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Sportverletzungen

Geprellt, verstaucht, umgeknickt

24.06.2011  13:56 Uhr

Von Maria Pues / Wer nach einer Sportverletzung sofort handelt, ist schneller wieder fit und beugt möglichen Langzeitfolgen vor. Für den Fall einer Verletzung sollten Freizeitsportler geeignete Arzneimittel und Verbandmaterial in der Sporttasche parat haben. Mit einigen Präparaten können sie zudem ihr Risiko für langfristige Folgen vermindern.

Meist geht es ganz schnell: Der Fuß knickt um, weil man eine kleine Vertiefung im Boden übersehen hat, der Verteidiger trifft das gegnerische Schienbein statt den Ball oder man fällt ungeschickt. Schätzungen zufolge kommen solche unliebsamen Ereignisse rund zwei Millionen Mal pro Jahr vor. Obwohl sie meist glimpflich abgehen, sollte man sie nicht unterschätzen. Wer sie leichtfertig übergeht, riskiert auf lange Sicht Funktionseinschränkungen des betroffenen Gelenks oder Muskels. In jedem Fall steht schnelles Handeln an erster Stelle. Und: Auch die sinnvolle Nachbehandlung verkürzt die Krankheitsdauer und beugt Folgeschäden vor.

 

Was im verletzten Gewebe passiert

Selbst bei Unfällen ohne Muskel- oder Bänderriss und ohne Knochenbruch verändert sich die innere Struktur von Muskel oder Gelenk. Wird zum Beispiel der Muskel gezerrt, entstehen Mikroverletzungen in seiner Faserstruktur. Sportler erkennen diese bereits ohne aufwändige Diagnose: Mikroverletzungen bereiten starke Schmerzen. Deren Ursache ist die vermehrte Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen und gefäßaktiven Substanzen im Innern des betroffenen Körperteils. Meist bleiben eine Schwellung und eine Bewegungseinschränkung nicht aus. Selbst bei leichten Verletzungen kommt es zu einer Zerstörung von Zellen, deren Trümmer die Entzündungsreaktion verstärken.

 

Werden zusätzlich feine Kapillargefäße verletzt, kann es zu Mikroeinblutungen kommen, äußerlich als Bluterguss zu erkennen. Fachleute gehen davon aus, dass die Grenze zwischen der normalen Reaktion der Muskulatur auf eine Belastung und einer nachweislichen Verletzung fließend ist. Daher kann man nur schwer festlegen, wo die Folgen einer Belastung aufhören und eine Verletzung anfängt.

 

PECH hilft schnell

Am besten erfolgt die Sofortversorgung der Sportverletzungen nach der PECH-Regel. PECH steht für Pause, Eis, Compression und Hochlagern.

 

  • Pause: Verletzte sollten die sportliche Betätigung unverzüglich beenden und den verletzten Körperteil möglichst ruhigstellen. Jede weitere Belastung sollten sie vermeiden sowie eine erste Untersuchung vornehmen beziehungsweise vornehmen lassen.
  • Eis: Kühlung sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße verengen. Das kann Gewebeschäden, Blutergüsse sowie Flüssigkeitsansammlungen, die zu Schwellungen führen, bis zu einem gewissen Grad vermindern. Aber Vorsicht: Eisbeutel und Kältepacks nie direkt auf die Haut legen, da sonst ein Kälteschaden droht. Auf diese vermeintliche Selbstverständlichkeit sollten PTA oder Apotheker Kunden hinweisen.
  • Compression: Auch ein rechtzeitig angelegter Druckverband trägt dazu bei, dass Blutungen und Schwellungen sich nicht weiter ausbreiten.
  • Hochlagern: Der verletzte Körperteil sollte möglichst über Herzhöhe gelagert werden. Das erleichtert den Rückfluss des Blutes, beugt Schwellungen vor und vermindert Schmerzen.

