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Lippenherpes

Schnelles Handeln gefragt

10.03.2015  11:14 Uhr

Von Elke Wolf / Lippenherpes ist den Betroffenen – mit entsprechenden Abständen – ein Leben lang ins Gesicht geschrieben. Weil die Virusinfektion zu Rezidiven neigt, kommen die Patienten immer wieder ratsuchend in die Apotheke. Welche Präparate helfen wann am besten?

Sämtliche Präparate gegen Lippenherpes können lediglich die Vermehrung der Herpesviren aufhalten, ganz unterbinden können sie deren Aktivität nicht. Dabei ist die Lokaltherapie nur dann effektiv, wenn Betroffene das Präparat möglichst früh, also beim ersten Auftreten der Symptome, auftragen und dann mehrere Tage weiterbehandeln.

Einen Tag kürzer

Am potentesten wirken chemisch-synthetische Virustatika wie Aciclovir (wie Zovirax®) und Penciclovir (Pencivir®, auch als gefärbte Creme). Sie verkürzen den Krankheitsverlauf um durchschnittlich einen halben bis einen Tag und mildern die Symptome. Aciclovir und Penciclovir hemmen die Virus-DNA-Synthese in den virusinfizierten Zellen, indem sie als Kettenabbrecher fungieren. Das erklärt, wa­rum es so wichtig ist, das Präparat bereits beim allerersten Kribbeln und danach in kurzen Abständen (siehe Tabelle auf Seite 28) aufzutragen: Zu diesem Zeitpunkt ist die Zahl der Viren, gegen die der Arzneistoff vorgehen muss, noch gering – und die Wahrscheinlichkeit, den Lippenherpes ganz zu verhindern, am größten.

Manchen Patienten hilft auch eine adstringierende Zinkoxidschüttelmixtur oder eine weiche Zinkpaste, um die Symptome einzudämmen. Zur Behandlung im Prodromalstadium sind auch spezielle Zinksulfat-Präparate im Handel, entweder als Monoarzneistoff (wie Virudermin®) oder in Kombination mit Heparin (wie Lipactin®). Zinkionen sollen antiviral wirken, indem sie sich an die Membranen der Herpes-Viren anheften. Inhaltsstoffe eines Melissenextrakts (wie Lomaherpan®) sollen die Hautzellen vor dem Eindringen der Viren schützen. Auch das setzt wieder eine frühzeitige Anwendung voraus, damit sie überhaupt wirken können. Klinische Studien, die den Effekt untermauern, fehlen aber weitgehend.

Ebenfalls zugelassen zur topischen Behandlung früher Stadien von Herpes labialis (Prodromal- oder Erythemphase) ist Docosan-1-ol (wie Muxan®), ein gesättigter, 22 Kohlenstoffe langer Alkohol mit antiviraler Wirkung gegen viele lipidumhüllte Viren. Es gibt einige wenige randomisierte Doppelblindstudien, die dem Wirkstoff eine schnellere Heilung der Ulcera bescheinigen. Wie genau allerdings die antivirale Wirkung vonstatten geht, ist nicht bekannt. In-vitro-Studien legen nahe, dass Docosan-1-ol die Fusion des Virus mit der zellulären Plasmamembran beeinflusst und damit die intrazelluläre Aufnahme und Replikation des Virus verhindert. Sowohl Docosan-1-ol als auch sein Hauptmetabolit Docosansäure sind Bestandteile menschlicher Zellmembranen.

Herpes-Infektion in sechs Schritten

Ein Lippenherpes-Ausbruch dauert unbehandelt zwischen sieben und zehn Tagen. Der Verlauf lässt sich in sechs Phasen darstellen.

  • Ein Spannungsgefühl an den Lippen oder an der Nase, begleitet von Kribbeln, Jucken oder Brennen, ist meist ein deutliches Indiz, dass Herpesviren im Anmarsch sind (Prodromalphase). Diese Phase tritt jedoch nicht bei allen Patienten auf.
  • Wenige Zeit später rötet sich die Haut (Erythemphase).
  • Kleine schmerzhafte Erhebungen bilden sich heraus (Papulaphase).
  • In der Vesikelphase vermehren sich die Viren explosionsartig. Die Papeln blasen sich zu flüssigkeits­gefüllten Vesikeln auf, die Millionen von Viren enthalten. Der Bläschen­inhalt ist zunächst farblos, später eitrig trüb.
  • Die Hautzellen überleben den Viren­ansturm in ihrem Inneren nicht, bersten und verschmelzen miteinander (ulceröse Phase). Es entstehen schmerzhafte, nässende Wunden.
  • In der Verkrustungs- und Abheilphase bilden sich stark juckende Krusten und Schorf, die anschließend narbenlos abfallen.

