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Entzündliche Ohrenschmerzen

Nicht nur ein Fall für den Kinderarzt

05.03.2018  15:45 Uhr

Von Katrin Schüler / Beim Begriff Mittelohrentzündung erinnern sich manche Erwachsene vage an die eigene Kindheit und an heftige Schmerzen. Damit liegen sie häufig richtig. Bis zum dritten Lebensjahr haben circa zwei Drittel der Kinder bereits eine Mittelohrentzündung durchgemacht. Doch auch Jugendliche und Erwachsene sind nicht davor gefeit.

Um die unübersichtlich wirkenden unterschiedlichen Ohrerkrankungen zu verstehen, ist es wichtig, die anatomischen Grundlagen des Hörapparates zu kennen. Prinzipiell wird das Gehörsystem in drei Abschnitte geteilt: Außen- (Auris externa), Mittel- (Auris media) und Innenohr (Auris interna).

Zum Außenohr gehört die Ohrmuschel sowie der äußere Gehörgang (Meatus acusticus externus), der erst knöchern und dann knorpelig bis zum Trommelfell verläuft. Das Mittelohr bilden das Trommelfell sowie die Kette der Gehörknöchelchen aus Hammer, Amboss und Steigbügel in der sogenannten Paukenhöhle. Die Fußplatte des Steigbügels endet an der Hörschnecke (Cochlea), in der die Reizwahrnehmung stattfindet. Die Hörschnecke bildet das Innenohr. Erkrankungen des Gehörsystems werden folglich anhand ihrer anatomischen Lokalisation unterteilt, zum Beispiel in Otitis externa, Otitis media, die klassische Mittelohrentzündung, oder Otitis interna (Labyrinthitis).

Charakteristisch für eine Otitis externa sind Juckreiz, Drucksymptomatik sowie Zugschmerz im Bereich der Ohrmuschel. Manchmal kommt mäßiger Ausfluss aus dem betroffenen Ohr hinzu. Typisches klinisches Zeichen ist der sogenannte Tragusdruckschmerz, ein dumpfer Schmerz beim Abtasten des dreieckigen Knorpelteils vor dem äußeren Gehörgang. Bei der Ohruntersuchung (Otoskopie) sieht der Arzt meist einen leicht belegten sowie geröteten Gehörgang.

Häufiges Eintauchen in kaltes Wasser scheint einen Knochenauswuchs im äußeren Gehörgang zu fördern, sodass dieses Phänomen auch »Surfer›s Ear« genannt wird. Die Veränderung bleibt meist asymptomatisch, kann aber auch Entzündungen im Bereich des Außenohres fördern.

Verursacher einer Otitis externa sind gramnegative Keime, wie Proteus- oder Pseudomonas-Bakterien, aber auch Strepto- und Staphylokokken sowie Pilze. Bei manchen Menschen entzündet sich das Außenohr infolge von Hauterkrankungen wie Schuppenflechte oder schweren Ekzemen.

Unbehandelt kann sich die Entzündung auf das Trommelfell und das umliegende Weichgewebe ausdehnen. Um dies zu verhindern, empfehlen Ärzte, das betroffene Ohr während der Erkrankung stets gründlich zu reinigen und zu desinfizieren. Sollte die Entzündung schwer verlaufen oder nicht heilen, können Antibiotika oder Antimykotika zum Einsatz kommen. Bedingt ein Ekzem die Entzündung, sind gegebenenfalls lokale Corticoide indiziert. Bei einer längeren Corticoidgabe steigt das Risiko einer Sekundärinfektion allerdings an.

Zu viel Schmalz

Ein weiteres häufiges Beschwerdebild ist das sogenannte Cerumen obturans, bei dem große Mengen Ohrenschmalz (Cerumen) den Gehörgang verschließen. Dieses Phänomen betrifft Menschen, die übermäßig viel Cerumen produzieren oder deren Ohrenschmalz nicht abfließen kann, beispielsweise aufgrund eines engen Gehörgangs. Patienten verwechseln die plötzliche Hörminderung und das dumpfe Gefühl im Ohrbereich oft mit einem Hörsturz.

