Alles Gute für die Schilddrüse |
16.03.2018 14:34 Uhr |
Von Andrea Pütz / Die Schilddrüse produziert entscheidende Hormone für Stoffwechsel, Kreislauf, Wachstum und Psyche. So beeinflusst das kleine schmetterlingsförmige Drüsenorgan fast alle Körperfunktionen. Doch jeder dritte Deutsche ist an der Schilddrüse erkrankt. Betroffene können mit einem passenden Speiseplan Beschwerden mildern und die Therapie unterstützen.
Die Hauptaufgabe der Schilddrüse ist die Produktion der beiden jodhaltigen und von der Aminosäure Tyrosin abstammenden Hormone: T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin). Dies sind die einzigen Verbindungen im Körper, die auf Jod angewiesen sind. Im Körper wird T4 durch Abspaltung eines Jod-Atoms in die aktivere Form T3 überführt. Werden diese beiden Hormone nicht in der richtigen Menge gebildet, kann der Organismus aus dem Gleichgewicht geraten.
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T3 und T4 stimulieren die Mitochon- drien, die kleinen Kraftwerke unserer Zellen. Eine Fehlfunktion der Schilddrüse wirkt sich so auch auf den Energieumsatz und den daraus resultierenden Bedarf aus. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion, einer Hypothyreose, bildet die Schilddrüse zu wenig Hormone. Das verlangsamt den Energiestoffwechsel. Grundumsatz und Energiebedarf fahren auf Sparflamme herunter. Ursache sind vor allem ein jahrelanger Jodmangel oder eine Hashimoto-Thyreoiditis.
Das erste spürbare und für die meisten Menschen frustrierende Symptom einer Unterfunktion ist die unerklärliche Gewichtszunahme. Bis die Patienten nach der Diagnosestellung gut medikamentös eingestellt sind oder die Ursache der Unterfunktion behoben ist, sollten sich die Patienten kalorienreduziert ernähren. Kalorienarme, unverarbeitete Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte sind empfehlenswert. Die traditionelle Mittelmeerkost kann hier als Anhaltspunkt dienen. Für diesen Zeitraum eignet sich auch Intervall- oder intermittierendes Fasten, denn es gibt dem Körper ausreichend Zeit zur Fettverbrennung. Bei der 8:16-Methode fastet man nachts und morgens 16 Stunden und isst tagsüber binnen acht Stunden zwei Mahlzeiten.
Grundumsatz verschoben
Bei einer Hyperthyreose erhöht sich hingegen der Grundumsatz. Die Patienten nehmen meist an Gewicht ab. Auch hier gilt es, nährstoffreich zu speisen und zu trinken, aber eher kalorienmoderat bis -reich. Auch die Eiweißzufuhr sollte leicht erhöht werden, damit dem aktivierten Substratumsatz Rechnung getragen werden kann. Viele erreichen eine höhere Energiezufuhr ohne größere Probleme, da ihr Appetit ohnehin gesteigert ist.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, täglich 200 µg Jod aufzunehmen. Nur Seefisch kann den täglichen Jodbedarf decken. Doch dieser steht in der Regel nicht täglich auf dem Speiseplan. Trotzdem hat sich die Jodversorgung seit den 1990er-Jahren in der deutschen Bevölkerung deutlich verbessert. Dies liegt unter anderem am Einsatz von jodiertem Speisesalz in Haushalten, aber auch in verpackten Lebensmitteln sowie in Bäckereien oder im Restaurant. Auch durch die Anreicherung von Futtermitteln wurden deutsche Fleisch- und Milchprodukte jodreicher. Immerhin erreichen heute etwa 70 Prozent der Deutschen die Mindestmenge. Vor allem ältere Menschen leiden jedoch noch immer an den Spätfolgen ihres früheren Jodmangels, einer Struma, auch bekannt als Kropf.
Das ungeborene Kind benötigt zudem Jod für die eigene Schilddrüse und die Gehirnentwicklung. Bei Heranwachsenden kann es bei Jodmangel zu Konzentrationsproblemen kommen. Ein jodreicher Speiseplan ist bei einer Hypothyreose angezeigt. Patienten mit einer Hyperthyreose sollten hingegen auf jodreiche Algen verzichten und keine Mikronährstoffprodukte verzehren, die Jod mitliefern.
