Der Feuerversteher |
19.04.2013 17:08 Uhr |
Von Ralf Daute / Der französische Chemiker de Lavoisier erkannte als erster, dass die Verbrennung eine Reaktion mit Sauerstoff ist. Der berühmte Wissenschaftler fand jedoch einen grausamen Tod. Im Mai vor 219 Jahren endete er auf dem Schafott.
Aus heutiger Sicht erscheint es schwer vorstellbar, aber vor gut 200 Jahren wusste die Wissenschaft nicht, was bei einer Verbrennung eigentlich passiert. Damals waren die Wissenschaftler davon überzeugt, dass alle brennbaren Körper einen Stoff enthielten, der von den Flammen freigesetzt wird – das sogenannte Phlogiston.
Heute Allgemeinwissen: Dass eine Verbrennung eine Oxidationsreaktion mit Sauerstoff ist, deutete Lavoisier als erster.
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Nie hatte jemand diese ominösen Phlogiston-Teilchen gesehen oder gemessen. Doch immerhin ließ sich mit der Annahme dieses Stoffs erklären, warum verbrannte organische Substanzen leichter sind – das ganze Phlogiston ist weg. Auch der Effekt, dass eine Kerze unter einem Glas erlischt, konnte aus Sicht der damaligen Wissenschaft zufriedenstellend gedeutet werden: Die Luft war mit Phlogiston gesättigt.
Jedoch mussten sich die Forscher des 18. Jahrhunderts auch mit einigen Phänomenen herumschlagen, die so gar nicht zu dieser Theorie passten. Am ärgerlichsten für die Phlogiston-Freunde war die Tatsache, dass verbranntes Metall schwerer war als zuvor. Wie sollte das gehen, wenn doch bei jeder Verbrennung ein Stoff entweicht und somit weniger Masse vorhanden sein müsste?
Heute kann jeder halbwegs aufmerksame Chemie-Schüler diese Frage sofort beantworten: Bei der Verbrennung handelt es sich um eine chemische Reaktion mit Sauerstoff. Aus Metallen entstehen dabei feste Verbindungen (Metalloxide), die schwerer als das Ausgangsmaterial sind.
Pionier der Chemie
Der erste, der mit den Augen der modernen Welt auf den Prozess der Verbrennung blickte, war der französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier, der am 26. August 1743 in Paris geboren wurde und dort am 8. Mai 1794 im Alter von 50 Jahren starb.
Ein früher, gewaltsamer Tod: In den Nachwirren der französischen Revolution wurde er wegen seiner Funktion als Steuereintreiber für die Krone angeklagt und zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Im Prozess durfte er nur mit Ja oder Nein antworten, eine Verteidigung war ihm verboten. In seinem letzten Brief am Abend des 7. Mai 1794 an seine Frau schrieb er: »Mein Leben war leidlich lang und sehr glücklich. Ich hoffe, dass mein Andenken bedauert und vielleicht mit Ruhm umkränzt wird. Was hätte ich mir mehr wünschen können? ... Ich werde gleichmütig sterben.«
Sein Freund, der italienische Mathematiker und Astronom Joseph-Louis Lagrange (1736 bis 1813), klagte nach der Hinrichtung: »Es dauert nur Sekunden, um einen Kopf abzuhacken, aber hunderte Jahre dürften keinen ähnlichen hervorbringen können wie diesen Lavoisier.«
Jura und Chemie
In der Tat hatte Lavoisier so einiges bewegt. Als Sohn eines Rechtsanwalts und Arztes interessierte er sich schon in jungen Jahren für die Naturwissenschaften. Sein Vater legte ihm allerdings nahe, zunächst in seine Fußstapfen zu treten und Jura zu studieren. Diese Ausbildung schloss Lavoisier im Jahr 1764 mit einer Promotion ab. Doch schon während des Studiums beschäftigte er sich intensiv mit der Chemie.
