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Testosteron-Substitution

Hormone für ewige Jugend?

07.03.2016  15:08 Uhr

Von Clara Wildenrath / Testosteron ist das wichtigste männliche Sexualhormon. Es sorgt für sexuelle Potenz, Vitalität und Muskelkraft des Mannes. Doch bereits um das 35. Lebensjahr nimmt die Hormonproduktion nach und nach ab.

Testosteron macht Männer männlich: In der Pubertät fördert es die Entwicklung der Geschlechtsorgane, die Körperbehaarung und den Stimmbruch. Lebenslang steigert Testosteron das sexuelle Verlangen und ist mitverantwortlich für die Spermaproduktion. Auch Knochenstabilität und Muskelkraft profitieren von einem ausreichend hohen Spiegel des männlichen Sexualhormons. Darüber hinaus verbessert es die Vita­lität, das psychische Wohlbefinden, und die Lebenslust.

Gebildet wird Testosteron in erster Linie in den Hoden, zu einem geringen Teil auch in der Nebennierenrinde. Schon etwa ab dem 35. Lebensjahr nimmt die Hormonproduktion der Keimdrüsen jedoch tendenziell ab. »Besonders stark tritt das bei Männern mit Übergewicht auf, die sich wenig bewegen und ungesund ernähren«, erklärt Dr. Christian Leiber, Leiter der Sektion Andrologie am Universitätsklinikum Freiburg. Bei etwa 5 bis 10 Prozent der Über-50-Jährigen entsteht dadurch ein echter Testosteronmangel. Damit verbunden sind häufig Beschwerden wie Müdigkeit, Hitzewallungen, Schlafprobleme, Leistungsabfall, depressive Verstimmungen, Abnahme der Muskelmasse und -kraft, nachlassende Libido und Potenzstörungen. Darüber hinaus führt die verringerte Hormon­produk­tion zum Verlust von Knochenmasse und zur vermehrten Knochenbrüchigkeit sowie einer höheren Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoff­wechsel­störungen.

Mediziner bezeichnen die Unterfunktion der Hoden als Hypogonadismus und die daraus entstehenden Beschwerden als Testosteronmangelsyndrom. Den in der Laienpresse beliebten Begriff der »Wechseljahre des Mannes« findet Leiber dagegen unpassend: »Anders als bei Frauen nimmt der männ­liche Hormonspiegel ganz allmählich ab und auch nicht bei jedem in gleichem Maße.« Bei Männern mit hohem Testo­ste­ron­­spiegel in jungen Jahren, die bis ins Alter sport­lich fit bleiben, lägen oft auch noch mit 80 die Werte relativ hoch, so seine Erfahrung. Nicht geklärt sei bislang allerdings, was die Ursache und was die Wirkung ist.

Unbestritten ist jedoch: Testosteronmangel kann zu typischen Symptomen und Krankheiten führen – und diese wiederum verstärken unter Umständen den Mangel. Ob entsprechende Beschwerden tatsächlich die Folge eines Hypogonadismus sind, klärt der Besuch bei einem Andrologen oder Urologen. Dazu sollte der Arzt entsprechend der Empfehlungen der euro­pä­ischen Leitlinien an mindestens zwei Tagen die Hormonwerte bestimmen. Am besten geschieht das vormittags, da die Testosteronspiegel im Laufe des Tages abfallen. Weil der Großteil des Testosterons in gebundener, also bio­logisch inaktiver Form vorliegt, werden bei grenzwertig erniedrigten Werten zusätzlich zum Gesamttestosteron oft auch die Bindeproteine (Serumalbumin und Sexual­hormon­bindendes Globulin = SHBG) gemessen. So lässt sich die Menge des biologisch aktiven, freien Testosterons berechnen.

Ist der Mangel nachgewiesen, kann die Testosteronsubstitution die damit verbundenen Symptome verringern. Heute steht eine Vielzahl von kurz- und langfristig wirkenden Präparaten für eine solche Hormonersatztherapie zur Verfügung. Viele Patienten kommen nach Erfahrung des Spezialisten gut mit alkoholbasierten Gelen zurecht, die sie jeden Morgen auf dem Bauch oder den Oberarmen auftragen. »Wichtig ist aber, dass sich der Mann danach gründlich mit Seife die Hände wäscht«, empfiehlt der Androloge.

Manche Patienten ziehen Depotspritzen vor, die der Arzt ihnen alle drei Monate intramuskulär verabreicht. Transdermale Pflaster sind ebenfalls erhältlich. Da sie jedoch relativ hohe Hormonmengen abgeben müssen, sind die Pflaster ziemlich groß. Häufig führt der Pflasterklebstoff allerdings zu allergischen Hautreaktionen, berichtet Leiber. Nicht durchgesetzt hätten sich Testosteron-Lösungen, die ähnlich wie ein Deostift in der Achselhöhle aufgetragen werden. Da Testosteron in der Leber schnell abgebaut wird, ist eine Behandlung mit Tabletten weitgehend unwirksam.

