Die stille Schaltzentrale |
23.03.2015 10:53 Uhr |
Von Katja Renner / Die Schilddrüse steuert wichtige Stoffwechselvorgänge. Unter Funktionsstörungen dieses Organs leiden in Deutschland viele Menschen, und das oft unerkannt, weil die Beschwerden zunächst eher unspezifisch sind.
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) wird wegen ihrer äußeren Form auch als Schmetterlingsorgan bezeichnet. Sie befindet sich unterhalb des Kehlkopfs vor der Luftröhre.
Wichtige Diagnosemethode: Das Unterschallbild macht deutlich, ob sich Schilddrüsengewebe vermehrt hat.
Foto: Shutterstock/Alexander Raths
Die Schilddrüse eines Erwachsenen wiegt durchschnittlich 18 bis 60 Gramm. Ihre Hauptaufgaben sind die Iodspeicherung und Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3), sowie des Peptidhormons Calcitonin, auch Thyreocalcitonin genannt. Erstere werden an den Membranen der Follikelepithelzellen, den Thyreozyten gebildet. Im überwiegenden Maße entsteht dort die Speicherform Thyroxin, die in der Leber zur eigentlichen Wirkform Triiodthyronin deiodiert wird. Eine gesunde Schilddrüse produziert täglich etwa 100 μg T4 und 11 μg T3. Das in der Schilddrüse gebildete Polypeptid Calcitonin ist an der Regulation des Calcium-Phosphat-Haushalts beteiligt und hemmt unter anderem die Aktivität der Knochen abbauenden Osteoklasten.
Schilddrüsenhormone steuern viele Stoffwechselvorgänge und fördern die körperliche Aktivität: Sie erhöhen die Körpertemperatur und den Blutdruck, beschleunigen den Herzschlag, kurbeln den Grundumsatz an, indem sie den Glucose- und Lipidstoffwechsel beeinflussen, und fördern ebenfalls die Darmmotilität. Schilddrüsenhormone sorgen auch für die Aktivierung von Schweiß- und Talgdrüsen.
Regulation über das Gehirn
Der Regelkreis zwischen Hypothalamus und Hypophyse in Gehirn und Schilddrüse steuert sehr genau, wie viel Schilddrüsenhormone produziert und freigesetzt werden. Auf diese Weise sorgt der Körper dafür, dass immer die richtige Menge an Hormonen vorhanden ist, um wichtige Stoffwechselfunktionen zu sichern.
Der Kreis beginnt damit, dass aus dem Hypothalamus das Thyreotropin-Freisetzungshormon (TRH) an die Hypophyse abgegeben wird. Diese bildet auf den Impuls hin das Thyreoidea stimulierende Hormon (TSH), das die Schilddrüse zur Bildung von T4 und T3 und zur Aufnahme von Iod anregt. Hohe Konzentrationen im Blut hemmen nach dem Prinzip der negativen Rückkopplung die Ausschüttung von TRH und TSH. Sinken die Blutspiegel, werden die übergeordneten Zentren wieder zur Produktion stimuliert.
Im Gehirn steuern Hypothalamus und Hypophyse sehr genau, ob die Schilddrüse Hormone produziert und welche Menge sie bildet. Steigt die Konzentration der Hormone im Blut, wird die weitere Freisetzung über einen Rückkopplungsprozess gestoppt.
Darüber hinaus stimulieren weitere Faktoren wie psychische oder physische Belastung und die Körpertemperatur die Sekretion von TRH, Ruhe hingegen hemmt die Ausschüttung.
TRH = Thyreotropin-Freisetzungs(Releasing)-Hormon
TSH = Thyreoidea stimulierendes Hormon
Ohne Iod geht es nicht
Iod ist ein essenzielles Spurenelement, ohne das die Schilddrüse ihre Funktionen nicht erfüllen kann. Iodmangel kann zu schweren Erkrankungen führen, wenn die Schilddrüsenhormone nicht ausreichend gebildet werden. Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern werden dann geistige und körperliche Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt. Wie viel Iod ein Mensch täglich braucht, hängt von seinem Alter, der Ernährung und besonderen Lebensumständen, zum Beispiel einer Schwangerschaft, ab. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt gesunden Erwachsenen die tägliche Zufuhr von 180 bis 200 μg. Hauptquellen für Iod sind See- und Meeresfische – aber auch Milchprodukte.
Die Strukturformeln machen deutlich: Iod wird für die Bildung der Hormone dringend gebraucht. Grafik: Mathias Wosczyna
Noch bis vor 20 Jahren zählte Deutschland zu den Iodmangelgebieten. Die Einführung der iodierten Speisesalze hat die durchschnittliche Iodversorgung der Menschen in Deutschland verbessert. Um den erforderlichen Bedarf zu decken, sollten dennoch Milchprodukte und zweimal wöchentlich Seefisch auf dem Speiseplan stehen. Patienten mit einer Schilddrüsenüberfunktion sollten mit ihrem Arzt besprechen, wie viel Iod sie über Lebensmittel zuführen dürfen.