Häufig treten die Symptome nach dem Duschen oder Schwimmen auf, da das Cerumen durch in das Ohr eingedrungenes Wasser aufquillt.

Der falsche Gebrauch von Wattestäbchen begünstigt ein Cerumen obtu­rans, denn bei unsachgemäßer Verwendung wird das Ohrschmalz vorwiegend in den Gehörgang gedrückt. Deshalb ist es immer wichtig, Kunden in der Apotheke darauf hinzuweisen, dass sich Wattestäbchen nur eignen, um die Ohrmuschel zu säubern, nicht aber für den Gehörgang.

Im Einzelfall entscheidet der Arzt, ob keratolytische Ohrentropfen ausreichen, er den Gehörgang mit warmem Wasser spült oder den Pfropfen mechanisch entfernt.

Bei der Abgabe von Ohrspülungen, zum Beispiel Otowaxol®, sollten PTA oder Apotheker darauf hinweisen, dass diese Lösungen durch die anatomische Nähe zum Gleichgewichtsorgan, das sich in der Hörschnecke befindet, kurzfristig zu Schwindel führen können. Aufgrund der anschließenden Sturzgefahr dürfen Ohrspülungen niemals im Stehen durchgeführt werden.

Klagt ein kleines Kind über Ohrenschmerzen, könnte auch ein im äußeren Gehörgang befindlicher Fremd­körper die Beschwerden verursachen. Daran sollten Eltern denken, denn Kleinkinder stecken sich beim Erforschen ihrer Welt kleine Gegenstände nicht nur in den Mund, sondern ab und zu auch in die Ohren. Bei älteren Menschen gelangen manchmal Teile des Hörgeräts zu tief in den Gehörgang.

In Einzelfällen sind Insekten, die sich in den Gehörgang zurückziehen, die Ursache für Juckreiz oder Störgeräusche im Ohr.

Mit der Otoskopie bringt der Arzt Licht ins Dunkel, sodass er eine adäquate Therapie einleiten kann. Insekten werden mit Lokalanästhetika wie Lidocain oder Desinfektionsmitteln paralysiert. Fremdkörper können durch ärztliches Personal fachgerecht entfernt werden.

Entzündung im Mittelohr

Mittelohrentzündungen bringen Eltern kleiner Kinder um viele Nächte Schlaf, denn die Erkrankung bereitet den jungen Patienten häufig starke Schmerzen. Charakteristisch für die Entzündung der Paukenhöhlenschleimhaut sind stechende Ohrenschmerzen sowie Klopfgeräusche, bei stärkerer Ausprägung zusätzlich Schwerhörigkeit. Hinzu kommen häufig Abgeschlagenheit, Kopfschmerz und Fieber. Mittelohrentzündungen heilen nach circa zwei Wochen meist von alleine aus, werden ­jedoch teilweise auch chronisch. Krankheitsursache ist eine Infektion des Mittelohres durch Streptokokken, Staphylo­ccous aureus, Grippe- oder Herpes-Viren. In das Mittelohr gelangen die Erreger meist während oder nach einem Infekt der oberen Atemwege, denn der Nasen-Rachenraum und das Ohr sind durch die Eustachische Röhre verbunden. Sie öffnet sich bei Überdruck und gleicht den Druck im Mittelohr aus. Patienten sollten deshalb vermeiden, den unangenehmen Druck während einer Erkältung manuell auszugleichen.

Als Tubenkatarrh bezeichnen Ärzte explizit seröse Entzündungen. Paukenergüsse begünstigen eine Mittelohrentzündung. Diese serösen, eitrigen oder blutigen Flüssigkeitsansammlungen entstehen durch chronische Infekte der Nase, Wucherungen und anatomisch bedingte Engstellen im Nasen-Rachen-­Raum oder hängen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zusammen. Kinder leiden meist unter beidseitigen Paukenergüssen, Erwachsene neigen zu einseitigen. Ist die Ursache abgeklärt, folgt meist ein Trommelfellschnitt und der HNO-Arzt legt im selben Eingriff ein Paukenröhrchen ein. Vorhandene Adenome werden operativ ­entfernt.

