Fälschung via Internet |
07.03.2016 15:08 Uhr |
Von Ursula Sellerberg / Arzneimittelfälschungen nehmen international zu. Das Haupteinfallstor sind Internetbestellungen bei dubiosen Versendern, die rezeptfreie Arzneimittel illegal nach Deutschland liefern. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass bei Arzneimitteln, die über illegale Internetversender bezogen werden, der Fälschungsanteil bei über 50 Prozent liegt. Besonders aggressiv beworben werden Lifestyle-Arzneimittel, zum Beispiel gegen Erektionsstörungen.
Laut Definition dienen Lifestyle-Arzneimittel der Verbesserung normaler Körperfunktionen und sollen in erster Linie die Lebensqualität erhöhen. Sie dürfen nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden – der Patient muss sie also selbst bezahlen. Zu den Lifestyle-Medikamenten gehören nach § 34 des Sozialgesetzbuchs V:
Grundsätzlich sind Fälschungen bei allen Arzneimitteln möglich, unabhängig von der Indikation oder dem Preis. Allerdings werden Lifestyle-Arzneimittel aus drei Gründen besonders häufig gefälscht: Erstens müssen Verbraucher sie privat bezahlen. Daher haben viele keine Einsicht in die Notwendigkeit, zunächst einen Arzt aufzusuchen und sich von diesem ein Privatrezept ausstellen zu lassen.
Arzneimittel werden häufig so gut gefälscht, dass selbst Profis sie auf den ersten Blick nicht als Plagiat erkennen.
Foto: Imago/Stefan Zeitz
Zweitens ist manchen Verbrauchern, beispielsweise bei Medikamenten gegen Erektionsstörungen, der Erwerb in der Apotheke peinlich. Und drittens sind die Markennamen durch Werbekampagnen so bekannt, dass viele Verbraucher meinen, sich auch ohne den Rat eines Experten selbst versorgen zu können.
Wer in der Suchmaschine Google die Begriffe »Viagra online kaufen« eingibt, erhält aktuell 19 Millionen Suchergebnisse. Die gleiche Suche ergibt bei Ibuflam – laut Arzneiverordnungsreport 2015 das am häufigsten verordnete Arzneimittel – hingegen nur rund 12 000 Eintragungen.
Mit bloßem Auge lässt sich oft nicht erkennen, ob ein Arzneimittel gefälscht ist oder nicht. Anhaltspunkte für eine Fälschung sind jedoch folgende:
Arzneimittelfälschungen sind für Kriminelle lukrativ: Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Kilogramm an Plagiaten von Viagra® durchschnittlich 90 000 Euro. Damit liegt der Preis deutlich über dem von Kokain, das laut Schätzungen von 2008 65 000 Euro kostet. Aber Arzneimittelfälschungen sind für die Fälscher nicht nur lukrativer, sondern auch risikoärmer: International sind Arzneimittelfälschungen mit wesentlich geringeren Strafen sanktioniert als die Herstellung von Rauschgiften beziehungsweise der Handel mit diesen.
Auch für Patienten illegal
Was viele Verbraucher nicht wissen: Privatpersonen dürfen nach dem deutschen Arzneimittelrecht über den Postversand keine Arzneimittel aus dem Nicht-EU-Ausland beziehen. Auch Urlauber dürfen Medikamente nur in den Mengen nach Deutschland einführen, die ihrem persönlichen Reisebedarf entsprechen.
Liefern Internetversender verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept aus, handelt es sich häufig um Fälschungen.
Foto: Shutterstock/Brian A Jackson
Bei einem Verstoß drohen laut Arzneimittelgesetz (AMG) Geld- oder Freiheitsstrafen. Erlaubt ist der Bezug von in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln aus dem Ausland ausschließlich über behördlich registrierte Versandapotheken aus den EU-Mitgliedstaaten, deren Recht dem deutschen entspricht, oder die für den Versand eine spezielle Erlaubnis besitzen.
Reine Glückssache
Das Zentrallabor der Deutschen Apotheker (ZL) in Eschborn hat in den vergangenen Jahren mehrfach Lifestyle-Arzneimittel untersucht. Bei dubiosen Internetversendern bestellte das ZL-Team unter anderem Medikamente gegen Erektionsstörungen (Viagra®, Levitra®, Cialis®) und analysierte die gelieferte Ware. Ein Resultat verschiedener Untersuchungen: Der Wirkstoffgehalt in Fälschungen ist reine Glückssache. Er kann der Deklaration entsprechen, aber auch weit darüber oder weit darunter liegen. Eine zweite Erkenntnis: Hochwertige Verpackungen (Beipackzettel, Aufdruck von Chargennummern, Hologramme et cetera) waren kein verlässliches Anzeichen dafür, dass der Inhalt der Deklaration entsprach. So ist es in vielen Fällen nahezu unmöglich, Fälschungen bereits äußerlich zu erkennen.
Nicht nur Arzneimittel, auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) können gefälscht sein und außerdem pharmakologisch wirksame Substanzen enthalten. Ein Beispiel ist das Produkt »Rivando 24«, das als »rein pflanzliches« NEM zur Potenzsteigerung angepriesen wurde. Eine Untersuchung des ZL zeigte, dass jede Kapsel zwischen 65 und 90 mg Sildenafil enthielt. Zum Vergleich: Viagra® wird in den Dosierungen zwischen 25 und 100 mg Sildenafil pro Einzeldosis vertrieben. Zwar ist Rivando 24 nicht mehr im Handel – aber andere gefälschte Lifestyle-Präparate tauchen immer wieder auf. Verbraucher sollten deshalb kritisch bleiben, gerade bei Internetversendern. /