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Selbstmedikation

Beim Sport verletzt

23.06.2009  10:23 Uhr

Selbstmedikation

Beim Sport verletzt

von Nina Griese

Umfragen zufolge treiben 40 Millionen Deutsche mehr oder weniger regelmäßig Sport. Dabei verletzen sich jährlich bis zu 1,5 Millionen. Verletzungen beim Fußball führen die Statistik an, gefolgt von Hand- und Volleyball. Vereine und Hobbyathleten tun gut daran, eine mobile Sportapotheke zusammenzustellen und griffbereit zu halten.

Wenn sich Hobbysportler verletzen, Muskel oder Bänder zerren, haben sie sich meist ungenügend aufgewärmt oder sind übermüdet und überschätzen das eigene Leistungsvermögen. Die wichtigste Maßnahme, Sportverletzungen zu vermeiden, ist das Aufwärmen vor dem Training über einen Zeitraum von mindestens 10, besser 30 Minuten. Dabei sollte der Sportler die Intensität der Belastung nur langsam steigern. Sind die Muskeln nicht richtig erwärmt oder die Bänder nicht ausreichend gedehnt, steigt das Risiko einer Verletzung, beispielsweise für Zerrungen, Verrenkungen und Kapsel-Band-Läsionen des Bewegungsapparates. 

Bei leichten Verletzungen müssen PTA oder Apotheker zunächst abklären, ob die Selbstmedikation möglich ist. Der Kasten fasst dazu Fragen zusammen.

Fragen, die vor einer Selbstbehandlung geklärt werden sollten

  • Wie lange bestehen die Beschwerden?
  • Wie ist es zu der Verletzung gekommen?
  • Beschreiben Sie die Art der Schmerzen (Ruhe-, Druck-, Dehnungs-, Bewegungsschmerz)?
  • Ist der Schmerz mit der Zeit stärker geworden?
  • Was haben Sie direkt am Unfallort unternommen?
  • Haben Sie die Verletzung einem Arzt gezeigt?
  • Haben Sie bereits Arzneimittel ausprobiert? Wenn ja, mit welchem Erfolg?

nach Braun/Schulz, Selbstbehandlung, Govi 2003

Ein Arzneimittel zur Selbstbehandlung sollten sie nur dann empfehlen, wenn der Unfallverlauf und die Symptomatik auf leichte Prellungen, Muskelzerrungen, Verstauchungen oder einen Bluterguss hindeuten. Der Arzt muss dagegen sofort aufgesucht werden bei Verdacht auf eine Fraktur, einen Muskel- oder Bänderriss und bei stark angeschwollenen Gelenken.

Eine Zerrung entsteht, wenn Gewebe über seine funktionelle Dehnfähigkeit hinaus belastet wird. Ist die Muskulatur betroffen, spricht man von einer Muskelzerrung. Muskelzerrungen gehören zu den häufigsten Sportverletzungen, unterschieden werden die drei Schweregrade Zerrung, Faserriss und Muskelriss. Bei der Zerrung bleibt die anatomische Struktur des Muskels intakt. Der Betroffene empfindet einen Druck-, Dehnungs- oder Anspannungsschmerz, meist nur ein leichtes Ziehen. Tritt plötzlich ein stechender, klar lokalisierter Schmerz auf und kann der Betroffene Bein oder Fuß nicht mehr belasten, ist wahrscheinlich eine Muskelfaser gerissen. In diesem Fall muss er möglichst schnell einen Arzt aufsuchen.

Bei einer Verstauchung werden die Gelenke und damit Bänder und Sehnen durch Überdrehen, Überstrecken oder Umknicken gegeneinander verschoben. Häufig sind Verstauchungen des Sprunggelenks, nachdem der Fuß umgeknickt ist. Anschließend schmerzt das Gelenk, schwillt an, und meist entsteht ein Bluterguss. Gegen leichte Verstauchungen helfen Sofortmaßnahmen. Im Zweifelsfall sollte jedoch ein Arzt abklären, ob die Bänder intakt geblieben sind.

