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Magen- und Darmtrakt

Bauch gut, alles gut

24.06.2011  15:40 Uhr

Von Verena Ruß, Wien / Wohlbefinden beginnt mit einem guten Bauchgefühl. Gerät dies aus dem Gleichgewicht, geht es den meisten Menschen schlecht. Doch wer in Hektik sein Essen verschlingt, womöglich noch ungesunde Fast-Food, verlangt dem Bauch Höchstleistungen ab. Überforderung und Rebellion bleiben dann meist nicht aus.

»Bauchbeschwerden sind ein häufiges und immer wichtiger werdendes Beratungsthema in der Apotheke«, erläuterte Dr. Ursula Hagedorn, Apothekerin und Seminartrainerin aus Brühl, während der Pressekonferenz der Firma Boehringer in Wien zum Thema »Bauchgesundheit im Fokus – Blickpunkt Magen und Darm«. Nicht zuletzt sei dieses Thema aufgrund der vielfältigen Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten eine regelmäßige Herausforderung für das pharmazeutische Personal.

Zwar verursachen vielfach Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Reizdarmsyndrom, Magen-Darm-Infekte, aber auch psychische Belastungen die Beschwerden, doch im Einzelfall könnten auch schwerwiegendere Erkrankungen ähnliche Probleme auslösen, was die Kompetenz von PTA oder Apotheker überschreitet. Daher sind genaues Zuhören und gezieltes Fragen im Beratungsgespräch so wichtig, zum Beispiel:

  • Wie fühlen sich die Beschwerden an? Sind sie akut oder treten sie schon länger auf?
  • Wo genau haben Sie die Beschwerden? Im Ober- oder Unterbauch?
  • Was haben Sie gegessen? Reagieren Sie nach bestimmten Nahrungsmitteln besonders heftig?
  • Haben Sie weitere Erkrankungen?
  • Welche Arzneimittel nehmen Sie ein?
  • Stehen Sie derzeit unter außergewöhnlichem Stress?

Der Fragenkatalog ist lang, dennoch sind diese Fragen essenziell für eine kompetente Beratung. »Insbesondere bei gleichzeitig auftretendem Fieber, Gewichtsabnahme oder plötzlichen starken Schmerzen ist eine dringende ärztliche Abklärung notwendig«, warnte die Apothekerin. Ebenso sollte der Patient bei immer wiederkehrenden Beschwerden mit unklarer Ursache einen Arzt aufsuchen.

Unverträgliche Nahrungsmittel

»Auffallend ist, dass seit einiger Zeit die Zahl der Nahrungsmittelunverträglichkeiten stark zunimmt. In Deutschland sind derzeit schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung davon betroffen – Tendenz steigend«, erklärte Professor Dr. An­dreas de Weerth, Internist am Agaplesion Diakonieklinikum in Hamburg. Nahrungsmittelunverträglichkeiten müssen aber strikt von den echten, wesentlich selteneren Nahrungsmittelallergien (1 bis 2 Prozent der Bevölkerung) abgegrenzt werden, obwohl die Symptome wie Bauchkrämpfe, Völlegefühl, Flatulenz und Durchfall durchaus gleich sein können.

Bei der klassischen Nahrungsmittelallergie führt ein Allergen, zum Beispiel ein Protein der Sojabohne, aus Fisch oder Milch, zu einer überschießenden Immunreaktion, die unter Umständen lebens­gefährlich sein kann. Bei Nahrungsmittel­unverträglichkeiten werden Bestandteile der Nahrung nur unvollständig abgebaut und im Dünndarm nicht resorbiert, weil Enzyme fehlen oder sich die Darmschleimhaut lokal entzündet hat. Dazu der Internist: »Gelangen diese Reste dann in den Dickdarm, werden sie dort von den Bakterien der Darmflora umgesetzt. Gase entstehen, die die Darmwand aufdehnen. Die Darmwandmuskulatur beginnt zu krampfen, was zu Schmerzen führt. Langfristig können daraus Entzündungen der Darmwand resultieren, die weiterhin die Krampfneigung fördern. Ein Teufelskreis entsteht, der unterbrochen werden muss.«

Für Patienten mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ist es wichtig, den Auslöser zu identifizieren und die entsprechenden Lebensmittel vom Speiseplan zu streichen. De Weerth riet dazu, ein Bauchschmerz-Tagebuch zu führen, um die Zusammenhänge besser zu erkennen.