Jod braucht Selen
Was wäre das Spurenelement Jod ohne seinen Partner Selen? Für die Aktivität der Jod-spaltenden Enzyme ist Selen unentbehrlich. Erst dieses ermöglicht, dass T4 in das wirksame T3 umgewandelt werden kann. Bei einem Selenmangel ist die ausreichende Produktion von Schilddrüsenhormonen somit nicht gewährleistet. Das Spurenelement wirkt zudem stark antioxidativ. Das ist von Vorteil, wenn durch einen erhöhten Energieumsatz der oxidative Stress steigt.
Somit ist sowohl bei Hyper- als auch bei Hypothyreose eine ausreichende Selenversorgung im Blick zu halten. Der Selengehalt in pflanzlichen Lebensmitteln ist abhängig vom Selengehalt der Böden und kann stark variieren. In Europa sind die Böden und damit die meisten pflanzlichen Lebensmittel selenarm. Daher stellen tierische Lebensmittel wie Fleisch und Eier sowie Fisch die zuverlässigere Selenquelle dar. Für Vegetarier sind Weizenkleie, Pilze und Paranüsse als Selenbombe wertvolle Lebensmittel und Knabbereien. Die Einnahme von SelenPräparaten sollten Betroffene mit dem Arzt besprechen.
Eisen als Mittler
Eisen ist ein wichtiger Bestandteil des Enzyms Schilddrüsen-Peroxidase (TPO), sodass die Bildung der Schilddrüsenhormone auch eisenabhängig ist. Ein Eisenmangel kann eine Hypothyreose fördern, und gleichzeitig ist auch die Eisenresorption bei einer Unterfunktion verschlechtert. Ist eine Eisenmangelanämie diagnostiziert worden, kann die gezielte Gabe von Eisen mit dazu beitragen, die Konzentration der Schilddrüsenhormone zu regulieren.
Eisen ist als Bestandteil weiterer Enzyme ebenso an der zellulären Energiegewinnung beteiligt und Cofaktor antioxidativer Schutzsysteme. Somit sollte auch bei einer Hyperthyreose eine ausreichende Eisenzufuhr gewährleistet sein. Fleisch und Innereien liefern viel Eisen. Pflanzliche Quellen wie Weizenkleie, Quinoa, Hülsenfrüchte, Pfifferlinge, Sesam, Leinsamen und Petersilie sind zwar auch gute Eisenquellen; deren Eisen wird aber vom Organismus schlechter aufgenommen. Die Bioverfügbarkeit lässt sich mit Hilfe der gleichzeitigen Einnahme von Vitamin-C-haltigen Obstsäften oder Gemüsen wie Paprika deutlich verbessern.
Die Ursache einer Hypothyreose kann auch an einer chronische Entzündung des Organs liegen, einer Hashimoto-Thyreoiditis. Das körpereigene Immunsystem attackiert dabei die hormonbildenden Zellen der Schilddrüse und zerstört sie nach und nach. Irgendwann kann sie nicht mehr genug lebenswichtige Hormone produzieren. Die medikamentöse Einstellung kann sehr langwierig sein. Schwankungen oder Schübe können zum Krankheitsbild gehören. Beim Morbus Basedow richten sich bestimmte Autoantikörper gegen körpereigene Schilddrüsenzellen und regen die Produktion von Hormonen an (Hyperthyreose).
Entzündete Schilddrüse
Ein Jodüberschuss kann die entzündlichen Prozesse der Schilddrüse ankurbeln. Daher sollten Patienten beider Autoimmunerkrankungen Jod in hoher Dosis meiden, wie jodhaltige Nahrungsergänzungen sowie sehr jodhaltige Lebensmittel wie Sushi und Algen. Ein- bis zweimal wöchentlich fetter Seefisch sind dagegen empfehlenswert, da sie entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren liefern. Besonders reich an diesen mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind Makrele, Hering, Bückling, Thunfisch und Lachs – frei Haus gibt es dann gleich auch Selen als wirksames Antioxidans. Lein- und Hanföl sowie Walnüsse sind ebenfalls reich an Omega-3-Fettsäuren. Natürlich dürfen auch die fettärmeren Fischvarianten wie Schellfisch und Kabeljau ab und an den Gaumen erfreuen, sie liefern jedoch weniger gesunde Fettsäuren, dafür mehr Jod.
