Depressionen und Schlafprobleme |
25.07.2007 08:20 Uhr |
Depressionen und Schlafprobleme
Christiane Berg, Hamburg
Diabetiker haben öfter Ängste und Depressionen als gesunde Menschen. Sie leiden auch häufiger unter chronischen Nervenschmerzen, ruhelosen Beinen und Schlafapnoe. Diese Beschwerden führen zu Schlafproblemen und steigern die Insulinresistenz, machen also die Zellen noch unempfindlicher für Insulin, als sie ohnehin schon sind. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
»Wir gehen heute davon aus, dass Depressionen bei Diabetikern etwa doppelt so häufig vorkommen wie bei Menschen ohne Diabetes mellitus«, sagte Dr. phil. Dipl. Psych. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim, auf einem Satellitensymposium von Pfizer bei der 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Circa jeder zehnte Diabetiker sei betroffen. Bei Menschen mit Folgeerkrankungen ist die Depressionsrate noch zusätzlich erhöht. Außerdem erkranken Frauen mit Diabetes mellitus sehr viel öfter an Depressionen als männliche Diabetiker.
Studien hätten gezeigt, dass Depressionen bei Diabetikern häufig mit einer schlechteren Stoffwechseleinstellung einhergehen und deren Lebensqualität erheblich reduzieren. Depressive Diabetiker haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Spätkomplikationen und eine geringere Lebenserwartung.
Bei ersten Hinweisen auf eine Depression sollte der Betroffene den Hausarzt aufsuchen, empfahl der Psychologe. Die Gabe eines Antidepressivums wäre oft ebenso unumgänglich wie eine Psychotherapie oder kognitive Verhaltenstherapie. Als Arzneistoffe kommen zum Beispiel selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin oder Paroxetin und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin in Frage.
Auch generalisierte Angststörungen äußern sich recht unterschiedlich: als Angst vor Hypoglykämie, Angst vor Komplikationen oder Angst in Folge einer Überforderung durch die Diabetestherapie. Sie können eine schlechte Stoffwechseleinstellung mit ungünstigen HbA1c-Werten verursachen. Manche Patienten leiden unter Herzklopfen, Schwindel und vermehrtem Schwitzen. Angst-Patienten kämpfen typischerweise oftmals gleichzeitig mit Depressionen und Schlafstörungen. Die Ängste verstärken sich, wenn die Patienten Gefahren überschätzen und keine Abwehrstrategien kennen.
Diabetiker-Schulung unverzichtbar
Der Referent betonte, dass auch bei generalisierten Angststörungen neben der medikamentösen Therapie mit SSRI verhaltens- und psychotherapeutische Maßnahmen gute Erfolge erzielen. Zusätzlich hält Kulzer die professionelle Diabetes-Schulung für die Überwindung von Ängsten für unverzichtbar. So lerne der Patient, dass er durch den adäquaten Umgang mit seiner Erkrankung Risiken mindern kann, und akteptiere anschließend das Restrisiko.
»Leiden Patienten mit Diabetes mellitus sehr häufig an Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, könnten diese möglicherweise eine Hypo- oder Hyperglykämie anzeigen«, sagte Dr. med. Christian Lechner, Dachau. So werden zum Beispiel bei einer Unterzuckerung im Hypothalamus Neurone stimuliert, die die Bildung von Orexinen anregen. Diese steigern den Appetit und unterbrechen so den Schlaf. Erst wenn der Diabetes stabil eingestellt ist, kann der Diabetiker wieder gut ein- und durchschlafen.