Prellungen oder Quetschungen entstehen durch äußere Gewalteinwirkung, zum Beispiel durch einen Schlag, Tritt oder Sturz. Während der Gewebequetschung reißen kleine Blutgefäße auf, sodass sich häufig ein sichtbarer Bluterguss bildet. Je größer das Hämatom ist, umso stärker fallen die Schmerzen aus, und die Bewegung ist eingeschränkt. Beides klingt in Ruhe relativ schnell ab. Wenn die Beschwerden aber auch nach einigen Stunden nicht nachlassen, der Schmerz trotz Druckverband zunimmt, die Haut blass und der Puls schwächer wird, wird der Arztbesuch erforderlich. Diese Zeichen deuten auf eine Verletzung der Venen oder Arterien hin. Auch Muskelverhärtungen oder Sehnenentzündungen muss immer ein Arzt behandeln, weil ansonsten die Gefahr der Chronifizierung besteht. 

Beispiel aus der Praxis

Ein 35-jähriger Mann klagt in der Apotheke über Schmerzen im Unterschenkel. Er berichtet, dass ihm beim letzten Fußballtraining ein Mitspieler beim Kampf um den Ball in die Beine gegrätscht ist. Nun fragt er nach einer Salbe gegen den Bluterguss und die Schwellung.

Um zu klären, ob eine Selbstmedikation möglich ist, erkundigt sich die PTA, wie lange die Verletzung zurückliegt. Sie erfährt, dass beim letzten Training des Patienten vor zwei Tagen ein Tritt seinen Unterschenkel traf. Danach hat sich die Schwellung gebildet. Der Mann berichtet, er hätte erst noch weitergespielt und nach dem Training die Stelle gekühlt. Das habe auch geholfen. Doch jetzt sei zu der Schwellung noch der Bluterguss hinzugekommen. Er kann zwar ohne Einschränkungen laufen, die Stelle würde aber doch ziemlich schmerzen. Die Hautoberfläche sei nicht verletzt. Diese Informationen deuten auf eine leichte Prellung hin. Daher entscheidet die PTA, dass eine Selbstbehandlung möglich ist.

Zur Selbstmedikation können Gele, Salben, flüssige Einreibungen sowie perorale Arzneimittel eingesetzt werden. Alle für die Behandlung von akuten stumpfen Traumen in Frage kommenden Topika dürfen nicht auf geschädigte Haut oder offene Wunden gelangen. Für eine stumpfe Verletzung eignen sich kühlende Gele oder Lotionen. Bei Schmerzen durch akute Zerrungen, Verstauchungen oder Prellungen der Extremitäten (auch gegen »Tennisarm« oder »Golferellenbogen«) helfen Diclofenac-Plaster. Sie werden zweimal täglich, jeweils morgens und abends, auf die schmerzende Stelle geklebt. Als weitere Wirkstoffe in topischen Arzneiformen kommen nicht steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen, Salicylate oder Ketoprofen in Frage, die Entzündungen hemmen und Schmerzen lindern. Auch Arnika- und Beinwellextrakte sowie Dimethylsulfoxid helfen aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung. In der Regel werden diese Präparate dreimal täglich aufgetragen und leicht einmassiert. Alkoholhaltige Gele sollten vor Anlegen eines Verbandes einige Minuten auf der Haut trocknen.

Cremes und Gele mit Heparin oder Hirudin beschleunigen die Resorption von Hämatomen und die Rückbildung von Ödemen. Daher eignen sie sich zur unterstützenden Behandlung akuter Schwellungen. Cremes und Gele mit 30.000 bis 60.000 I.E./100 g Heparin oder 280 bis 1120 I.E. Hirudin/100 g werden zwei- bis dreimal täglich aufgetragen.

Um sicher zu gehen, dass akute Gewebsreaktionen abgeklungen sind, sollten Salben und Cremes mit hyperämisierenden Inhaltsstoffen nicht vor dem dritten Tag nach einer Sportverletzung zur Anwendung kommen. Die topischen Zubereitungen enthalten vor allem Nonivamid, Nicoboxil und Nicotinsäurederivate, aber auch ätherische Öle wie Fichtennadelöl. Da diese Substanzen die Durchblutung verstärken, erwärmt sich das behandelte Hautareal.

Sollte die lokale Therapie die Schmerzen nicht ausreichend stillen, kann der Betroffene zusätzlich orale Analgetika einnehmen. Im Rahmen der Selbstmedikation kommen hier unter anderem die Wirkstoffe Ibuprofen, Diclofenac oder Paracetamol in Frage. 

