Homöopathie |
22.04.2014 16:02 Uhr |
Von Annette van Gessel / Die Lehre Samuel Hahnemanns, des Begründers der Homöopathie, ist bis heute topaktuell. Darum fragen Kunden auf der Suche nach alternativen Heilmethoden in der Apotheke auch nach homöopathischen Arzneimitteln. Diese Mittel beurteilen PTA unterschiedlich. Im PTA-Forum begründen sie ihre Einstellung.
Auf den Körper achten
Ich selbst habe die Homöopathie schätzen gelernt. Zu sehen, wie erfolgreich homöopathische Mittel Erkrankungen lindern oder heilen können, ist eine tolle Erfahrung. Der Körper bekommt durch das homöopathische Mittel einen Reiz, sich selbst zu helfen. Im Gegensatz zu den chemischen Arzneimitteln ist das nicht nur eine Symptombehandlung, sondern oftmals auch eine Behandlung der Ursachen. Um das richtige Mittel herauszufinden, ist es vorab notwendig, sich mit sich und seinem Körper auseinanderzusetzen. Aus meiner Erfahrung bewirkt dies, dass man mit der Zeit mehr auf sich achtet. Außerdem muss ich bei Homöopathika keine Wechselwirkungen mit Dauermedikamenten berücksichtigen. Auch die Kombination mit Phytopharmaka und Naturheilverfahren, beispielsweise Wickeln, ist möglich. Vielfach wird dadurch ein Synergieeffekt erzielt.
Illustrationen: Dorothee Mahnkopf
Manche Homöopathika eignen sich für die Akutbehandlung genauso wie für eine kurmäßige Langzeittherapie, für Säuglinge und kleine Kinder ebenso wie für Schwangere. Die Aufnahme über die Mund- und Rachenschleimhaut sorgt für einen schnellen Wirkungseintritt bei der Akutbehandlung. Gemäß der Lehre Hahnemanns empfehle ich niedrige Potenzen für die Selbstmedikation, hohe Potenzen für die konstitutionelle Behandlung muss ein Arzt oder Heilpraktiker verordnen. Dass Krankenkassen inzwischen die Homöopathie bezuschussen, ist ein Zeichen für die zunehmende Anerkennung dieser Therapieform.
Dorit Vogt
Gute Ergänzung
Homöopathie steht für sanfte Arznei, die sich für jede Altersgruppe eignet. Es ist eine individuelle Therapie, die die Selbstregulation des Körpers unterstützt. Sie eignet sich gut als Ergänzung zur Allopathie. Außerdem sind homöopathische Arzneimittel preisgünstig und die Darreichungsformen sind einfach. Auch wenn das Fehlen einer nachgewiesenen Wirkung gegen die Homöopathie spricht, empfehle ich sie bei leichten Erkrankungen ebenso wie als Add-on zur schulmedizinischen Behandlung. Allerdings beachte ich dabei immer die Grenzen der Homöopathie.
Svenja Duszynski
Zeit nehmen und zuhören
Früher sah ich die Homöopathie eher skeptisch und habe die Wirkung angezweifelt. Im Laufe meiner Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke habe ich die sanfte Therapieform schätzen gelernt. Besonders bei Kindern setze ich gerne homöopathische Mittel ein, weil sie schnell und gut wirken, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Durch das genaue Erfragen der Symptome, nehme ich mir auch mehr Zeit und bin gezwungen, gut zuzuhören. Das kommt ja leider oft zu kurz. Die Schüssler-Salze empfehle ich gerne zur kurmäßigen Anwendung.
Ingrid Heberle
Foto: Superbild
Nicht nachvollziehbar
Ich arbeite als PTA in einer öffentlichen Apotheke und mag meinen Beruf sehr. Täglich berate ich im Handverkauf Kunden und Patienten zu vielen verschiedenen Krankheitsbildern. In der Selbstmedikation befrage ich die Betroffenen ausführlich und empfehle dann Medikamente. Dabei kommt die Homöopathie immer zu kurz. Das liegt daran, dass ich einfach nicht an diesen Hokuspokus glaube. Auch viele Selbstversuche konnten mich nicht überzeugen. Ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, dass ein Mittel helfen kann, das 50 000-mal verdünnt ist. Diese Frage hat mir noch niemand schlüssig beantworten können. Außerdem kenne ich keine evidenzbasierte Studie, nie die zuverlässige Wirkung der homöopathischen Mittel nachweist.