Vitamin D hat eine immunmodulierende Wirkung. Das kann bei ausreichender Versorgung die Prognose von Autoimmunerkrankungen verbessern. Das Vitamin-D-Vorkommen in Lebensmitteln ist als gering zu bewerten. Gute Lieferanten für Vitamin D3 (Cholecalciferol) sind tierische Lebensmittel wie fetter Seefisch, also Hering, Makrele oder Lachs, Milch, Butter und Eier. Über die Nahrung allein lässt sich der Bedarf von 20 µg (800 I.E.) pro Tag jedoch nicht decken.
Die menschliche Haut kann Vitamin D unter Einfluss von Sonnenlicht aus dem Provitamin 7-Dehydrocholesterol selbst bilden. Durch regelmäßiges, kurzes Sonnenbaden und Spaziergänge an der frischen Luft können Betroffene selbst etwas im Kampf gegen ihre Autoimmunerkrankung unternehmen. Vor allem im Winter und auch für Menschen, die sich wenig am Tageslicht aufhalten, gilt: Vitamin-D-Status testen lassen und gegebenenfalls supplementieren.
Vitamin D als Helfershelfer
Bei einer Hyperthyreose wie dem Morbus Basedow ist der Substrat- und Energiebedarf erhöht – so auch der Knochenstoffwechsel. Hier fehlt es nicht nur häufig an Vitamin D, sondern auch häufig an Calcium. Neben Milch, Joghurt und Käse liefern auch Brokkoli, Grünkohl, Mandeln, Sesam, Petersilie, aber auch spezielle Mineralwässer reichlich Calcium. Ab 150 mg pro Liter gilt ein Mineralwasser als calciumhaltig.
Vitamin C aus Paprika, Zitrusfrüchten oder Kohl und E aus Nüssen, Pflanzenölen und grünem Gemüse sowie sekundäre Pflanzenstoffe aus Obst, Gemüse und Gewürzen wie Ingwer, Kurkuma und Co. bieten wertvolle Antioxidantien. Die enthaltenen natürlichen Wirkstoffe schützen vor freien Radikalen und halten so den Entzündungsprozess in Schach. /
Der Verzehr roher Goitrogen-reicher Lebensmittel wie Chinakohl, Kohlrabi, Zwiebeln, Mandeln, Meerrettich oder Radieschen sollte bei einer Hypothyreose eingeschränkt werden. Teils hemmen die Goitrogene, also kropffördernde Inhaltsstoffe, die Bindung von Jod an die Aminosäure Tyrosin, sodass die Bildung von Schilddrüsenhormonen beeinträchtigt ist. Teils hemmen sie die Jodaufnahme in die Schilddrüse. Da Kochen die goitrogene Aktivität dieser Lebensmittel reduziert, ist ein grundsätzlicher Verzicht nicht notwendig. Hyperthyreotiker profitieren zudem nicht vom vermehrten Konsum dieser Lebensmittel.
Auch Sojabohnen und -produkte wie Tofu, Sojamilch und -joghurt können die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen. Soja-Isoflavone (Phytoöstrogene) wie Genistein und Daidzein stören wahrscheinlich die Aktivität der Schilddrüsen-Peroxidase, die Jodaufnahme in die Schilddrüse und den Transport der Schilddrüsenhormone im Körper. Das kann eine Unterfunktion verstärken. Die intestinale Aufnahme synthetische Schilddrüsenhormone (Levothyroxin) kann zudem reduziert werden. Von einem kompletten Ersatz tierischer Lebensmittel durch Sojaprodukte oder einer Nahrungsergänzung in Form isolierter oder angereicherter Soja-Isoflavone – wie in den Wechseljahren üblich – ist abzusehen. Bei einer Hyperthyreose empfiehlt sich ebenfalls nur ein moderater Verzehr an Sojaprodukten.