Gel ohne Wirkstoff

Eine gewisse prophylaktische Wirkung verspricht ein Lippengel auf Polyethylenglykol-Basis (Lipivir® Lippenherpes-Creme, derzeit nur in der Schweiz und Österreich verfügbar). Das zeigt zumindest eine Studie, die am Universitätsspital Zürich durchgeführt und im Fachjournal »Dermatology« veröffentlicht wurde. An der Untersuchung nahmen 40 Patienten teil, die im Schnitt sechsmal pro Halbjahr von einem Lippenherpes heimgesucht wurden. Die Patienten, die über ein halbes Jahr zweimal täglich das wirkstofffreie Gel anwendeten, hatten während des Beobachtungszeitraums durchschnittlich 88 Prozent weniger Ausbrüche als in der Vorperiode. Mehr als die Hälfte hatte keinen einzigen Lippenherpes-Ausbruch zu verzeichnen. Wie genau das Lippengel wirkt, ist indes nicht klar. Man vermutet einen leicht austrocknenden Effekt durch die Polyethylen-haltige Grundlage.

Auch andere Darreichungsformen als Cremes kommen mittlerweile in der Herpes­therapie zum Einsatz. Relativ neu sind elek­tronische Lippenstifte. Sie erzeugen entweder einen schwachen Strom oder konzentrierte Wärme (wie Herpifix®, Herpotherm®). Der Strom soll den pH-Wert der Haut senken, sodass sich die Herpesviren nicht ausbreiten können. Durch die konzentrierte Wärme von etwa 51 bis 52 °C sollen Herpesviren absterben, denn die Viren reagieren auf Temperaturen über 50 °C thermolabil. Anwendungsbeobachtungen mit allerdings kleiner Patientenzahl bestätigen die Wirksamkeit.

Auch ein transparentes Hydrokolloid-Pflaster (wie Herpesbläschen Patch Compeed®) kann in der Blütezeit helfen. Es wird direkt auf die betroffene Lippenpartie geklebt und eignet sich für alle Phasen der Infektion. Einen Wirkstoff enthält es nicht, und es nimmt auch keinen direkten Einfluss auf die Virusvermehrung. Das Pflaster arbeitet nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung und sorgt für gute Heilungsbedingungen und beugt Schorfbildung vor. Es schützt die Wunde vor Schmutz und anderen Erregern. Vor allem schätzen Betroffene aber, dass die Läsionen mithilfe des Pflasters versteckt werden können. Darüber können wie gewohnt Make-up oder Lippenstift aufgetragen werden. Unerwünschte lokale Reaktionen unter dem Pflaster sind allerdings möglich.

Selbstmedikation hat Grenzen

Die Selbstmedikation von Lippenherpes hat ihre Grenzen. In folgenden Fällen sollte die Therapie nicht in Eigenregie erfolgen:

  • wenn die Lippenbläschen von Fieber begleitet werden,
  • wenn die Herpesbläschen oder Ulcera trotz Behandlung nicht abheilen oder stark schmerzen,
  • wenn der Verdacht auf bakterielle Superinfektion oder Pilzinfektion besteht,
  • wenn sich die Bläschen an anderen Stellen als an Mund oder Nase befinden, etwa in der Nähe von Auge und Augenlid,
  • bei immungeschwächten oder supprimierten Patienten, zum Beispiel unter Chemotherapie oder nach einer Organtransplantation,
  • bei Kindern,
  • bei Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis. /
Wirkstoff Handelsname Wirkstoff-Konzentration Anwendung pro Tag
Aciclovir zum Beispiel Zovirax® 5%ige Creme 5-mal (alle 4 Stunden tagsüber)
Docosan-1-ol Muxan® 10%ige Creme 5-mal (alle 3 Stunden tagsüber)
Foscarnet (Rp!) Triapten® 2%ige Creme mindestens 6-mal (alle 3 Stunden tagsüber)
Melissenblätter-Trockenextrakt Lomaherpan® 1%ige Creme 2- bis 4-mal
Penciclovir Fenistil® Pencivir 1%ige Creme mindestens 8-mal (alle 2 Stunden tagsüber)
Tromantadin (Rp!) Viru-Merz® Serol 1%iges Gel 3- bis 5-mal (auch öfter)
Zinksulfat Virudermin® 1%iges Gel bis 4-mal
Zinksulfat-Heparin Lipactin® 0,5%iges Gel mit 175 I.E. Heparin-Na 3- bis 6-mal

Anwendungshäufigkeit verschiedener Lippenherpes-Präparate laut Gebrauchs­information der Hersteller