Unlogisch finde ich auch, dass ein Mittel für 100 verschiedene Indikationen eingesetzt wird. Im Unterschied zu der Schulmedizin ist der Beipackzettel von Homöopathika für die Patienten unbrauchbar. Denn er enthält weder eine Gebrauchsanweisung noch die Anwendungsgebiete. Verlangt ein Patient von sich aus homöopathische Arzneimittel, muss er sich selbst sehr gut auskennen, damit er die Homöopathie richtig anwendet. Zum Beispiel muss er sicher sein, dass er die richtige Potenz einsetzt.
Nach meiner Meinung hat die Homöopathie bei schweren Krankheitsbildern, zum Beispiel einer starken Depression, überhaupt nichts zu suchen.
Haben Patienten mit leichten Alltagsbeschwerden allerdings bereits gute Erfahrungen mit homöopathischen Mitteln gemacht und berichten mir, die Mittel täten ihnen gut, würde ich ihnen nicht abraten, Homöopathika einzusetzen. Doch das sind in meinem Apothekenalltag eher Ausnahmen. Ich ziehe in den meisten Fällen Arzneimittel der Schulmedizin in Kombination mit gesunder Ernährung und viel Bewegung vor.
Heike Wendel
Reine Glaubenssache
Der Glaube an die Heilkraft von extrem verdünnten Wirkstoffen ist weit verbreitet. Ein wissenschaftlicher Nachweis, dass diese Art der Behandlung wirklich funktioniert, ist bisher noch nicht gelungen. Doch jede PTA kennt Patienten, aber auch Freunde, Familienangehörige, Bekannte und Verwandte, die auf die Homöopathie schwören oder seit Jahren darauf vertrauen.
Es ist kein Geheimnis, dass die homöopathische Ähnlichkeits- und Verdünnungstherorie einer rationalen Überprüfung nicht standhält. Worte wie »sanft«, »ganzheitlich« oder »naturrein« sollen oft nur verschleiern, dass die Wirkung der angepriesenen Therapie über den Placebo-Effekt hinaus nicht nachgewiesen ist.
Homöopathie ist keine Wissenschaft, sondern eine Glaubenssache. Das zeigen auch die heftigen, oft unsachlichen Auseinandersetzungen darüber. Homöopathie ist für mich eher eine Selbsttäuschung mit Placeboeffekt, aber auch eine Selbsttäuschung, die solange hilft, solange der Patient im Grunde seines Herzens auf die Wirkung vertraut. Nicht umsonst sagt man »der Glaube versetzt Berge.«
Chronisch Erkrankten oder Patienten mit schweren Infektionskrankheiten helfen Homöopathika nicht. Der kranke Mensch heilt sich in einem hohen Maße selbst, Hauptsache, er glaubt an die Wirksamkeit der Behandlung. Dass sich die Homöopathie trotz des großen wissenschaftlichen Fortschritts seit Hahnemann halten konnte, verdankt sie Patienten, die es honorieren, dass der Homöopath sie als Menschen und nicht als Kranke behandelt. Diese Menschen wirken als Multiplikatoren.
Ich bin froh, dass es den Placeboeffekt gibt. Alles, was Kranken hilft, sollte meiner Meinung nach auch eingesetzt werden. Meine eigene Einstellung ist hier zweitrangig, denn als PTA bin ich in der Apotheke dazu da, kranken Menschen auch Hoffnung auf Heilung zu vermitteln, und das jeden Tag aufs Neue. Dazu waren und sind viele Schulungen notwendig, aber auch durch meine lange Berufserfahrung habe ich ständig dazu gelernt. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch, der Hilfe benötigt und sie in der Apotheke zu Recht einfordert.
Andrea Drees
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