Weniger ist mehr |
24.06.2011 15:35 Uhr |
Von Andrea Gerdemann / Für jede Frau ist es selbstverständlich, ihren Intimbereich täglich zu reinigen. Allerdings neigen manche zu übertriebener Hygiene. Dies schadet mehr, als es nützt.
Der pH-Wert der Haut liegt bei etwa 5,5 und ist damit leicht sauer. Deutlich stärker sauer ist das Scheidenmilieu: Hier liegt der pH-Wert zwischen 3,8 und 4,4. Dafür sorgen Milchsäurebakterien, indem sie Glykogen zu Milchsäure abbauen. Wie viel Glykogen entsteht, hängt von der Estrogenkonzentration im Vaginalepithel ab. Bei niedrigem Estrogenspiegel, zum Beispiel in der Kindheit und nach den Wechseljahren, nimmt mit der Glykogenmenge auch die Zahl an Milchsäurebakterien auf dem Vaginalepithel ab, und der pH-Wert steigt.
Den Intimbereich sollten Frauen mit Wasser oder speziellen Produkten reinigen. Duschbäder stören oft die natürliche Säureschutzbarriere dieser Körperregion.
Foto: Bayer Vital GmbH
Milchsäurebakterien werden auch Laktobazillen oder Döderlein-Bakterien genannt, denn der Frauenarzt Albert Sigmund Gustav Döderlein (1860 bis 1941) gilt als ihr Entdecker. Laktobazillen bilden den Hauptanteil der Keime auf einem gesunden Vaginalepithel. Dort befinden sich zwar meist auch fakultativ pathogene Mikroorganismen wie Streptokokken, seltener auch Pilzsporen, allerdings nur in sehr geringer Anzahl.
Bei den meisten Infektion vermehren sich die pathogenen Keime, die sich bereits in der Vagina befinden; selten dringen neue Erreger in die Vagina ein. Das saure Milieu in der Vagina ist ein wichtiger Schutz gegen das Wachstum von Bakterien. Nur bei einem pH-Wert unter 4,5 geben Epithelzellen Stickstoffmonoxid (NO) ab und können Makrophagen NO sezernieren. Stickstoffmonoxid wirkt viruzid und bakterizid, verhindert also, dass sich pathogene Keime vermehren und ausbreiten.
Immer wieder fragen Kundinnen in der Apotheke nach speziellen Reinigungsprodukten für den Genitalbereich. Diese Frauen müssen PTA oder Apotheker sensibel beraten. In der Regel reicht es vollkommen aus, wenn Frauen ihren Intimbereich einmal am Tag mit klarem, lauwarmem Wasser waschen. Nach dem Sport, Sex oder starkem Schwitzen ist es sinnvoll, sich noch einmal zu reinigen. Dagegen erhöht die Frau ihr Risiko für Infektionen, wenn sie die Hygiene übertreibt und sogar Seife oder andere aggressive Reinigungsmittel verwendet. Waschaktive Tenside können langfristig die natürlich vorhandene Säureschutzbarriere zerstören.
Reicht der Kundin Wasser allein nicht aus, können PTA oder Apotheker ihr einige Produkte für die Intimwäsche empfehlen (siehe Beispiele im Kasten). Geeignete Reinigungsprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf einen niedrigen pH-Wert eingestellt sind, nur sehr milde Tenside und in der Regel Milchsäure enthalten. Einigen Produkten sind hautberuhigende oder entzündungshemmende pflanzliche Extrakte oder isolierte Inhaltsstoffe zugesetzt, beispielsweise aus Salbei, Thymian, Kamille, Calendula oder Lavendel. Präparate für junge Frauen sind auf einen niedrigen pH-Wert eingestellt und Produkte für Frauen in oder nach den Wechseljahren auf einen höheren.
Reinigungsprodukte mit Milchsäure (Beispiele) |
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Canesten® gyn Sensicare Milde Waschlotion oder Waschschaum |
Eucerin® Intim-Schutz Waschfluid |
Lactacyd® femina Waschemulsion |
Vagisan® Intimwaschlotion |
Nach dem Waschen sollten die Frauen sich immer sorgfältig abtrocknen. Bei gereizter Haut helfen spezielle Lotionen, Salben und Cremes. Diese Präparate eignen sich auch, um Entzündungen vorzubeugen. Vor allem nach einer Intimrasur profitieren Frauen davon. Auch Kundinnen mit besonders trockener Haut, zum Beispiel in und nach den Wechseljahren oder mit Neurodermitis, empfinden das Nachfetten der Haut im äußeren Genitalbereich mit speziellen Präparaten (beispielsweise mit Vagisan® FeuchtCreme) als wohltuend. Die wasserfreie Deumavan®-Intimpflege Salbe bildet eine Schutzschicht analog der natürlichen Hautfettung und wirkt dadurch möglichen Infektionen entgegen.