Im Jahr 1765, im Alter von 22 Jahren, veröffentlichte Lavoisier seine erste gedruckte wissenschaftliche Arbeit, eine Abhandlung über den Gips. Ein Jahr später erhielt er eine Auszeichnung, weil er geholfen hatte, die Stadtbeleuchtung in Paris zu verbessern. Im Jahr 1767 reiste er durch Frankreich, um einen geologischen Atlas des Landes zu erstellen.
Danach verdingte sich Lavoisier beruflich in der erlesenen Gilde der sogenannten Hauptzollpächter. Diese mussten an den König eine Pacht entrichten und erhielten dafür im Gegenzug Überschüsse aus Zolleinnahmen. Die Einnahmen aus dieser Funktion ermöglichten es ihm, seine Forschungen zu finanzieren.
Eigenes Laboratorium
Gerade frisch verheiratet bezog Lavoisier im Jahr 1771 mit seiner Frau ein großes Haus, in dem er ein Laboratorium einrichten konnte. Über seine Versuche führte er penibel Buch. Die von ihm ersonnene Dreiteilung in Versuchsbeschreibung, Versuchsergebnis und Schlussfolgerungen hat sich übrigens bis heute erhalten.
Lavoisiers Leidenschaft galt den Naturwissenschaften. Er gilt als Mitbegründer der modernen Chemie.
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Von 1772 an beschäftigte sich Lavoisier mit der Verbrennung, wobei ihm sein Faible für feinste Messapparaturen zu Hilfe kam, unter anderem beim Wiegen von Gasen. Im Oktober schrieb er an die Académie française, beim Verbrennen von rotem Phosphor entstehe eine Säure, die ein größeres Gewicht als der Phosphor habe – auch dies ein Widerspruch zur herrschenden Phlogiston-Theorie.
Einen Monat später berichtete der englische Wissenschaftler John Priestley, bei der Verbrennung von Schwefel vermindere sich in einem geschlossenen Raum die Luft. Lavoisier schloss daraus, dass bei der Verbrennung ein Teil der Luft verbraucht wird. Zwar beschrieb sein Kollege Priestley im Jahr 1774 das Gas Sauerstoff als erster, erkannte es jedoch nicht als eigenes Element, sondern bezeichnete es als »dephlogisticated air«. Lavoisier lud Priestley daraufhin nach Paris ein. Dieses wissenschaftliche Gipfeltreffen inspirierte den Franzosen weiter. Mit seinen präzisen Messinstrumenten wies er nach, dass die Restluft nach einer Verbrennung leichter ist als die Ausgangsluft. Seine Folgerung: Die Luft ist kein unteilbares Element, sondern setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen. Durch weitere Experimente fand Lavoisier heraus, dass der Bestandteil der Luft, der bei der Verbrennung eine Rolle spielt, auch Bestandteil des Wassers ist. Er nannte ihn Oxygenium und entwickelte die Theorie der Oxidation.
Inschrift im Eiffelturm
Damit gebührt Lavoisier der Verdienst, als erster Mensch den der Verbrennung zugrunde liegenden Prozess – die chemische Reaktion mit Sauerstoff – erkannt zu haben. Dies führte ihn auch zur Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse, eines der grundlegenden Prinzipien in der Chemie.
Trotz seines frühen Todes unter unwürdigen Umständen geriet das Lebenswerk von Lavoisier nicht in Vergessenheit. Bereits kurz nach dem Ende der Schreckensherrschaft von Robes-pierre im Juli 1794 wurde Lavoisier rehabilitiert. Am 10. August 1796 fand eine Feier »Zum Gedenken an den unsterblichen Lavoisier« statt. Er ist einer der 72 Wissenschaftler, deren Namen Gustave Eiffel in goldenen Lettern auf der ersten Etage des Eiffelturms hat anbringen lassen. Der französische Arzt und Chemiker Adolphe Wurtz (1817 bis 1884) schrieb in seinem Werk »Geschichte der chemischen Theorie«: »Die Chemie ist eine französische Wissenschaft. Sie ist durch den unsterblichen Lavoisier begründet worden.« /
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