Tipps für das Beratungsgespräch

  • Eisbeutel und Kältepacks niemals direkt auf die Haut legen.
  • Angepasst trainieren! Vor allem nach der Winterpause langsam starten und die Belastung peu à peu steigern. Falscher Ehrgeiz schadet.
  • Für Kunden, die Homöopathie bevorzugen, zu Arnica D6 raten.
  • Enzympräparate eine halbe Stunde vor oder eine Stunde nach den Mahlzeiten mit mindestens einem Viertelliter Wasser einnehmen.
  • Bei enzymhaltigen Produkten auf magensaftresistente Zubereitung achten.
  • Enzyme nur unter ärztlicher Kontrolle für – Schwangere oder stillende Mütter, – Patienten mit Störungen der Blutgerinnung oder Einnahme von blutgerinnungshemmenden Mitteln, – Patienten mit erheblichen Funktionsstörungen von Leber und/oder Nieren

 

Schmerzen bekämpfen

Weitere Behandlungsmaßnahmen richten sich nach den Beschwerden. Treten Schmerzen auf, so lassen sich diese durch nicht-steroidale Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen akut lindern. Schmerzfreiheit sollte jedoch nicht dazu verleiten, den verletzten Körperteil verfrüht zu belasten. In den ersten ein bis zwei Tagen ist es ratsam, diesen weiterhin zu schonen und hochzulagern. Sportmediziner verordnen nicht-steroidale Antiphlogistika bei Muskelverletzungen häufig sehr zurückhaltend, um die Wahrnehmung des Heilungsverlaufs nicht zu verschleiern. Daneben gilt es, Gegenanzeigen, Wechsel- und Nebenwirkungen, nicht zuletzt die eingeschränkte Magenverträglichkeit, zu berücksichtigen.

 

Möchten Kunden ihre Beschwerden homöopathisch behandeln, können PTA oder Apotheker ihnen Arnica D6 empfehlen. Auch lokale Maßnahmen können helfen: Heparin-Salben oder -Gels mindern Blutergüsse und Schwellungen. Zubereitungen mit Ibuprofen, Diclofenac oder Beinwell sowie Umschläge mit Arnika-Tinktur lindern Schmerzen.

Eine weitere Therapieoption besteht in der zusätzlichen Einnahme von Enzympräparaten, möglichst zeitnah zur Verletzung. Je früher die durch die Verletzung in Gang gesetzten Prozesse gestoppt werden, umso kürzer die Genesungszeit. Studien haben gezeigt, dass Schwellungen und Entzündungen umso schneller zurückgingen, je eher der Verletzte die Enzympräparate einnahm. Ausreichend hoch dosiert vermindern proteolytische Enzyme die Freisetzung von Entzündungs- und Phagozytose-Botenstoffen. Das Schmerzgeschehen beeinflussten sie jedoch nicht, was bei Muskelverletzungen allerdings kein Nachteil sein muss. So kann der Betroffenen den Heilungsverlauf besser beurteilen. Und: Häufig lassen die Schmerzen nach kurzer Zeit ohnehin von selbst nach. Zudem verbesserten die Enzympräparate die Fließeigenschaften des Blutes. Dies ermöglicht eine normale Durchblutung auch der kleinen Gefäße, was den Heilungsverlauf ebenfalls unterstützt.

 

Enzympräparate enthalten zumeist Bromelain, ein Gemisch aus zwei Enzymen, die aus der Ananaspflanze sowie deren Frucht gewonnen werden. Bromelain kommt laut Zulassung bei »akuten Schwellungszuständen nach Operationen und Verletzungen, insbesondere der Nase und der Nebenhöhlen« zum Einsatz. Daneben enthalten einige Produkte auch Papain oder Trypsin sowie das Flavonoid Rutosid. Rutoside dienen ebenfalls der Behandlung von Venenerkrankungen. Sie dichten Kapillargefäße ab, wodurch Schwellungen zurückgehen.

 

Magensaftresistent verpackt

Wie alle Eiweißverbindungen werden auch Enzyme üblicherweise vom sauren Magensaft zersetzt. Daher müssen sie in Form magensaftresistenter, dünndarmlöslicher Tabletten oder Dragees verarbeitet werden. Damit diese die Magenpassage unbeschadet überstehen, sollten Patienten sie eine halbe Stunde vor oder eine Stunde nach den Mahlzeiten und mit mindestens einem Viertelliter Flüssigkeit einnehmen. So wird gewährleistet, dass die Tabletten den Magen schnell wieder verlassen und sich erst im Dünndarm auflösen.

