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Pilotprojekt

Therapie per Virtual Reality

16.03.2018  14:34 Uhr

Von Verena Arzbach / Sich in der Natur bewegen oder mit einem Boot auf dem See treiben, ohne das Krankenzimmer zu ver­­lassen: Das Start-up »Anders VR« der Universität Hohenheim in Stuttgart will das möglich machen. Das Unter­nehmen pro­duziert maßgeschneiderte 3-D-Visualisierungen, die der Patient mit­hilfe einer Virtual-Reality (VR)-Brille wahrnimmt.

Die virtuellen Erlebnisse sollen psychische Belastungen kranker und alter Menschen mindern und Patienten mit speziellen Übungen körperlich akti­vieren. Patienten können über eine App verschiedene virtuelle Szenarien wählen, beispielsweise einen Sonnen­aufgang auf dem Berg, einen Wald oder eine Wiese. Außerdem seien angeleitete Atemübungen oder Entspannungs­sequenzen und leichte Bewegungsübungen abrufbar, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Hohen­heim. Der Fokus liege derzeit auf Krebs­- und Schmerzpatienten. Vor­stellbar sei aber auch der Einsatz in der Orthopädie, ­­bei querschnittsgelähmten Patienten und in der Palliativ­medizin.

Nach Tests mit einzelnen kleinen Gruppen­ werden die VR-Brillen mittlerweile in verschiedenen Pilotprojekten in Kranken­häusern und Pflegeeinrich tungen getestet. Rund 50 Patienten ­haben nach Angaben von Anders-VR-Gründer Dr. Andreas Haas von der Universität Hohenheim. die VR-Brillen bisher getestet. »Die Atemübungen sind ein wichtiger Punkt, bei dem sich die Krankenhäuser unter anderem einen präventiven Nutzen bei der Vermeidung von Lungenentzündungen erhoffen. Das kann die Verweil­dauer verkürzen und die Genesung unter­stützen«, erklärt Haas.

Inhalte und Anwendung sollen laut Haas möglichst genau auf die Situation der Patienten zugeschnitten werden. So werde beispielsweise berücksichtigt, ob ein Patient im Krankenbett nur flach liegen oder auch aufrecht sitzen kann. »Wir simulieren bei unseren Tests die unmittelbare Umgebung und Bewe­gungsfreiheit des Patienten: Infusions­kabel, Sitzpositionen oder auch die Ausmaße­ von Krankenbetten müssen berücksichtigt werden, um ausladende Armbewegungen zu verhindern.«

Möglichst realistisch

Mit bekannten VR-Angeboten zur Unterhaltung hätten diese Anwendungen ­wenig zu tun. »Schnelle Kamerabe­wegungen sind tabu, die Ich-Perspek­tive in der virtuellen Welt muss der tatsäch­lichen Position des Nutzers entsprechen, sonst wird den Nutzern schlecht oder schwindelig.« Man verzichte auch bewusst auf animierte ­Figuren und Um­gebungen, um das ­Erlebnis möglichst realistisch zu halten, so Haas.

Auch die Hardware ist an das be­sondere Einsatzgebiet und die Hygienestandards im Krankenhaus angepasst: Die VR-Brillen sind komplett desin­fizierbar, für die Kontaktstelle zwischen Gesicht und Hardware hat das Unternehmen einen gepolsterten Leder­aufsatz entwickelt. Um die Krankenhaustechnik nicht zu stören, werden alle ­Inhalte zudem offline auf dem Gerät zur Verfügung gestellt.

Haas und seine Kollegen planen, in Zukunft auch spezielle VR-Programme für Demenzkranke anzubieten. Dabei setze man vor allem auf regionale Landschaften und Inhalte. Ein Patient aus Norddeutschland könnte zum Beispiel einen Film zu sehen bekommen, der am Strand spielt, heißt es in der Pressemeldung. Auch Städte aus der Heimatregion, Bilder von lokalen Festen­ oder ein Sprecher mit hei­mischem Dialekt könnten Vertraut­heit schaffen. Speziell für diese Pa­tientengruppe hat das Unternehmen ge­meinsam mit der Demenzpflege Riedlingen auch einen VR-Demenzhut entwickelt: Die VR-­Brille wurde in einen­ Hut integriert, der älteren Menschen­ vertrauter ist als die moderne tech­nische VR-Brille. Das soll eine der derzeit­ größten Hürden im ­De­menzbereich – den Menschen die Brille aufzusetzen – vereinfachen. /