Bei der Diagnostik einer Mittelohrentzündung konzentrieren sich Ärzte auf die Otoskopie. Darüber hinaus setzen sie häufig auch die sogenannte Tympanometrie ein, in der sie über eine kleine Ohrsonde die Schallreflexion beziehungsweise die Schwingungsfähigkeit des Trommelfells unter verschiedenem externem Druck messen.

Gut abschwellen

Zur Therapie der Otitis media werden in den ersten Tagen primär abschwellende Nasen- und Ohrentropfen mit Xylometazolin oder Oxymetazolin eingesetzt, damit die Eustachische Röhre wieder ausreichend belüftet wird. Außerdem fördern Entzündungshemmer den Heilungsprozess. Die Gabe von Antibiotika wird kontrovers diskutiert. Aufgrund der drohenden Komplikationen greifen Ärzte aber in schwereren Fällen auf diese Arzneimittel zurück, zum Beispiel auf Amoxicillin, Makrolide oder Cephalosporine.

Da das Ohr ähnlich wie die Nase von luftdurchzogenem Knochen umgeben ist, breiten sich unbehandelte Infektionen aus. Ein typischer Ort für diese Komplikation ist der Warzenfortsatz (Processus mastoideus), tastbar hinter dem Ohr. Schmerzt dieser bei Druck und ist das Ohr hochrot, spricht dies für eine Mastoiditis. Breitet sich die Entzündung im Mittelohr noch weiter aus, können sich im Umfeld Abszesse bilden, beispielsweise im Innenohr, in der Nackenmuskulatur oder selten sogar in Bereichen des zentralen Nervensystems. Um derart lebensbedrohliche Verlaufsformen zu verhindern, ist bei einer ausgeprägten Mittelohrentzündung der regelmäßige Arztbesuch unerlässlich.

Bei einem chronischen Verlauf greift die anhaltende Entzündung das Trommelfell und später auch die Gehörknöchelchen an. Eine mögliche Endform einer chronischen Otitis media ist das sogenannte Cholesteatom. Hierbei verursacht eingewandertes Epithelgewebe einen Wachstums- sowie Entzündungsreiz. In wie weit bakterielle oder virale Erreger an der Entstehung des Cholesteatoms beteiligt sind, wird noch diskutiert. Der entzündliche Prozess zerstört das Mittelohr inklusive der umgebenden Knochen, in manchen Fällen werden auch das Innenohr und weitere knöcherne Strukturen des Schädels in Mitleidenschaft gezogen. Paukenerguss, Belüftungsstörung und Trommelfelldestruktion können ebenfalls Folgen sein.

Am Cholesteatom Erkrankte klagen über einen faulig-riechenden Ohrausfluss, ein Druckgefühl im Ohrbereich sowie über Hörminderung. Ist das Innenohr betroffen, kommt oft Schwindel hinzu. Das Gefährliche an dieser Erkrankung ist, dass sie meist schmerzlos verläuft und/oder Ärzte sie mit einer Gehörgangs- oder Mittelohrentzündung verwechseln. Unerkannt kann sie tödlich verlaufen, weil die Zerstörung knöcherner Strukturen im Schädelbereich immer weitergeht. Bildgebende Verfahren können manchmal Hinweise geben, aber nicht immer Aufschluss darüber, ob es sich tatsächlich um ein Cholesteatom handelt. Geübte HNO-Ärzte erkennen im Trommelfell eine winzige Einziehung, ein Löchlein.

Im fortgeschrittenen Entzündungsstadium wird das Cholesteatom operativ entfernt und fehlende beziehungsweise zerstörte Strukturen werden so gut wie möglich durch eine plastische Nachbildung ersetzt. Zur OP-Vorbereitung bekommen die Patienten häufig Ohrtropfen mit dem Wirkstoff Ciprofloxacin oder gegebenenfalls systemische Gyrasehemmer. Ein Tipp an den Apothekenkunden: Das Tragen der Ohrentropfflasche in der Hosentasche kurze Zeit vor der Applikation wärmt die Tropfen an, so dass Schwindel, wie er bei zu kalten Tropfen auftreten kann, ausbleibt.

