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Anaphylaxie

Tödliche Gefahr

22.04.2014  16:02 Uhr

Von Verena Arzbach, Berlin / Ein Wespenstich oder Erdnussbutter sind für einige Menschen potenziell lebensbedrohlich – und zwar dann, wenn sie zu einem allergischen Schock führen. Dieser Zustand ist immer ein Notfall, der schnellstmöglich behandelt werden muss.

Die Anaphylaxie, ein allergischer Schock, ist die schwerste Ausprägung einer Immunreaktion. Sie ist zwar relativ selten, verläuft aber mitunter tödlich. Zwei Kriterien definieren den Zustand eines allergischen Schocks, wie Professor Dr. Margitta Worm von der Charité bei der 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie in Berlin erläuterte. Demnach tritt eine solche Reaktion immer plötzlich auf und betrifft mindestens zwei Organsysteme.

Verschiedene Organe betroffen

Die Symptome einer anaphylaktischen Reaktion zeigen sich an unterschiedlichen Organen: an Haut und Schleimhäuten, Atemwegen, Herz-Kreislauf-System und dem Magen-Darm-Trakt. Am häufigsten ist die Haut beteiligt, zum Beispiel als Urtikaria (Nesselsucht). »In den meisten Fällen leidet der Patient unter Hautreaktionen, zusätzlich treten Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Symptome auf«, sagte Worm. Atemwegsbeschwerden äußern sich häufig in Hustenreiz oder Luftnot, der Kreislauf reagiert meist mit Schwindel oder Blutdruckabfall. Schlimmstenfalls droht ein Herzstillstand.

Die Anaphylaxie als Folge einer immunologischen Reaktion wird durch ein Allergen verursacht, also meist ein Protein, das in den Körper aufgenommen und dort verarbeitet wird. Der Körper bildet anschließend Antikörper der Immunglobulin-Klasse E, die wiederum an Mastzellen binden. Bei erneutem Kontakt mit dem Allergen wird das auf den Zellmembranen gebundene IgE kreuzvernetzt. Dadurch werden die Mastzellen aktiviert und setzen Entzündungsmediatoren wie Histamin frei.

Wie viele Menschen pro Jahr in Deutschland anaphylaktische Reaktionen erleiden, können Experten nicht genau sagen. »Die Häufigkeit anaphylaktischer Reaktionen hat jedoch in den vergangenen Jahren zugenommen«, sagte Worm. Im Jahr 2011 gab es 113 Todesfälle in Deutschland. Die häufigsten Auslöser eines Allergieschocks sind Nahrungsmittel, Insektengifte und Medikamente. »Bei Kindern und Jugendlichen beobachten wir vor allem schwerwiegende Reaktionen auf Nahrungsmittel«, berichtete die Allergologin. »Opfer« von Insektengift seien eher Menschen zwischen 45 und 55 Jahren. Anaphylaktische Reaktionen auf Arzneimittel beträfen hingegen meist Senioren, berichtete Worm.

Daten hätten gezeigt, dass bei Auftreten eines allergischen Schocks häufig Kofaktoren vorhanden sind, erläuterte Worm. Diese triggern sozusagen einen anaphylaktischen Schock, das heißt, ohne den Kofaktor wäre es zu keiner Reaktion gekommen. Solche Kofaktoren sind zum Beispiel körperliche Anstrengung, eine Infektion oder Alkoholgenuss. Auch Medikamente wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID) oder cardiovaskuläre Wirkstoffe können die Reaktion auslösen. Auch sind Risikofaktoren bekannt, die Schweregrad und Ausmaß der allergischen Reaktion verstärken. Dazu zählen beispielsweise Asthma bronchiale, die Menge des Allergens oder das Alter des Patienten. Die Reaktion würde aber auch ohne Vorliegen eines Risikofaktors auftreten.

Die wichtigste Maßnahme und Therapie der Wahl ist laut Leitlinie die sofortige intramuskuläre Gabe von Adrenalin, insbesondere bei cardiovaskulären Symptomen und/oder Atemwegsbeschwerden, berichtete Worm. Adrenalin aktiviert die Alpha- und Beta-Rezeptoren, erweitert die Bronchien und stabilisiert den Kreislauf. Der Patient selbst oder eine andere Person kann das Medikament mit einem Autoinjektor injizieren. In der Praxis werde das lebensrettende Medikament aber häufig gar nicht oder zu selten eingesetzt, beklagte Worm. So verabreichten viele Notärzte beispielsweise eher Sauerstoff als Notfallmaßnahme.

Häufigste Auslöser einer anaphylaktischen Reaktion

Nahrungsmittel: Erdnuss (Kinder); Weizen, Sellerie (Erwachsene)

Insektengift: Wespe

Medikamente: Diclofenac

Versorgung im Notfall sichern

Patienten, die bereits einmal eine anaphylaktische Reaktion erlitten haben, sollten immer ein Notfallset und einen Notfallpass mit sich führen. Ein solches verschrei bungspflichtiges Set enthält einen Adrenalinautoinjektor, ein Antihistaminikum und ein Corticosteroid. PTA und Apotheker sollten Patienten, die ein solches Set verordnet bekommen, genau informieren, wie sie die Medikamente anwenden müssen. Adrenalin sollte aufgrund seiner schnellen Wirksamkeit stets zuerst appliziert werden. Der Patient spritzt den Wirkstoff mit dem Autoinjektor in den seitlichen Oberschenkelmuskel. Antihistaminika und Corticoide verordnet der Arzt als Tropfen oder Lösung sowie für Kinder als Zäpfchen, denn Tabletten kann der Patient im Fall eines anaphylaktischen Schocks eventuell nicht schlucken. Eine gute Alternative sind Schmelztabletten, sagte Worm. PTA oder Apotheker sollten den Patienten – eventuell auch wiederholt – darauf hinweisen, die Arzneimittel wirklich immer bei sich zu tragen. /

E-Mail-Adresse der Verfasserin
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