Vorbeugen statt Nachsehen |
16.03.2018 14:34 Uhr |
Von Caroline Wendt, Leverkusen / In Deutschland sterben 40 Prozent der Schlaganfall-Patienten innerhalb des ersten Jahres nach dem Hirnarterienverschluss. Die Kampagne »Rote Karte dem Schlaganfall« setzt auf Prävention: Das Vermeiden von Risikofaktoren, eine vorbeugende medikamentöse Behandlung und körperliche Aktivität können einen Apoplex verhindern.
»Stellen Sie sich auf ein Bein. Schließen Sie die Augen. Sie stehen immer noch sicher? Dann bewegen Sie jetzt den Kopf, als ob Sie durch den Raum blicken.« Mit einfachen Übungen lässt sich das Gehirn trainieren, erklärte Maike Schlunck von der Sporthochschule Köln bei einer Pressekonferenz der Firma Bayer Health Care. Bereits vor sieben Jahren hat Bayer zusammen mit der Sporthochschule und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe die Aufklärungskampagne gegründet.
»Die Übungen sind nicht nur gut zur Prävention, sondern auch zur Rehabilitation«, ergänzte Professor Dr. Hans-Georg Predel vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Kölner Sporthochschule. Eine im Fachjournal »Journal of Physiology« veröffentlichte Studie der Universität von Jyväskylä in Finnland habe ergeben, dass sich Neurozyten, die grauen Zellen des Gehirns, auch im Erwachsenenalter neu bilden können. Am effektivsten lasse sich dies mithilfe einer Mischung aus Koordinationsübungen, Ausdauer- und Kraftsport fördern. So kann nach einem Schlaganfall die noch erhaltene Gehirnmasse trainiert und optimiert werden. Zudem reduziere Bewegung die Risikofaktoren, welche die Bildung eines Thrombus und somit einen Schlaganfall begünstigen: Diabetes mellitus, erhöhte Blutfettwerte und Bluthochdruck, erläuterte Predel.
Fast alle Thromben, die den Verschluss einer Gehirnarterie verursachen, entständen im Herz, erklärte der Kardiologe Dr. Thomas Schramm. Leiden Patienten an Vorhofflimmern, kommt es im linken Vorhof, genauer im sogenannten Herzohr, zu Verwirbelungen. Dadurch kann sich leicht ein Thrombus bilden. »Löst sich der Thrombus, gelangt er meist auf direktem Weg zum Gehirn«, so Schramm. Rund 1,8 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter Vorhofflimmern.
Problematisch sei, dass viele erst zu ihm in die Praxis kämen, wenn der Schlaganfall bereits stattgefunden habe, erklärte er. Nicht immer seien die Symptome des Vorhofflimmerns – unregelmäßiger, schneller Puls, Luftnot und Angst – so ausgeprägt, dass die Patienten einen Arzt aufsuchen. Ein weiteres Problem sei die Angst vieler Patienten davor, blutverdünnende Medikamente einnehmen zu müssen. Doch die Wahrscheinlichkeit, eine schwere Hirnblutung zu erleiden, sei unter den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) deutlich geringer als bei den Vitamin-K-Antagonisten. Die aktuelle Leitlinie zum Management von Vorhofflimmern der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie nenne die NOAK als Mittel der ersten Wahl zur Blutverdünnung bei Patienten mit Vorhofflimmern.
Sollte es doch zu einem Schlaganfall kommen, ist schnelles Handeln wichtig, weiß Dr. Michael Brinkmeier, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe, zu berichten. Jährlich erleiden 270 000 Menschen in Deutschland einen Apoplex. Diese seien in Akut- und Reha-Einrichtungen gut versorgt. Nicht zuletzt auch aufgrund der Initiative der Stiftung: 1994 zertifizierte die Stiftung die erste Stroke Unit in Deutschland. Heute sind es bundesweit bereits 300 Krankenhäuser, die dieses Zertifikat tragen und damit eine schnelle Akut-Versorgung von Schlaganfall- Patienten gewährleisten können.
»Wir haben schon viel geschafft, doch es gibt noch viel zu tun«, betonte Brinkmeier. Denn 70 000 aller Fälle seien wiederholte Schlaganfälle. Deshalb sei es wichtig, Patienten nach der Reha nicht einfach sich selbst zu überlassen, erklärte er. Die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe hat ein Lotsenprogramm gegründet, bei dem Schlaganfall-Patienten ein Jahr lang kostenfrei durch sogenannte Case-Manager betreut werden. »Diese sind für die Patienten nicht nur Ansprechpartner, sondern koordinieren auch Arzttermine oder die Inanspruchnahme von Sozialleistungen«, so Brinkmeier. Zurzeit sind etwa 2000 Patienten Teil dieses Pilotprojektes. Brinkmeier hofft, dass die Betreuung von Schlaganfall-Patienten durch einen Case-Manager schon in drei bis vier Jahren Teil der Regelversorgung wird. /