Pulmonal-arterielle Hypertonie |
Edith Schettler |
27.02.2017 10:59 Uhr |
Aufgrund der relativ unspezifischen Symptome wie Luftnot vergehen oft Monate, bis ein Arzt die seltene Form der pulmonal-arteriellen Hypertonie diagnostiziert. / Foto: Getty Image/Science Photo Library
Zentrale Pumpstelle für die Zirkulation des Blutes ist das Herz. Es befördert das venöse Blut sowohl in den Lungen- als auch in den Körperkreislauf. Abhängig vom Schlagvolumen des Herzens und dem Widerstand der Blutgefäße baut sich in den Arterien ein bestimmter Druck auf. Übersteigt dieser Druck definierte Normwerte, sprechen Ärzte von Bluthochdruck oder Hypertonie. Erhöhter Druck kann zwar in beiden Kreislaufsystemen entstehen, doch kommt der Hochdruck in den Arterien des Körperkreislaufes weitaus häufiger vor und kann auch recht unkompliziert bestimmt werden, entweder durch einfache Messung der Pulswellen oder Erfassung der Korotkoffschen Geräusche an der Oberarmarterie.
An idiopathischer pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) erkranken jährlich nur ein bis zwei Menschen von 1 000 000. Bei ihnen gestaltet sich die Messung des Blutdrucks in der Pulmonalarterie weitaus schwieriger. Da es anatomisch nicht möglich ist, ein Messgerät anzulegen, können die Werte nur mit größerem Aufwand erfasst werden. Bei der Rechts-Herzkatheteruntersuchung schiebt der Facharzt einen Pulmonaliskatheter durch den rechten Herzvorhof und die rechte Herzkammer hindurch in die Pulmonalarterie. Wählt er das nicht-invasive Messverfahren der Echokardiografie, einer speziellen Ultraschall-Methode, zieht der Kardiologe indirekt Rückschlüsse auf den pulmonal-arteriellen Blutdruck. Der Normalwert für den mittleren Blutdruck in der Lunge beträgt 14 ± 3 mmHg. Überschreitet der Messwert 25 mmHg, liegt eine pulmonale Hypertonie vor. Steigt er über 50 bis 70 mmHg, beeinträchtigt er die Herzfunktion und führt zu schweren Folgeschäden.
Frühzeitige Diagnose
Klinische Symptome bemerkt der Patient meist erst dann, wenn der Blutdruck in der Lungenarterie über 30 mmHg liegt. Dann fühlen sich die Patienten in ihrer Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt und klagen über Luftnot bei Belastung, später auch in Ruhe. Hinzu kommen Herzbeschwerden, die sich als Kreislaufkollaps (Synkopen) und Angina-pectoris-Anfälle bemerkbar machen. In Folge der verringerten Herzleistung bilden sich Ödeme, vor allem in den Beinen. Viele Patienten leiden im fortgeschrittenen Stadium am sogenannten Raynaud-Syndrom. Dann entfärben sich bei ihnen anfallsweise Finger und Zehen als Folge der Durchblutungsstörungen.
Die pulmonal-arterielle Hypertonie zählt zu den Erkrankungen, die sich selbst verstärken. Durch die ständige Druckbelastung verändert sich der Aufbau der Arterien. Zunächst verdicken sich die Gefäßwände, dadurch wird der Arterienquerschnitt enger und das Gefäßendothel nimmt Schaden. Schritt für Schritt wird die Gefäßmuskulatur durch Bindegewebe ersetzt. Damit verringert sich die Elastizität der Arterien und der Stoffaustausch wird behindert. Letztlich werden alle Körperzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Das verringerte Gefäßlumen und die verminderte Elastizität der Gefäße lassen den Blutdruck weiter ansteigen. Gegen diesen Hochdruck muss die rechte Herzkammer eine immer größere Kraft aufwenden, um das Blut in den Lungenkreislauf zu pumpen. Durch diese ständige Anstrengung verdickt der Herzmuskel, bis das Herz schließlich ganz versagt. Welche Mechanismen diese Fehlregulierung ursächlich auslösen, ist noch nicht bekannt. Forscher machen unter anderem genetische Ursachen, ein Autoimmungeschehen sowie eine Beteiligung von Entzündungsmediatoren dafür verantwortlich.
Um das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder zumindest zu verzögern, ist es wichtig, pulmonal-arterielle Hypertonie möglichst frühzeitig zu erkennen. Da die frühen Symptome wie Müdigkeit und Luftnot jedoch unspezifisch sind, messen Ärzte den Pulmonaldruck meist erst dann, wenn sie eine Reihe anderer häufigerer Erkrankungen wie Herz- oder Lungenleiden ausgeschlossen haben. Bis dahin vergehen oft wertvolle Monate, in denen sich der Zustand der Patienten weiter verschlechtert.
