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Apothekenketten schaden Senioren

25.07.2007  09:36 Uhr

Politik

Apothekenketten schaden Senioren

Daniel Rücker, Eschborn

Der Pharmagroßhändler Gehe will in Deutschland eine Apothekenkette aufbauen. Das ist heute noch verboten. Vor allem ältere Menschen sollen hoffen, dass es auch so bleibt, ergab eine neue Untersuchung.

Mit der Übernahme des niederländischen Versandhändlers DocMorris hat sich der Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio/ Gehe bei PTAs und Apothekern viele Feinde gemacht. Gehe ist nicht nur am Versandhandelsgeschäft der Niederländer interessiert, sondern vor allem an der noch in den Kinderschuhen steckenden Franchise-Kette. Diese will Gehe in den nächsten Jahren ausbauen und eigene Filialen eröffnen. Die DocMorris-Apotheken sollen also nicht mehr Apothekern gehören, sondern dem Großhändler selbst.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Bislang dürfen nur Apotheker eine Apotheke eröffnen.

Gehe will dieses Gesetz deshalb kippen. Das Fremdbesitzverbot verstoße gegen EU-Recht, sagt Celesio-Chef Dr. Fritz Osterle. Der Europäische Gerichtshof wird sich in nächster Zeit mit dieser Frage beschäftigen. Ein Urteil wird es aber wohl erst Ende 2008 geben. Da auch die Bundesregierung das Verbot nicht aufheben will, ändert sich die Rechtslage vorerst nicht.

Nach einer Untersuchung des Instituts für Handelsforschung (IfH) in Köln liegt die Bundesregierung mit ihrer Position goldrichtig. Apothekenketten, so das wichtigste Ergebnis, steigern womöglich den Profit ihrer Besitzer, für die Patienten sind sie kein Gewinn. Im Gegenteil: Vor allem Senioren hätten mit erheblichen Nachteilen zu rechnen, denn sie seien am stärksten auf Apotheken angewiesen, sagt Studienleiter Dr. Markus Preißner.

Bescheidener Service

Ein Blick auf andere Branchen verdeutlicht warum: Handelsketten, also Supermärkte, Tankstellen oder Drogeriemärkte, bieten nur Standardleistungen an. Jede Filiale führt dasselbe Produktsortiment, der Service ist oft bescheiden und das wenige Personal so im Stress, dass für eine kompetente Beratung, wie sie in Apotheken unbedingt notwendig ist, keine Zeit bleibt.

Senioren brauchen aber exakt das Gegenteil. Preißner: »Ältere Menschen benötigen vielfältige individuelle Dienstleistungen.« Ihnen müssen PTA oder Apotheker häufig den Beipackzettel genauer erklären. Multimorbide Patienten müssen sie auf Wechselwirkungen hinweisen und häufig erklären, wie sie das Medikament einnehmen sollen. Die aktuellen Probleme bei der Umsetzung der Rabattverträge sind ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig die individuelle Beratung der Patienten ist. Ohne diese wären gerade Senioren wohl noch weniger bereit, je nach Vertragslage mal dieses, mal jenes Generikum einzunehmen.

Preißner ist sich deshalb sicher: »Das persönliche Beratungsgespräch zwischen Patient und Experten ist durch nichts zu ersetzen. Nicht durch eine Telefon-Hotline, nicht durch eine Internetseite und schon gar nicht durch einen fachlich nicht ausgebildeten Verkäufer.«

Institutschef Dr. Andreas Kaapke macht auf ein weiteres Ergebnis der Untersuchung aufmerksam. Senioren sind auf kurze Wege angewiesen. Sie benötigen eine Apotheke in ihrer Nähe. In vielen Branchen hat sich jedoch in den vergangenen Jahren gezeigt, dass das Auftreten von Handelsketten zu einer Konzentration der Filialen in den Innenstädten führt. Auf dem Land sieht es dann dagegen schlecht aus. Die Geschäfte schließen, in vielen kleinen Städten gibt es heute weder einen Bäcker noch ein Lebensmittelgeschäft. Länder mit Apothekenketten bestätigen diesen Trend auch für Apotheken. In den USA oder in England gibt es Apotheken hauptsächlich in den Einkaufszentren. In England ist die Versorgung in einigen Regionen so schlecht, dass der Staat dort Apotheken finanziell unterstützt.

Apothekenschwund auf dem Land

Zwei Trends in Deutschland verschärfen Kaapkes Bedenken gegen Apothekenketten: In Deutschland gibt es immer mehr Senioren, und gerade auf dem Land wächst ihr Anteil an der Bevölkerung besonders stark. Die Zulassung von Apothekenketten würde dazu führen, dass gerade dort die Apotheken verschwinden, wo sie am dringendsten gebraucht werden: in den ländlichen Gebieten, abseits der Großstädte.

Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, sieht die ablehnende Haltung der Apotheker zum Fremdbesitz bestätigt. Nach seiner Ansicht stehen die Apotheken vor großen Herausforderungen bei der Arzneimittelversorgung: »Mit Blick auf die demografischen Veränderungen wird die Bedeutung der Apotheken in der heutigen Form weiter zunehmen.«

 

E-Mail-Adresse des Verfassers:
ruecker(at)govi.de 

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