Rasante Ausbreitung, wenig Gesichertes |
07.03.2016 15:08 Uhr |
Von Manuela Kupfer / Bis vor Kurzem war das Zika-Virus nahezu unbekannt. Inzwischen breitet es sich in den Tropen und Subtropen weltweit explosionsartig aus. Es mehren sich Hinweise, dass sich aufgrund einer Zika-Viren-Infektion während der Schwangerschaft der Schädel Ungeborener nicht richtig entwickelt. Nun erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den globalen Gesundheitsnotstand.
Isoliert wurde das Zika-Virus im Jahr 1947 bei einem Rhesusaffen im Rahmen einer Gelbfieber-Studie im Zika-Wald Ugandas, beim Menschen erfolgte der Erstnachweis 1954. Danach wurde das Virus wiederholt bei Menschen festgestellt, zunächst in Afrika, dann auch in Asien.
Autoreifen sowie alle Gefäße, in denen sich Regenwasser sammeln kann, sind ideale Brutstätten für Stechmücken.
Foto: Shutterstock/Steve Buckley
Zum ersten größeren Infektionsausbruch führten Zika-Viren auf der mikronesischen Insel Yap. Ab 2013 wurden Ausbrüche auf weiteren pazifischen Inseln beobachtet, beispielsweise in Französisch-Polynesien. Im April 2015 wurden erste Fälle aus Brasilien gemeldet. Aktuell breitet sich das Virus in Mittel- und Südamerika aus. Bis zum Februar 2016 wurden auf dem amerikanischen Kontinent in 28 Ländern oder Gebieten Zika-Virus-Ausbrüche dokumentiert, seit 2007 weltweit in 48 Ländern. Die WHO befürchtet eine zunehmende Ausbreitung des Virus, da sich der Lebensraum der Überträger-Mücken immer weiter vergrößert. Als Gründe werden der Klimawandel, das rasche Städtewachstum und die Globalisierung genannt.
Stechmücken als Überträger
Das Zika-Virus gehört zur Gattung der Flaviviren in der Familie Flaviviridae. Das Genom des umhüllten Virus besteht aus RNA. Bekannt sind zwei Hauptlinien: eine afrikanische und eine asiatische. Alle Flaviviren werden durch Stechmücken (Arthropoden) übertragen. Die Gattung umfasst mehr als 50 Arten, darunter auch das Gelbfieber-, Dengue-, West-Nil-Fieber und das FSME-Virus.
Als Überträger des Zika-Virus fungieren blutsaugende Stechmücken der Gattung Aedes. Erstmalig nachgewiesen wurde das Virus bei Aedes africanus, in der Folgezeit ebenfalls in weiteren Arten, unter anderem in der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus), die seit einigen Jahren in Europa und seit Kurzem auch in Deutschland vorkommt. Die Infektion auf Yap wurde vermutlich durch Aedes hensilii übertragen, die Viren in Französisch-Polynesien durch Aedes polynesiensis und Aedes aegypti, die Gelbfiebermücke. Aedes aegypti gilt als Hauptüberträger des Zika-Virus, außerdem aber auch anderer Viren, die beispielsweise Dengue-, Chikungunya-, Rifttal- oder Gelbfieber verursachen.
Die Asiatische Tigermücke kommt seit Kurzem auch in Deutschland vor.
Foto: Shutterstock/Tacio Philip Sansonovski
Die Gelbfiebermücke ist drei bis vier Millimeter lang, dunkel gefärbt mit einer weißen Zeichnung auf dem Halsschild und schwarz-weiß geringelten Beinen. Sie hat sich an das Leben in menschlichen Siedlungen gut angepasst und hält sich auch in Häusern auf. Im Unterschied zu den Anopheles- Mücken, die Malaria übertragen, sticht Aedes aegypti vorzugsweise in den frühen Morgen- und Abendstunden, aber auch zu anderen Tageszeiten, vor allem in beleuchteten Räumen. Die Weibchen saugen Blut, das sie für die Fortpflanzung benötigen, und injizieren dem Wirt gleichzeitig die Viren mit ihrem Speichel. Die Mücke sticht meist mehrere Menschen, bevor sie 100 bis 200 klebrige Eier an die Innenwand von Flaschen, Bechern oder Autoreifen ablegt, in denen sich etwas Wasser gesammelt hat.
Ein Weibchen lebt vier bis sechs Wochen und kann während dieser Zeit bis zu fünfmal Eier legen. Die widerstandsfähigen Eier können selbst ein Jahr Trockenheit überdauern. Unter optimalen Bedingungen entwickelt sich innerhalb von etwa zehn Tagen aus dem Ei über ein Larven- und Puppenstadium die erwachsene Mücke.
Potenzielle Übertragung
In der Regel werden Zika-Viren durch den Stich infizierter Mücken übertragen. Das Virenreservoir bilden wahrscheinlich Primaten. Nachweisbar ist das Virus in menschlichem Blut und Urin. Daher ist die Übertragung des Erregers über Blutspenden möglich. Hierzu gilt ein Fall als gesichert, ein weiterer als wahrscheinlich.