Ziel der Therapie ist, den Testosteronspiegel langsam bis in den mittleren Normbereich anzuheben. Studien belegen, dass davon sowohl Körper als auch Geist des älteren Mannes profitieren: Seine Stimmungslage bessert sich rasch, Libido und Potenz steigen wieder, Hitzewallungen verschwinden. Die Zahl der roten Blutkörperchen geht in die Höhe, was sich positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt. Mittelfristig nehmen auch Knochendichte und Muskelmasse zu und das Bauchfettgewebe ab. Einige Stoffwechselparameter wie der Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c werden ebenfalls günstig beeinflusst.

Mehr Manneskraft?

Kein Wunder, dass diese Vielzahl an positi­ven Effekten bei vielen Männern übersteigerte Erwartungen weckt: Mehr Vitalität, eine sportlichere Figur und ein erfülltes Sexualleben – wer hätte das nicht gerne? Doch der Freiburger Experte für Männergesundheit warnt vor einer Hormongabe als Lifestyle- oder Anti-Aging-Medizin: »Wenn kein nachgewiesener Mangel vorliegt, entspricht die Testosteronzufuhr einem Medikamentenmissbrauch.« Kriminell werde es insbesondere dann, wenn Testosteron zur Leistungssteigerung im Kraft- oder Ausdauersport eingesetzt wird – was nach Erfahrung von Sportmedizinern in manchen Fitnessstudios durchaus gang und gäbe ist.

Klettert der Testosteronwert durch die Medikamentengabe auf ein zu hohes Niveau, steigt die Gefahr von Neben­wirkungen: Da das männliche Sexual­hormon unter anderem auch die Bildung von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) anregt, wird das Blut immer dickflüssiger – es drohen lebensbedrohliche Gefäßverschlüsse. »Das sieht man gelegentlich bei Hochleistungssportlern, die nach einer großen körperlichen Anstrengung plötzlich mit einem Herzinfarkt zusammenbrechen«, weiß Leiber.

Fehlende Hormone ersetzen

Wird durch die Testosteronsubstitu­tion beim Hypogonadismus dagegen nur das fehlende Hormon ersetzt und der Spiegel regelmäßig kontrolliert, sind nach Leibers Erfahrung normalerweise keine Nebenwirkungen zu erwarten. Bei der Verwendung von Gelen oder Pflastern treten gelegentlich höchstens lokale Reaktionen oder bei der Drei-Monats-Spritze Schwellungen an der Injektionsstelle auf.

Theoretisch besteht die Gefahr, dass eine Hormonbehandlung die Entstehung von Prostatakrebs fördert. Denn: Prostatakarzinome sind meist testosteronabhängig – durch künst­lichen Entzug des Hormons lässt sich ihr Wachstum bremsen. Große Metaanalysen belegen jedoch, dass das Krebsrisiko durch die Testosteronsubstitution nicht steigt. Ob der Hormon­ersatz die Rückfallgefahr nach einer erfolg­reich behandelten Krebserkrankung der Vorsteherdrüse beeinflusst, ist noch nicht eindeutig erwiesen. Ein bereits fortgeschrittenes Prostata­karzinom gilt in jedem Fall als Kontraindikation. Bei gutartiger Vergrößerung der Prostata spricht dagegen nichts gegen eine Hormonersatztherapie.

Herz-Kreislauf-Risiko

Nicht einig sind sich Wissenschaftler darüber, ob und wie sich die Testosteronsubstitution auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt. Einerseits ist bekannt, dass Männer mit Testosteronmangel häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Dadurch sinkt ihre Lebenserwartung. Insofern sollten sie von einer medikamentösen Testosteronzufuhr profitieren. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einzelne Studien, die auf ein höheres kardiovaskuläres Risiko unter der Hormontherapie hinweisen. Zur Sicherheit empfehlen die europäischen Fachgesellschaften, vor Beginn der Testosteronsubstitution weitere Risikofaktoren wie eine koronare Herzerkrankung, Herzschwäche oder Venenthrombosen abzuklären. Bei betroffenen Patienten sollten Blutbild und Testosteronspiegel während der Hormontherapie besonders sorgfältig überwacht werden.

Zwar gehen nach heutiger Studienlage Experten davon aus, dass sich eine Testosteronsubstitution bei Hypogonadismus positiv auf die Lebensqua­lität des Mannes, seine Sexualität und seinen Stoffwechsel auswirkt. Doch sie allein ist kein Rezept für Fitness im Alter, betont Leiber: »Man muss auch seine Lebensumstände ändern. Dazu gehören regelmäßige Bewegung mit Kraftsport, der Abbau von überflüssigen Pfunden und eine gesunde Ernährung.« Allerdings falle Männern das Abnehmen durch die Testosteronsubstitution in der Regel leichter. Bereits durch die sportliche Betätigung und den verringerten Bauchfettanteil normalisiert sich auch die körpereigene Hormonproduktion bei vielen Männern. Oft ist dann nach einiger Zeit gar kein von außen zugeführtes Testosteron mehr nötig. /