Rückenwind für Zielpreise |
23.06.2009 22:19 Uhr |
Rückenwind für Zielpreise
von Daniel Rücker
Eine preiswerte Arzneimitteltherapie muss in derApotheke nicht zwangsläufig zu Mehrarbeit führen. Die von den Apothekern entwickelten Zielpreise belegen dies. Jetzt wird das Konzept erstmalsumgesetzt.
Vor einigen Tagen sind die Rabattverträge der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) gestartet. Mit ihrer Hilfe ist es den Krankenkassen gelungen, den Generikamarkt aufzubrechen. Die drei großen Hersteller Stada, Ratiopharm und Hexal/Sandoz haben in den vergangenen Jahren deutlich Marktanteile verloren. Doch dies ist bislang wohl der einzige verbürgte Erfolg der Rabattverträge. Ansonsten ist die Bilanz eher trübe: Die Höhe der Einsparungen ist unbekannt, die AOK-Versicherten ärgerten sich über häufige Wechsel der Medikamente, und in den Apotheken fiel deutlich mehr Arbeit an, weil PTA oder Apotheker den Patienten die Umstellung erklären oder beim Großhandel nach Restposten der Rabattarzneimittel suchen mussten.
Wegen dieser offensichtlichen Mängel hatte der Deutsche Apothekerverband (DAV) ab 2007 das Konzept der Zielpreisvereinbarungen entwickelt. Dabei legen Krankenkassen und Apotheker für jeden Wirkstoff einen einheitlichen Preis fest. Dieser wird so errechnet, dass er unter dem bisherigen Durchschnittspreis der verordneten Packungen mit diesem Wirkstoff liegt.
In der Konsequenz erhalten die Patienten dann in der Apotheke ein Präparat, das billiger ist als der Zielpreis oder etwa auf Zielpreisniveau liegt. PTA oder Apotheker können aber grundsätzlich auch ein teureres Präparat abgeben, wenn dies sinnvoll ist, etwa weil sie beim Patienten mit Compliance-Problemen rechnen, wenn er umgestellt würde. Unabhängig vom tatsächlichen Medikamentenpreis bezahlt die Kasse immer den vereinbarten Zielpreis. Aus Sicht der Apotheker ist dieses Konzept den Rabattverträgen deutlich überlegen.
Die Krankenkassen teilten diese Einschätzung bislang leider nicht. Zwar waren bei den Rabattverträgen juristische Probleme an der Tagesordnung, doch die Kassen wollten dieses Instrument offensichtlich etablieren. Trotz Verhandlungen über Zielpreisvereinbarungen zwischen Apothekern und Kostenträgern waren diese Bemühungen allerdings lange Zeit nicht sonderlich erfolgreich.
Das hat sich nun geändert. Ausgerechnet die Gmünder Ersatzkasse (GEK), die über viele Jahre ein eher angespanntes Verhältnis zur Apothekerschaft hatte, vollzog als erste den Kurswechsel. In langen und noch nicht endgültig abgeschlossenen Verhandlungen mit dem DAV einigte man sich darauf, das Zielpreismodell zu testen.
Auch wenn anscheinend noch nicht alle Details geklärt sind, ist die Übereinstimmung so groß, dass der GEK-Vorstandsvorsitzende Dr. Rolf-Ulrich Schlenker das Konzept gleichzeitig mit dem GEK-Arzneimittel-Report in Berlin der Öffentlichkeit vorstellte. Man wolle in der Arzneimittelversorgung die Kompetenz der Apotheken stärker nutzen, kündigte er an. Ärzte stellen die Diagnose, wählen den Wirkstoff aus und legen die Dosierung fest, konstatierte Schlenker. Die Arzneimittelauswahl erfolge dann jedoch in der Apotheke. Diese Aufgabenteilung, die die Ärzte vor wenigen Jahren noch mit allen Mitteln bekämpft hätten, entspricht heute auch den Vorstellungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die GEK habe sich das Zielpreismodell angesehen und für gut befunden, so Schlenker weiter. »Ein solches Engagement der Apotheker macht die Arzneimittelversorgung transparenter, einfacher und kostengünstiger.«
Die Apotheker sind über diese Entwicklung natürlich hocherfreut. Bietet sich jetzt doch erstmals die Chance, die Zielpreisvereinbarungen bundesweit zu erproben und so die Überlegenheit des Konzeptes gegenüber Rabattverträgen darzustellen. Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker begrüßte deshalb auch die Entscheidung der GEK. Eine intensive Kooperation zwischen Apothekern, Ärzten und der GEK sei im Interesse der Patienten. »Der Grundgedanke muss lauten: Nicht am, sondern mit dem Arzneimittel sparen«, kommentierte Becker.
Sollten sich die Zielpreisvereinbarungen so bewähren, wie es der DAV erwartet, dann bestünde die Chance, dass mehr Kassen auf das Konzept umschwenken und die Vorliebe für Rabattverträge bröckelt. Die Vorteile für die Kassen lägen auf der Hand: Die Versicherten sind zufrieden, weil sie immer die gleichen Medikamente bekommen; aufwändige Ausschreibungen wie bei den Rabattverträgen entfallen; auch ließen sich so Rechtsstreite vermeiden, die bislang regelmäßig auf der Tagesordnung standen und oft den Starttermin verzögerten. Zudem bieten die Zielpreisvereinbarungen den Krankenkassen definierte Einsparungen, da die Arzneimittelpreise, die mit den Kassen ausgehandelt werden, unter dem Durchschnittspreis liegen. Dagegen ist die Höhe der durch Rabattverträge erzielten Einsparungen weiterhin unklar. Eins ist allerdings sicher: Die erwarteten Summen wurden in der Regel deutlich unterschritten.
E-Mail-Adresse des Verfassers:
ruecker(at)govi.de