Systematische Klassifikation
Während der 5. Weltkonferenz für Pulmonale Hypertonie beschlossen die Experten im Jahr 2013 eine Klassifikation der Pulmonalen Hypertonie, die jetzt weltweit genutzt wird. Eingeteilt nach den Ursachen ihrer Entstehung unterscheiden sie fünf Klassen. Alle Klassen werden jeweils nochmals unterteilt. Zur Klasse 1, der pulmonal-arteriellen Hypertonie, gehören 5 Untergruppen (siehe Kasten auf der nächsten Seite). Diese Einteilung bildet die Grundlage für die Therapie der pulmonalen Hypertonie. Für Erkrankungen mit bekannter Ursache ist die kausale Behandlung der Grunderkrankung, soweit möglich, vorrangig. Außerdem richtet sich die Therapie nach dem Schweregrad der Erkrankung, hier gelten ebenfalls die Krankheitsstadien I bis IV der New York Heart Association (NYHA). Der progrediente Krankheitsverlauf der pulmonal-arteriellen Hypertonie erfordert den sofortigen Therapiebeginn nach der Diagnose. Leider befinden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 80 Prozent der Patienten bereits in Stadium NYHA III oder IV, sodass ihre körperliche Leistungsfähigkeit hochgradig eingeschränkt ist, manche sogar schon bettlägerig sind.
Ohne spezielle Therapie führt die Erkrankung in wenigen Jahren zum Tod. Noch vor 20 Jahren gab es keine zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung dieser seltenen Krankheit. Dank der intensiven Forschung in den letzten beiden Jahrzehnten können die Autoren der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie derzeit zwölf verschiedene Medikamente empfehlen. Trotz dieser deutlichen Fortschritte bleibt die Erkrankung vorerst unheilbar.
Individuelle Therapie
Das erste Arzneimittel zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie kam in den 1980er-Jahren auf den Markt: Epoprostenol, ein Thrombozytenaggregationshemmer. Bis dahin überlebten 68 Prozent der Patienten nur ein Jahr nach Diagnosestellung und 34 Prozent drei Jahre. Die spezifische Therapie verbesserte diese Werte auf 86 beziehungsweise 55 Prozent und erhöhte deutlich die Lebensqualität der meisten Patienten.
Beim sogenannten Raynaud-Syndrom entfärben sich die Finger anfallsweise als Folge der Durchblutungsstörungen.
Foto: Dr. Stefan Schröpfer
Das vorrangige Ziel der Pharmakotherapie ist, die Durchblutung im Lungenkreislauf zu verbessern. Die Senkung des Blutdrucks entlastet die rechte Herzkammer und verbessert die Sauerstoffversorgung. Dadurch spürt der Patient, wie seine Leistungsfähigkeit zunimmt.
Gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie bilden gefäßerweiternde Wirkstoffe die Basis der Therapie. Ein Arzneimittel allein erreicht jedoch bei der Mehrzahl der Patienten das Therapieziel nicht. Am häufigsten kombinieren Kardiologen daher einen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten mit einem selektiven Phosphodiesterase(PDE)-5-Inhibitor. Endothelin-Rezeptor-Atagonisten wie Ambrisentan (Volibris®) und Bosentan (Tracleer®) erweitern vorwiegend die glatten Muskelzellen der Blutgefäße und des Herzens. Die PDE5-Inhibitoren Sildenafil (Revatio®) und Tadalafil (Adcirca®) sorgen ebenfalls für eine Entspannung der glatten Gefäßmuskulatur. Zusätzlich haben spezialisierte Fachärzte die Option, den Patienten ein Prostanoid wie Iloprost (Ventavis®) oder den Thrombozytenaggregationshemmer Treprostinil (Remodulin®) zu verabreichen. Diese Arzneimittel wurden ausschließlich zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie zugelassen. Digitalisglykoside und Diuretika unterstützen zusätzlich die Herzleistung. Auch eine Sauerstoff-Langzeittherapie kann die Behandlung ergänzen. Bringen die Arzneimittel nicht den gewünschten Erfolg, sind chirurgische Maßnahmen die letzte Möglichkeit wie eine Lungen- oder Herz-Lungen-Transplantation.
In Ergänzung zur Arzneitherapie gelten für die Betroffenen allgemeine Verhaltensregeln. So sollten sie sich körperlich nicht überanstrengen, moderaten Sport können sie aber unter fachärztlicher Aufsicht betreiben. Da eine Schwangerschaft das Mortalitätsrisiko auf 30 Prozent erhöht, ist für Frauen eine konsequente Kontrazeption wichtiger Bestandteil der Therapie. Ebenso wichtig ist der absolute Rauchverzicht. Um Atemwegsinfekten vorzubeugen, sollten sich die Patienten regelmäßig gegen Influenzaviren und Pneumokokken immunisieren lassen. /