Außerdem waren Viren im Sperma akut infizierter Männer nachweisbar, in einem Fall sogar noch 62 Tage nach der Infektion. Nach zwei Fällen, in denen Männer die Viren beim Sexualkontakt auf Frauen übertrugen, wurden 14 weitere Fälle gemeldet, die aktuell geprüft werden. Eventuell enthalten auch Samenspenden Zika-Viren. Zwei Neugeborene wurden durch ihre akut erkrankten Mütter während der Entbindung infiziert. Bei zwei Schwangeren, die mehrere Wochen zuvor eine Infektion durchgemacht hatten und deren Feten eine Mikrozephalie zeigten, wurde Viren-RNA im Fruchtwasser nachgewiesen. Im Plazentagewebe mehrerer Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten hatten, wurde virale RNA festgestellt. Dies spricht für die Viren-Übertragung über die Plazenta.
Meist keine Symptome
Im Allgemeinen verlaufen Infektionen mit Zika-Viren mild, 70 bis 80 Prozent sogar völlig symptomlos. Mögliche Beschwerden treten meist drei bis sieben Tage nach einem infektiösen Mückenstich auf und halten bis zu einer Woche an. Am häufigsten sind juckender Hautausschlag, Gelenk- und Muskelschmerzen, Bindehautentzündung und Fieber, seltener Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden.
Bei einigen Patienten in Französisch-Polynesien und in Südamerika entwickelte sich nach der Infektion ein Guillain-Barré-Syndrom, eine Erkrankung der peripheren Nerven, die mit Lähmungen einhergeht. Ein kausaler Zusammenhang mit der Zika-Viren-Infektion ist nicht erwiesen.
Das Virus führt sehr wahrscheinlich zu Mikrozephalie, wenn sich die Mutter im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft infizierte.
Foto: Imago/Xinhua
Des Weiteren steht das Virus im Verdacht, durch eine Infektion Schwangerer, vor allem im ersten und zweiten Trimenon, bei den Feten Mikrozephalie zu verursachen. Die Fehlbildung des Schädels äußert sich in einer vergleichsweise geringen Größe sowie histopathologischen Veränderungen des Hirns. Mikrozephalie beeinträchtigt die geistigen und motorischen Fähigkeiten der Betroffenen. Sie kann auch genetische Ursachen haben sowie durch Drogenkonsum, perinatale Hypoxien oder weitere Infektionen wie Röteln, Syphilis, Toxoplasmose oder Zytomegalie hervorgerufen werden. Derzeit werden in Brasilien über 4000 Verdachtsfälle geprüft, bei etlichen Fällen wurde die Mikrozephalie bestätigt und bei einigen hatte sich die Schwangere mit Zika-Viren infiziert.
Noch immer ist der Zusammenhang zwischen Zika-Virus-Infektion und der Schädelfehlbildung bei Neugeborenen nicht sicher. Er gilt aber aufgrund der vorliegenden Befunde und des Virennachweises im Hirngewebe toter Feten und Säuglinge als sehr wahrscheinlich. Laut WHO kann frühestens Mitte des Jahres eine gesicherte Aussage darüber gemacht werden.
Da für die Therapie keine Medikamente zur Verfügung stehen, wird die Krankheit symptomatisch behandelt: mit nicht steroidalen Antirheumatika, viel Ruhe und ausreichend Flüssigkeit. Wissenschaftler arbeiten inzwischen mit Hochdruck an der Entwicklung eines Impfstoffs. Ein Impfstoff-Kandidat sowie erste -Tests werden für Ende des Sommers erwartet.
Situation in Deutschland
Hierzulande wurden bislang einzelne Infektionen bei Reiserückkehrern diagnostiziert. Genaue Zahlen zu den Infizierten gibt es nicht, denn die gesetzliche Meldepflicht wurde gerade erst eingeführt. Der Hauptüberträger, die Gelbfiebermücke, kommt bisher in Deutschland nicht vor. Dagegen hat sich die Asiatische Tigermücke weltweit ausgebreitet, seit den 1990er-Jahren also auch in Europa.
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2015 tauchten in Freiburg und Heidelberg mehrere Populationen auf. Die Tigermücke überträgt einige pathogene Viren, beispielsweise Gelbfieber-, Dengue-, West-Nil- oder Chikungunya-Viren. Ob sie auch ein geeigneter Vektor des Zika-Virus ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar isolierten Forscher das Virus bereits aus Aedes albopictus und infizierten in Singapur Mücken in einem Laborversuch erfolgreich mit dem Virus, ob diese das Virus jedoch auf den Menschen übertragen, muss weiter untersucht werden.
Experten halten kleine Ausbrüche während der warmen Sommermonate für denkbar. Das Risiko, dass Tigermücken in Deutschland demnächst eine Dengue- oder Zika-Epidemie verursachen, schätzen sie jedoch gering ein. Dafür seien Mückendichte und Zahl infizierter Menschen zu klein. Sie schließen aber nicht aus, dass im Ausland infizierte Männer bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr in Einzelfällen das Virus übertragen.
Einige Forscher rechnen damit, dass die Zika-Epidemie schon bald in eine neue, sich selbst begrenzende Phase übergeht. Denn nach einer Infektion mit dem Virus ist der Mensch lange Zeit immun. So entwickelt sich nach einer Phase der massiven Virusausbreitung innerhalb der jeweiligen Bevölkerung eine Immunität. Diese führt schließlich zum Ende der Epidemie. /