Teufelskreis aus Krampf und Schmerz

Schmerzhafte Krämpfe erzeugen stets den stärksten Leidensdruck. »Die Verspannung muss gelöst und die Muskulatur wieder gelockert werden«, postulierte de Weerth. Butylscopolamin habe sich dabei in den letzten Jahrzehnten als Mittel der Wahl etabliert. Es wirkt, indem es mit Acetylcholin an den Synapsen um den Rezeptorplatz konkurriert und so die Aktivität der sich kontrahierenden Darmmuskelzellen herabsetzt. Auf diese Weise entspannt die Muskulatur, und die natürliche Peristaltik kann sich wieder einstellen.

Bei starken Schmerzen könne der Patient Butylscopolamin mit einem Schmerzmittel (meist Paracetamol) kombinieren. So wird der Teufelskreis aus Verspannung beziehungsweise Krampf und Schmerzen unterbrochen und eine schnellere Linderung herbeigeführt.

»Schätzungsweise jede fünfte Frau und jeder siebte Mann leidet unter Verstopfung«, informierte Professor Dr. Joachim F. Erckenbrecht, Gastroenterologe der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf. Vermutlich sei die Dunkelziffer durchaus höher.

Entgegen des bisherigen Irrglaubens hätten aktuelle Studien gezeigt, dass weder Ernährungsfaktoren wie ein geringer Ballaststoffgehalt der Nahrung, noch zu geringe Flüssigkeitszufuhr oder zu geringe körperliche Aktivität für die Verstopfung verantwortlich sind. »Die Beschwerden rühren wohl meist aus noch bisher unzureichend geklärten Störungen des in der Darmwand gelegenen Nervensystems«, erklärte der Internist. Also bräuchten die Patienten somit eine medikamentöse ­Behandlung, die das Darmnervensystem stimuliert und die Passage normalisiert, so Erckenbrecht. Kaum eine Arzneimittelgruppe ist mit so vielen Vorurteilen behaftet wie die Laxanzien. Abführmittel machen abhängig und schädigen mehr, als dass sie helfen, so ein langjähriges Credo von Medizinern in Wissenschaft und Praxis, sogar die Förderung der Krebsentwicklung wurde vermutet.

Paradigmenwechsel gefordert

Nach Ansicht des Internisten sollten die neuen Studien zu einem Paradigmenwechsel führen. Zwei aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Wirkstoffe Bisacodyl und Natriumpicosulfat bei täglicher, bestimmungsgemäßer Einnahme wirksam, gut verträglich und sicher sind – auch in der Dauertherapie.

Trotz dieser neuen Erkenntnisse bleibt es notwendig, dass PTA oder Apotheker die Patienten bei der Abgabe des Arzneimittel umfassend über die richtige Dosierung und die Einnahme informieren und beraten. Gegen die anfängliche Befangenheit der Betroffenen, über das unangenehme Thema zu sprechen, helfe der Hinweis, wie weit verbreitet das Problem Verstopfung in der Bevölkerung ist. Begleitende Tipps zu Ernährung, Bewegung und Trinkverhalten beheben die Verstopfung zwar in den seltensten Fällen, unterstützen die Therapie aber sinnvoll, wenn die Betroffenen sich zu wenig bewegen, zu wenig trinken und zu ballaststoffarm ernähren.

»Es ist also Zeit umzudenken«, zog Erckenbrecht ein Fazit der Veranstaltung. »Bei korrekter Anwendung spricht nicht gegen die dauerhafte Anwendung von Natriumpicosulfat oder Bisacodyl.« /

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