Achtung Waschlappen
Auf Waschlappen zur Intimhygiene sollten Frauen ganz verzichten. Wer sie mehrfach verwendet und in der Zwischenzeit im Bad zum Trocknen aufhängt, fördert damit das Keimwachstum: Auf dem Lappen siedeln sich Mikroorganismen an, die beim nächsten Waschvorgang in die Scheide eindringen. Möchte die Frau nicht auf ihren Waschlappen verzichten, soll sie ihn nach dem einmaligen Gebrauch in der Waschmaschine bei mindestens 60 Grad Celsius waschen oder Einmalwaschlappen verwenden.
Foto: Fotolia/Brigitte Bonaposta
Auf jeden Fall abraten müssen PTA oder Apotheker von Scheidenspülungen! Das Innere der Scheide sollen Frauen grundsätzlich nie waschen. Scheidenspülungen zerstören die natürliche Schutzflora der Vagina und trocknen die Schleimhäute aus, sodass sich pathogene Mikroorganismen leicht ausbreiten können.
Auch Intimsprays oder -deos sollten Frauen nicht benutzen. Enthaltene Duft- und Konservierungsstoffe können die Haut reizen oder sensibilisieren und später zu einer Allergie führen. Den gleichen Prozess können parfümierte Feuchttücher oder feuchtes Toilettenpapier anstoßen.
Slips, Tampons und Co.
Im Beratungsgespräch können PTA oder Apotheker Kundinnen mit häufigen Vaginalinfekten folgende Tipps geben: Sie sollten ihre Unterwäsche täglich wechseln und möglichst Slips aus Baumwolle oder atmungsaktiven Fasern tragen. Synthetische Dessous genauso wie Slipeinlagen mit einer Plastikfolie verursachen einen Wärme- und damit Feuchtigkeitsstau. Mazeriert die Haut, neigt sie verstärkt zu Entzündung und Infektion. Den gleichen negativen Effekt bewirken auch eng anliegende Hosen oder Nylonstrumpfhosen. Lockere Kleidung lässt der Haut dagegen Luft, sodass sie noch »atmen« kann. Unparfümierte Slipeinlagen mit einem hohen Baumwollanteil und ohne Plastikfolie können die Frauen hingegen verwenden.
Besonders wichtig ist die Intimhygiene während der Menstruation: Tampons oder Binden sollten Frauen alle 4 bis 6 Stunden, spätestens nach 8 Stunden wechseln. Sonst fördern sie als Nährboden für Bakterien und Pilze deren Vermehrung. Gegen Ende der Monatsblutung sollten Frauen auf kleinere Tampons umsteigen, da zu große Tampons dann zu viel Scheidensekret aufsaugen und so die Schleimhäute austrocknen. Das macht die Frauen wiederum anfälliger für Infektionen.
Auch die Wahl des Toilettenpapiers ist für die Intimpflege bedeutend: Raues Toilettenpapier mit einem hohen Holzfaseranteil reizt die empfindliche Genitalhaut und führt zu Entzündungen. Nach dem Toilettengang tupfen Frauen am besten die Scheidengegend behutsam trocken, um die Haut vor Mikroverletzungen zu schützen. Ein sehr probates Mittel ist auch das Fetten des Bereichs rund um den After vor dem Stuhlgang, um Hautbeschädigungen zu vermeiden. Wer nach dem Stuhlgang den Afterbereich säubert, muss darauf achten, nur nach hinten hin abzuwischen. Damit verhindert die Frau, dass sie Darmbakterien in die Scheidenregion verschleppt.
String-Tangas gelten zwar als sexy, sind aber leider auch eine Gefahrenquelle für Vaginalinfekte. Tatsächlich entstehen durch String-Tangas Hautschädigungen im Anogenitalbereich, von geringerer Bedeutung sind »Transportphänomene« der Keime vom Anus Richtung Scheide.
Whirlpools sollten Frauen, die zu häufigen Vaginalinfektionen neigen, besser meiden und beim Besuch der Sauna sich stets auf ein eigenes Handtuch setzen. Nach dem Schwimmen sollten sie die nasse Badekleidung schnellstmöglich wechseln. Im Kasten auf Seite 16 finden sich noch einmal Tipps für die Intimhygiene in zusammengefasster Form.
Immer wieder Infekte
Zeigt sich bei Frauen eine erhöhte Anfälligkeit für vaginale Infekte, kann dies verschiedene Ursachen haben. Neben übertriebener oder mangelhafter Intimhygiene, dem Absinken des Hormonspiegels aufgrund der Wechseljahre können sich auch chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus dahinter verbergen. In manchen Fällen schwächen beruflicher und privater Stress sowie Schlafstörungen das Immunsystem, und die betroffenen Frauen neigen vermehrt zu Infektionen des Intimbereiches. Problematisch kann auch die Einnahme von Arzneimitteln sein: Muss die Frau beispielsweise ein Antibiotikum aufgrund eines Infekts einnehmen, schwächt das oft die Vaginalflora und öffnet den pathogenen Mikroorganismen »Tür und Tor«.