Aufgrund der geschilderten Symptomatik empfiehlt die PTA dem Patienten ein DMSO- und Heparin-haltiges Gel, mit dem er die Stelle dreimal täglich dünn einreiben, nicht einmassieren soll. Das Gel wirke zusätzlich noch kühlend. Außerdem empfiehlt sie ihm, eine Woche lang auf das Fußballtraining zu verzichten. Sollten sich die Beschwerden nach drei Tagen nicht deutlich bessern, müsse er den Arzt aufsuchen. Damit er beim nächsten Trainingsunfall besser reagieren kann, informiert die PTA den Patienten über die PECH-Regel und empfiehlt ihm, sich eine mobile Sportapotheke (Tabelle) anzuschaffen.

Empfehlungen für eine mobile Sportapotheke

  • Kältepackung
  • 2 bis 3 elastische Binden (Idealbinden 8 bis 10 cm)
  • kühlendes Sportgel oder Diclofenac-Pflaster
  • alkoholfreies Desinfektionsmittel (Antiseptikum)
  • orales Antiphlogistikum (wie Diclofenac oder Ibuprofen)
  • Pflaster/Wundschnellverband (Strips/endlos)
  • Verbandspflaster 
  • (salbenbeschichtete) Gitterkompressen 
  • Mullkompressen 10 x 10 cm
  • Schutzhandschuhe

PECH zur Soforthilfe

Über den Verlauf einer jeden Verletzung entscheiden die ersten Minuten. Daher ist schnelles Handeln gefragt. Oberstes Ziel der Akutbehandlung ist, die körpereigenen Heilungsmechanismen zu unterstützen, Schmerzen zu stillen und Schwellungen oder Blutergüsse durch Anregung des Lymphabflusses weitestgehend zu verhindern. Die wichtigsten Erstmaßnahmen fasst das PECH-Schema zusammen:

  • P = Pause 
  • E = Eis
  • C = Compression
  • H = Hochlagerung

Unabhängig von der Sportart gilt für jede Verletzung: sofort ruhig stellen. Kälte lindert in erster Linie die Schmerzen, verbietet sich allerdings bei offenen Wunden. Durch die Kälte verengen sich die Blutgefäße, der Stoffwechsel wird langsamer und damit tritt weniger Flüssigkeit ins Gewebe aus. Das wiederum reduziert das Ausmaß der Einblutung, die Schwellung und den Schaden am Gewebe. Statt mit Eisspray oder Eis sollte die betroffene Region besser mit kaltem Leitungswasser, gelhaltigen Kühlpackungen, wärmeentziehenden Wickeln oder »Hot-Ice«-Wickeln moderat gekühlt werden. Für die »Hot-Ice«-Wickel wird kaltes Leitungswasser mit Eiswürfeln versetzt. Sind die Eiswürfel gerade geschmolzen, werden elastische Binden mit dem Eiswasser getränkt und anschleißend um die Verletzung gewickelt. Noch ein wichtiger Hinweis: Bei Verwendung von Kühlpackungen die Stelle immer zuerst mit einem Tuch abdecken oder mit ein paar Lagen einer Kompressionsbinde umwickeln. Erst dann die Kühlpackung auflegen und mit einer Kompressions- oder Elastikbinde fixieren. 

Während der Kühlung muss intervallförmig nach jeweils 20 bis 30 Minuten eine Pause von 3 bis 4 Minuten folgen. In dieser Zeit wird die Muskulatur wieder gut durchblutet, denn zu starke Kühlung beeinträchtigt den Heilungsprozess. Die Dauer des Kühlens sollte man vom subjektiven Wohlbefinden abhängig machen. 

Ein Kompressionsverband, am besten mit einer breiten elastischen Binde, soll verhindern, dass die Verletzung übermäßig anschwillt. Der Druck darf allerdings nicht zu stark sein, damit eine ausreichende Durchblutung gewährt bleibt. Da trotz Kühlung die Schwellung in den ersten Stunden zunehmen kann, muss der Sitz und Druck des Kompressionsverbandes regelmäßig überprüft werden. 

Hochlagern über Herzebene bewirkt, dass weniger Blut in das verletzte Areal gepumpt und der venöse Abfluss begünstigt wird. Je nach Schweregrad der Verletzung empfiehlt es sich, das betroffene Bein 12 Stunden, bei größerem Bluterguss mindestens 24 Stunden, einen verletzten Fuß 48 Stunden komplett hoch zu lagern.

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N.Griese(at)abda.aponet.de