Übersicht über magensaftresistente Enzympräparate (Auswahl)

Präparat Zusammensetzung Status
Astrozym Pankreatin, Trypsin, Chymotrypsin, Bromelain, Papain, Rutin Nahrungsergänzungsmittel
Bromelain POS® Bromelain Arzneimittel
EnzyMax® K Papaya- und Ananasextrakt und -pulver, Citrus-Flavonoide, Sojabohnenkonzentrat, Paradiesnussmehl, Vitamine H und K1 Diätetisches Lebensmittel
Karazym® Bromelain, Pankreas-Pulver, Trypsin, Chymotrypsin, Triacylglycerollipase, Amylase, Papain, Proteasen, Rutosid Diätetisches Lebensmittel
Phlogenzym® Bromelain, Trypsin, Rutosid Arzneimittel
Phlogenzym® mono Bromelain Arzneimittel
Philozym Bromelain, Trypsin, Rutosid Nahrungsergänzungsmittel
Proenzym Bromelain, Papain, Rutin Diätetisches Lebensmittel
Traumanase® Bromelain Arzneimittel
Wobenzym P Bromelain, Papain, Rutosid Arzneimittel
Wobenzym plus Bromelain, Trypsin, Rutosid Arzneimittel

Ob so große Proteinmoleküle wie Enzyme im Dünndarm überhaupt resorbiert werden können, diskutierten Wissenschaftler lange Zeit heiß. Dieser Streit ist inzwischen zugunsten der Resorption entschieden. Auf die Frage, ob und wie Enzyme vom Darm in den Blutkreislauf gelangen, gibt es bereits seit einiger Zeit Erklärungsansätze. Inzwischen kennt man Mechanismen, die diesen Vorgang plausibel machen. So werden zum Beispiel große Moleküle durch Persorption und Pinozytose aktiv aus dem Darmlumen in den Blutkreislauf transportiert. Im Gegensatz dazu erfolgt die Resorption der kleinen Nährstoffmoleküle durch passive Diffusion zur Seite mit der niedrigeren Konzentration hin. Welche molekularen Abläufe hinter den verschiedenen Wirkungen proteolytischer Enzyme stecken, ist derzeit allerdings noch ungeklärt.

 

Unverträglichkeit selten

Für die Anwendung von Enzymen gibt es nur wenige Gegenanzeigen: Schwangere und Stillende sollten diese Präparate sicherheitshalber nicht einnehmen, ebenso Patienten mit Gerinnungsstörungen oder unter einer Therapie mit Antikoagulanzien (zum Beispiel Marcumar®) oder Thrombozytenaggregationshemmern (zum Beispiel Aspirin®). Auch Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sollten ohne ärztlichen Rat keine Enzympräparate verwenden. Und: Wer auf Ananas allergisch reagiert, könnte bei der Verwendung von bromelainhaltigen Präparaten mit einer Unverträglichkeit reagieren. Als Nebenwirkungen traten nur gelegentlich Darmunverträglichkeiten wie Stuhlveränderungen, Blähungen oder Völlegefühl auf.

 

Ob Sportler von der vorbeugenden ­Anwendung enzymhaltiger Arznei- oder Nahrungsergänzungsmittel profitieren, scheint unter Fachleuten noch nicht entschieden. Zwar weisen manche Studien darauf hin, allerdings haben einige davon methodische Mängel. So fehlt zum Beispiel die Kontrolle durch eine Placebo-Gruppe. Berufs- und Leistungssportler in Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko berichten von positiven Erfahrungen, so zum Beispiel manche Eishockeyspieler. Hier gilt es abzuwägen: Ein Hobby-Jogger ist sicherlich deutlich weniger verletzungsgefährdet, Fußballer trifft es dagegen auch im Freizeitsport häufiger. /

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