PTA-Forum online
Mundtrockenheit

Wenn die Zunge am Gaumen klebt

25.07.2007  09:10 Uhr

Mundtrockenheit

Wenn die Zunge am Gaumen klebt

Annette Immel-Sehr, Bonn

Aus Stresssituationen kennt sicher mancher einen trockenen Mund. Das ist völlig harmlos und verschwindet von selbst. Manche Menschen kämpfen jedoch dauerhaft mit Mundtrockenheit und den erheblichen Folgen. Sehr häufig sind Arzneimittel die Ursache.

Über die Aufgaben der Speichelflüssigkeit macht sich in der Regel kaum jemand Gedanken. Doch wenn sie fehlt, merkt man plötzlich, wie wichtig sie ist: Speichel hält den Mund feucht und erleichtert das Sprechen, er macht die gekaute Nahrung gleitfähig und fördert die Geschmacksentfaltung. Seine spezielle Zusammensetzung schützt das Zahnfleisch vor Entzündungen und die Zähne vor Demineralisation und Karies.

Speichel besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Dazu kommen Elektrolyte wie Natrium-, Kalium-, Calcium-, Chlorid-, Phosphat- und Bicarbonat-Ionen sowie der Schleimstoff Mucin. Immunglobulin A und das Enzym Lysozym sorgen für die Infektabwehr. Das Enzym Amylase baut schon im Mund die Kohlenhydrate aus der Nahrung ab.

Die Produktion des Speichels erfolgt in den Speicheldrüsen. Die großen Speicheldrüsen sitzen paarweise, das heißt auf jeder Seite eine, unter der Zunge, hinter den Zähnen im Unterkiefer und vor den Ohren. Die kleinen Speicheldrüsen, die insgesamt etwa 10 Prozent des Speichels produzieren, befinden sich auf der Gaumen-, Wangen-, Rachen- und Zungenschleimhaut. Täglich bilden alle Speicheldrüsen zusammen zwischen 0,6 und 1,7 Liter. Etwa ein halber Liter entsteht kontinuierlich über den Tag verteilt durch die Ruhesekretion. Während des Essens wird erheblich mehr Speichel benötigt. Bereits der Anblick und Geruch einer appetitlichen Speise löst als Reflex vermehrte Speichelbildung aus, allein schon der Gedanke an ein leckeres Essen lässt einem »das Wasser im Munde zusammen laufen«. Berührt die aufgenommene Nahrung dann die Mundschleimhaut, setzt verstärkter Speichelfluss ein. Für die Aktivierung der Speichelproduktion ist vor allem der Parasympathikus zuständig. Wenn der Sympathikus in Stresssituationen, zum Beispiel in einer Prüfung, die Oberhand gewinnt, bleibt einem leicht die »Zunge am Gaumen kleben«.

Nicht zu unterschätzen

Ein trockener Mund, so könnte man denken, ist zwar unangenehm, aber doch nicht problematisch. Irrtum! Mundtrockenheit – Ärzte bezeichnen sie als Xerostomie – kann die Lebensqualität erheblich einschränken und zu schmerzhaften Problemen führen. Die Betroffenen berichten über Beschwerden beim Sprechen, Kauen und Schlucken. Die Zunge und die Lippen werden rissig und schmerzen. Die Mundschleimhäute brennen, es entwickeln sich Mundentzündungen und Mundgeruch. Das Essen schmeckt nicht mehr, und Prothesen sitzen schlecht. Unbehandelte Xerostomie führt zu Karies. Im schlimmsten Fall sind die betroffenen Menschen mangelernährt und ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück.

Eine verminderte Speichelproduktion kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel Störungen des Wasserhaushaltes durch ungenügende Flüssigkeitszufuhr oder Fieber. Im Alter lässt die Speichelproduktion natürlicherweise nach. Auch bei verschiedenen Erkrankungen ist Mundtrockenheit eine häufige Begleiterscheinung, beispielsweise bei bestimmten Rheumaformen, Hypertonie, Parkinson und Diabetes mellitus. Außerdem können die Speicheldrüsen selbst erkranken und dann in ihrer Produktionsfähigkeit eingeschränkt sein. In manchen Fällen wurden sie durch eine Strahlentherapie zur Tumor-Behandlung im Kopf- oder Hals-Bereich irreversibel zerstört .