60 Prozent der jungen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren rasieren ihre Intimregion vollständig, 30 Prozent in Teilen, so lautet das Ergebnis einer Befragung von knapp 2500 Frauen, die »The Journal of Sexual Medicine« im Jahr 2010 veröffentlichte. Um den Intimbereich zu enthaaren, gibt es verschiedene Methoden. Jede Frau wird selbst entscheiden, mit welcher Methode sie am besten zurechtkommt.
Sicherlich bevorzugen die meisten Frauen die Nassrasur. Zu Problemen kann es verstärkt nach der erstmaligen Rasur kommen sowie nach längeren Pausen. Wenige Tage später entstehen dann Entzündungen, Pusteln oder es wachsen Haare ein, selten bilden sich sogar Abszesse. Aus hygienischen Gründen sollte die Frau nicht den Rasierer des Partners benutzen. Ist die Klinge neu und damit scharf, erleichtert das den Schnitt und minimiert die Gefahr von Haarwurzelentzündungen, da die Klinge die Haare schneidet und nicht ausreißt oder -rupft. Wichtig: nur in Wachstumsrichtung der Haare rasieren. Bei Elektrorasierern ist zwar die Verletzungsgefahr geringer, dafür rasieren sie nicht so gründlich wie Nassrasierer.
Enthaarungscremes sind eine Alter- native zur Rasur, reizen allerdings empfindliche Haut oder lösen Allergien aus. Am besten testet die Kundin die Produkte vorher an einer kleinen Hautstelle.
Neuerdings werden immer häufiger Laserbehandlungen oder eine Stromepilation zur Haarentfernung angepriesen. Mit diesen Techniken werden die Haare dauerhaft entfernt, weil die Haarwurzeln durch diese Behandlung zerstört werden. In der Regel bieten Kosmetikzentren oder Hautärzte solche Behandlungen an.
Kennt die Frau das Problem bereits von einer Antibiotikumeinnahme aus früheren Zeiten oder neigt sie generell zu Vaginalinfektionen, können ihr PTA oder Apotheker vorbeugend ein Präparat mit Milchsäure empfehlen. Auf dem Markt erhältlich sind Vaginalzäpfchen, -tabletten oder Applikatoren mit einer Gelzubereitung. Durch die Zufuhr der Milchsäure stellt sich der natürliche pH-Wert wieder ein. Das schützt nicht vor Pilzen.
Alternativ dazu können Frauen auch Produkte mit gefriergetrockneten Milchsäure-Bakterien in die Scheide einbringen, um so die pathogenen Keime in Schach zu halten. Die Laktobazillen gibt es in Vaginalkapseln, -zäpfchen, -ovula oder -tabletten (das Präparat ist verschreibungspflichtig, wenn es zusätzlich Estriol enthält).
In der Regel werden alle Produkte einmal täglich angewendet, am besten abends vor dem Schlafengehen. Damit das Präparat möglichst tief in die Scheide gelangt, sollte die Frau auf dem Rücken liegen und ihre Beine leicht anziehen. Die normale Therapiedauer beträgt eine Woche.
Bei Schwangeren und Stillenden ist die Therapie mit Laktobazillen zwar unbedenklich, sollte aber in Absprache mit dem Gynäkologen erfolgen. Wer vorbeugen will, sollte auf ein Milchsäure-Natriumlaktat-Gemisch zurückgreifen, um den pH-Wert zu optimieren. Während der Menstruation ist weder die Anwendung von Milchsäure noch von Laktobazillen sinnvoll und sollte in diesem Zeitraum unterbrochen werden.
Fragen Frauen in der Apotheke wiederholt nach Präparaten gegen einen Vaginalinfekt, sollten sie einen Frauenarzt aufsuchen, damit dieser eine Grunderkrankung ausschließt.
Sauberkeit für das starke Geschlecht
Auch Männer sollten die Intimhygiene nicht übertreiben. Im Prinzip gelten für sie die gleichen Regeln wie für Frauen, das heißt, sie sollen keine aggressiven Reinigungsmittel wie Kernseife, Intimsprays oder -deodorants anwenden, möglichst nur atmungsaktive Unterhosen und keine zu eng anliegenden Hosen tragen.
Nach dem Baden, Schwimmen oder Duschen sollen Männer den Genital-bereich gut abtrocknen. Unbeschnittene Männer müssen insbesondere die Haut unter der Vorhaut täglich reinigen. Mangelt es hier an Hygiene, können Männer ihre Freundinnen beziehungsweise Frauen anstecken und so Auslöser für rezidivierende Vaginalinfektionen sein. /