Labyrinthitis und Otosklerose

Bei einer Otitis interna, auch Labyrinthitis genannt, entzündet sich das Labyrinthsystem der Hörschnecke. Sie entsteht meist aus einer Mittelohrentzündung. Im Unterschied zu chronischen Mittelohrentzündungen ist das Labyrinthsystem bei akuter Otitis media eher diffus befallen. Alternativ können Krankheiten wie Mumps, Masern, Zoster oticus, Borreliose oder Syphilis eine Labyrinthitis hervorrufen. Auch eine Hirnhautentzündung, ausgelöst durch Meningo- oder Pneumokokken, birgt die Gefahr, aufgrund der räumlichen Nähe auf das Innenohr überzugreifen. In seltenen Fällen können ­Autoimmunerkrankungen wie Morbus Wegener ebenfalls zur Labyrinthitis führen.

Neben Hörminderung, Drehschwindel, unkontrollierten Augenbewegungen (Nystagmen) treten als häufige Symptome auch Übelkeit und Erbrechen auf. Auch bei der Labyrinthitis besteht die große Gefahr, dass sie eitrig verläuft und zu stärkeren Beschwerden inklusive Taubheit sowie Knochen- oder Hirnhautentzündungen führt.

Diagnostisch versucht der Arzt, mittels Hör- und Gleichgewichtstests sowie Blutuntersuchungen der Krankheit auf die Spur zu kommen. Um bei einer eitrigen Labyrinthitis den Zustand der Knochen beurteilen zu können, wird entweder die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt.

Je nach Ursache der Erkrankung verordnen Ärzte Virostatika, Antibiotika oder Immunsuppressiva, des Weiteren Rheologika (zum Beispiel Pentoxifyllin) oder Corticoide. Abhängig vom Zustand der Knochen entfernen sie den Warzenfortsatz, in schweren Fällen auch die Hörschnecke.

Öfter bei Frauen

Doch nicht nur akute Entzündungen beeinträchtigen das Innenohr. Die Otosklerose ist eine Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel. Sie wirkt sich darüber hinaus ebenfalls auf das Mittelohr aus. Diese Erkrankung tritt wesentlich häufiger bei Frauen auf – meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr –, vor allem in der Schwangerschaft oder bei familiärer Veranlagung. Die Krankheit verläuft schmerzlos, bei vielen Betroffenen sogar symptomlos, schreitet voran und führt letztendlich zu Hörverlust. Oft sind beide Ohren betroffen. Charakteristisch sind ein Tiefton-Ohrensausen sowie ein verbessertes Hörvermögen in lauter Umgebung.

Zur Diagnostik der Erkrankung testet der Arzt das Hörvermögen und den Stapediusreflex. Der Stapedius ist ein kleiner Muskel im Innenohr, der Störgeräusche oder laute Nebengeräusche ausblendet. Bei Otosklerose kann er nicht mehr ausreichend arbeiten.

Eine Folge des Knochenumbauprozesses ist, dass die Fußplatte des Steigbügels knöchern an das Labyrinth ­fixiert wird. Bei noch funktionstüchtigem Innenohr hilft oftmals die sogenannte Stapedotomie. Dabei verbindet der Operateur den Steigbügel über einen Titan-, Platin- oder Teflonstab neu mit der Hörschnecke. Die Operation ist nebenwirkungsärmer als der komplette Ersatz des Steigbügels und verbessert in den meisten Fällen die Schwerhörig­keit, kann aber einen ­Innenohrschaden nicht beheben. Konservative Methoden beschränken sich auf die Versorgung des Patienten mit einem Hörgerät. Medikamentöse Ansätze werden mangels Evidenz nicht mehr empfohlen.

Aufgrund der Vielzahl der möglichen Ursachen von Ohrentzündungen, Ohrenschmerzen oder Hörminderungen müssen PTA oder Apotheker bei unklaren oder gefährlichen Verläufen zum Arztbesuch raten. So helfen sie, mögliche schwerwiegende Komplikationen zu verhindern. /