An Nebenwirkung denken

Am häufigsten verursachen jedoch Medikamente die Mundtrockenheit. Eine Fülle von Arzneistoffen vermindert als unerwünschte Wirkung die Speichelproduktion (Tabelle). Dies ist vor allem von Bedeutung, wenn die Patienten die Medikamente über lange Zeit einnehmen müssen. Kommt dann noch eine altersbedingte natürliche Reduktion der Speichelmenge hinzu, werden die Beschwerden erheblich. PTA und Apotheker sollten aufmerksam werden, wenn Patienten über Mundtrockenheit klagen – vor allem, da sich manche Patienten schämen, eine solche »Bagatelle« überhaupt anzusprechen und es eher verklausuliert tun. Möglicherweise gibt es zu dem verordneten Arzneistoff eine Alternative ohne diese Nebenwirkung, den man dem Arzt empfehlen könnte. Manchmal kann man die Patienten auch damit trösten, dass die Mundtrockenheit bei bestimmten Medikamenten nur in der Anfangsphase auftritt und dann wieder verschwindet, zum Beispiel bei Sibutramin, Clonidin oder Moxonidin.

Arzneimittel, die Mundtrockenheit verursachen können

Arzneistoffgruppe Arzneistoffe und beispielhafte Präparate
Antidepressiva Amitriptylin: Amineurin®, Novoprotect®, Saroten®
Doxepin: Aponal®, Mareen®
Imipramin: Pryleugan®, Tofranil®
Moclobemid: Aurorix®
Opipramol: Insidon®
Sertralin: Gladem®, Zoloft®
Trimipramin: Herphonal®, Stangyl®
Spasmolytika Atropin: Dysurgal®
Propiverin: Mictonetten®, Mictonorm®
Trospiumchlorid: Spasmex®, Spasmo-Urgenin®, Trospi®
Zentrales Muskelrelaxans Baclofen: LEBIC®, Lioresal®
Parkinsonmittel Biperiden: Akineton®
Raucherentwöhnungsmittel Bupropion: Elontril®, Wellbutrin®, Zyban®
H1-Antihistaminika Clemastin: Tavegil®
Dimetinden: Fenistil®
Diphenhydramin: Betadorm®, Dolestan®, Vivinox®
Doxylamin: Gittalun®, Hoggar®, Sedaplus®
Loratadin: Lisino®
Mizolastin: Mizollen®, Zolim®
Antihypertonika Clonidin: Catapressan®, Haemiton®
Moxonidin: Cynt®, Physiotens®
Antiadiposita Sibutramin: Reductil®
Lipidsenker Gemfibrozil: Gevilon®
Antiarrhythmika Propafenon: Cuxafenon®, Rytmonorm®
Analgetika Morphin: Capros®, Kapanol®, Sevredol®
Tramadol: Amadol®, Tramal®, Tramundin®
Neuroleptika Perazin: Taxilan®
Promethazin: Atosil®, Closin®, Proneurin®
Sulpirid: Dogmatil®, Meresa®, neogama®

Linderung schaffen

Lassen sich die Ursachen der Xerostomie nicht beheben, lindern spezielle Maßnahmen oder Produkte die Beschwerden. An erster Stelle steht natürlich, ausreichend und häufig zu trinken. Lutschbonbons und Kaugummis regen den Speichelfluss an. Um die Zahngesundheit nicht zusätzlich  zu gefährden, sollten PTA und Apotheker unbedingt zuckerfreie Produkte empfehlen. Ganz wichtig ist auch die gründliche und regelmäßige Zahn- und Mundpflege. Raumluftbefeuchter verbessern zudem die Atemluft. Gegen spröde und rissige Lippen helfen ein Pflegestift oder eine reizlindernde Salbe.

Speichelersatzflüssigkeiten sind dann empfehlenswert, wenn die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichen. Die Produkte der Tabelle lassen sich einfach anwenden, zum Beispiel als Mundspray, und schaffen schnell Linderung. Neben Wasser enthalten sie meist Elektrolyte, Sorbitol oder Xylitol zur Wasserbindung, Konservierungsmittel und unter Umständen auch Aromen. Fluorphosphat soll der Demineralisierung der Zähne entgegenwirken. Einige Produkte ähneln in ihrer Zusammensetzung dem natürlichen Speichel noch mehr: Inhaltsstoffe wie Mucin, Carragenan oder Camellose (eine Zellulose) erhöhen die Viskosität und Wasserbindung und verlängern die Wirkung.

Produkte zur Befeuchtung der Mundschleimhaut

  • Glandosane®
  • Künstlicher Speichel Ptyalin NA
  • Saliva medac®
  • Saliva natura®
  • Saseem®
  • Speichelersatzlösung SR 90 NA
  • SST Lösung NA
  • SST speichelunterstützende Tabletten
  • MP Tüshaus Ptyalin NA

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
ais(at)immel-sehr.de