Insulinresistenz erhöht sich
Häufig sind diabetische Polyneuropathien mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) assoziiert. Der damit verbundene quälende Bewegungsdrang der Beine, selten auch der Arme, tritt vor allem im Liegen und Sitzen auf. Besonders die nächtlichen Beschwerden wirken sich erheblich auf den Schlaf sowie die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit am Tag aus. Die Therapeutika der ersten Wahl sind Arzneimittel mit L-Dopa und Dopaminagonisten wie Ropinirol. Bei Gegenanzeigen, Unverträglichkeiten, unzureichender Wirkung beziehungsweise Verschlechterung der RLS-Symptomatik verordneten Ärzte in ausgewählten Fällen oft auch Opiate, Antikonvulsiva oder Benzodiazepine. Lechner betonte, dass ein gestörter Schlaf bei Diabetikern die Insulinresistenz verstärkt.
Damit verschärft sich das Grundproblem, dass die Zellen nicht mehr empfindlich auf Insulin reagieren. Auch das in Fettzellen gebildete appetit- und gewichtsregulierende »Satthormon« Leptin wirkt nur noch vermindert, so dass übermäßige Hungergefühle unzureichend gebremst werden. Das Ende vom Lied: Die Risikofaktoren für einen pathologischen Glukosestoffwechsel steigen durch die Schlafstörung weiter an.
Gefahr Schlafapnoe
Inzwischen gelte als erwiesen, dass sich auch Diabetes mellitus und das Schlafapnoe-Syndrom wechselseitig verstärken, so der Neurologe und Schlafmediziner. Die Schwere des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms korreliert mit der Schwere der Insulinresistenz. Bei Menschen mit Schlafapnoe ist der freie Luftfluss im Rachenraum gestört, da die Spannkraft der Muskeln nachgelassen hat. Das Ringen nach Luft führt zum lauten Schnarchen.
»Kollabieren« die Atemwege schließlich ganz, wird die Atmung mitunter bis zu einer Minute blockiert. Dabei fällt der Sauerstoffpartialdruck erheblich ab. Die Herzfrequenz und der Blutdruck steigen massiv, und Katecholamine werden ausgeschüttet, die das kardiovaskuläre Risiko mit den Folgen eines Schlaganfalls und kardialer Ischämien noch zusätzlich verstärken.
Therapie der Wahl bei allen schweren Formen der obstruktiven Schlafapnoe ist die nasale Überdrucktherapie. Als besonders geeignet gelten nasale CPAP-Geräte (CPAP = Continuosus positiv airway pressure), also Sauerstoffmasken, die Unregelmäßigkeiten der Atmung erkennen und den Druck entsprechend anpassen. Bei stabiler Atmung wird der Druck reduziert, bei respiratorischen Unregelmäßigkeiten sofort wieder erhöht und so der Verschluss der Atemwege verhindert.
Lechner verwies auf Interventionsstudien, die zeigten, dass die CPAP-Beatmung die diabetische Stoffwechsellage gerade bei Patienten mit ausgeprägter Insulinresistenz rasch und effektiv verbesserte.
Ruhe in Morpheus Armen
Zur Behebung von Schlafstörungen ist die Optimierung der Diabeteseinstellung und die gezielte Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen unumgänglich, resümierte auch Professor Dr. med. Stephan Volk, Hofheim am Taunus. Bei dem zeitlich befristeten Einsatz von Hypnotika müsse der Patient wissen, dass die Einnahme lediglich ein kurzfristiger Versuch sein kann, um den Teufelskreis aus Schlaflosigkeit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit am Tag und verstärkten Schlafstörungen zu durchbrechen. Die Ärzte der Hofheimer Schlafambulanz verordnen vorrangig Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon, in hartnäckigen Fällen kombiniert mit Antidepressiva, zum Beispiel Trimipramin oder Mirtazapin.
Gerade Diabetiker sollten generelle Grundsätze für einen guten Schlaf beachten, so der Referent. Dazu gehören regelmäßige Schlafzeiten, angenehme Schlafbedingungen, Koffein-, Alkohol- und Nikotinkarenz, körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung. Aufklärung über die physiologischen Grundlagen des Schlafes, Selbstmanagement und Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Yoga helfen, Ruhe in Morpheus Armen zu finden.
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