris das deutsche Apothekenwesen zerstören. Jetzt gibt der Versender vor, die Gesundheitsversorgung in der Provinz zu stabilisieren. Ein bemerkenswerter Wandel.
Wie das niederländische Unternehmen mitteilte, soll in den leerstehenden Apothekenräumen eine Video-Kabine eingerichtet und ein Abgabeautomat für häufig vorkommende Arzneimittel aufgestellt werden. Beraten werden die Hüffenhardter in der Kabine per Video-Schaltung von einem in den Niederlanden ansässigen Apotheker des Versenders Doc Morris. Nach der Beratung können die Patienten OTC-Arzneimittel kaufen und bei Vorlage eines gültigen Rezeptes auch verschreibungspflichtige Arzneimittel am Automaten ziehen. Der Apotheker am anderen Ende der Video-Leitung kann dabei laut Doc Morris kontrollieren, ob der Automat das richtige Arzneimittel herausgibt. Bezahlt wird dann an dem integrierten EC-Karten-Lesegerät.
Verbot aus 2010
Der Automat ist offensichtlich eine Neuauflage des im Jahr 2010 juristisch gestoppten Apothekenautomates Visavia. Entwickelt wurde der Automat von Kommissionierer-Hersteller Rowa. Er kam im Jahr 2008 auf den Markt. Zwei Jahre später verbot das Bundesverwaltungsgericht allerdings die Arzneimittelabgabe über den Automaten. Ein solches Abgabeverfahren genüge nicht den gesetzlichen Dokumentationspflichten des Apothekers. Er müsse die Angaben auf dem Rezept bei der Abgabe des Arzneimittels abzeichnen und eventuelle Änderungen unterschreiben, argumentierten die Richter. Dies sei bei einer automatisierten Abgabe über ein Terminal nicht möglich.
Apothekenschließungen sind vor allem auf dem Land ein Problem.
Foto: PZ/Kalisch
Der Hüffenhardter Bürgermeister Walter Neff und Doc-Morris-Vorstand Max Müller bezeichnen das bereits mehrfach gescheiterte Konzept dennoch als futuristisch. Den Bürgermeister hat Doc Morris schon überzeugt, doch dürften diesem die Fallstricke des Arzneimittel- und Apothekenrechts kaum bekannt sein. Unvorsichtigerweise hat aber auch das Wirtschaftsministerium in Stuttgart bereits seine Sympathie für das Konzept bekundet. Hoffentlich findet sich dort ein Jurist, der die Rechtslage kennt und dem Minister eine Exitstrategie basteln kann.
Ernsthafte Sorgen müssen sich die öffentlichen Apotheken an dieser Stelle vermutlich nicht machen. Der Abgabeautomat in der Provinz ist keine Gefahr, sondern ein PR-Gag. Visavia und sein Vorläufer Cobox sind vor allem deshalb gescheitert, weil sie ökonomisch unattraktiv waren. Die Verantwortlichen bei Doc Morris wissen das. Das Unternehmen rettet nicht die Provinz, Doc Morris macht Werbung für sich selbst. Die Hüffenhardter werden auch in Zukunft in den Nachbarort fahren müssen, wenn sie Arzneimittel benötigen. /