Schilddrüsenerkrankungen
Zahlreiche Beschwerden lassen sich ursächlich auf Funktionsstörungen der Schilddrüse zurückführen, wie Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) und Struma (Schilddrüsenvergrößerung). Mediziner unterscheiden subklinische und manifeste Funktionsstörungen. Bei subklinischen Veränderungen liegen die Blutwerte der freien Schilddrüsenhormone noch im Normbereich, während die Konzentration des Schilddrüsenstimulierenden Hormons erniedrigt oder erhöht ist. Bei manifesten Ausprägungen liegen auch die T4- und T3-Werte außerhalb der Norm. Typische Zeichen einer Unterfunktion sind Müdigkeit, depressive Verstimmung, Gewichtszunahme, ausgeprägtes Kälteempfinden, Verstopfung, Bradykardie und Libidoverlust. Aus einer latenten Hypothyreose kann sich ein manifestes Iodmangelstruma entwickeln, das auch äußerlich sichtbar wird. Schon bei Neugeborenen überprüfen Ärzte die Schilddrüsenhormonspiegel, indem sie zwischen dem fünften und siebten Lebenstag Blut aus der Ferse entnehmen. Zu hohe TSH-Werte sind Anzeichen für eine Hypothyreose und werden behandelt, um Entwicklungsstörungen zu verhindern.
Unter den Folgen einer Unterfunktion der Schilddrüse leiden in Deutschland besonders viele über 50-Jährige. Diese hat oft ihre Ursache in einer Unterversorgung mit Iod, infolge eines Schilddrüsentumors oder einer entzündlichen Schilddrüsenerkrankung (Hashimoto-Thyreoditis). Hashimoto ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem das Schilddrüsengewebe als körperfremd identifiziert und zerstört. So werden immer weniger Schilddrüsenhormone produziert, bis das Gewebe irgendwann gar nicht mehr arbeitet. Häufig dauert es lange, bis ein Arzt die Diagnose stellt, da die Betroffenen zu Beginn sehr unterschiedliche, relativ unspezifische Beschwerden äußern. Meist wird eine Hashimoto-Thyreoditis erst dann erkannt, wenn der Betroffene die für eine Hypothyreose typischen Symptome schildert.
Seit dem 9. Dezember stehen L-Thyroxin und die Kombination aus L-Thyroxin und Kaliumiodid auf der Substitutionsausschlussliste der Substanzen, die nicht mehr in der Apotheke ausgetauscht werden dürfen, auch nicht, wenn kein aut-idem-Kreuz gesetzt ist und/oder ein Rabattvertrag besteht. Darüber hinaus darf das Instrument »Pharmazeutische Bedenken« nicht angewandt werden. Sollte die Verordnung des Arztes unklar sein, also nur die Angabe des Wirkstoffs enthalten, muss der Arzt ein neues Rezept ausstellen, aus dem das Präparat eindeutig hervorgeht.
Schilddrüsenhormone werden im Mikrogramm-Bereich angewendet und schon geringe Schwankungen in der Freisetzung oder Bioverfügbarkeit haben für den Patienten meist spürbare Auswirkungen.
Hyperthyreosen treten seltener auf. Sie werden über erhöhte Serumspiegel von T4 und T3 diagnostiziert. Klassische Symptome der Betroffenen sind Gewichtsabnahme trotz hoher Kalorienzufuhr, Nervosität, Muskelschwäche, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen und übermäßiges Schwitzen. Eine typische Erkrankung, die mit einer Überfunktion einhergeht, ist der Morbus Basedow. Bei dieser Autoimmunstörung binden die vom Körper gebildeten Autoantikörper an den Rezeptor für TSH. Die Follikelepithelzellen der Schilddrüse werden stimuliert, vermehrt Iod aufzunehmen und nachfolgend mehr T4 und T3 zu produzieren. Begleitet werden diese Vorgänge durch ein Wachstum des Schilddrüsengewebes und Kropfbildung. Äußerliches Kennzeichen der Patienten mit Morbus Basedow sind die hervortretenden Augäpfel.
Hyperthyreosen kommen außerdem beim benignen autonomen Schilddrüsenadenom und beim toxischen nodulären Struma vor. Bei den autonomen gutartigen Knoten werden Areale in der Schilddrüse nicht mehr von Hypophyse und Hypothalamus kontrolliert. Daher bilden sie ziellos überschüssige Schilddrüsenhormone.
Manche Medikamente bringen die Schilddrüse »aus dem Tritt«, zum Beispiel das Antiarrhythmikum Amiodaron oder Lithium. Amiodaron enthält organisch gebundenes Iod, das bei der Metabolisierung in der Leber freigesetzt wird. Ist der Körper bereits ausreichend mit Iod versorgt, kann es zu einer Iodintoxikation kommen, die paradoxerweise eine Hypothyreose auslöst.
Patienten mit autonomen Schilddrüsenarealen droht die Gefahr einer übermäßigen Produktion von Hormonen und ihnen drohen die mit einer Hyperthyreose verbundenen Nebenwirkungen. Lithium hemmt die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und begünstigt so eine Unterfunktion. Eine bestehende Hyperthyreose kann sich verstärken, wenn parallel dazu vermehrt Iod zugeführt wird, zum Beispiel bei der Anwendung von iodhaltigen Kontrastmitteln oder iodhaltigen Desinfektionsmitteln. Da die Kontrastmittel bei einigen Röntgenuntersuchungen eingesetzt werden, sollten Patienten mit einer Schilddrüsenerkrankung den Röntgenarzt darüber informieren. Iodhaltige Desinfektionsmitteln haben insbesondere dann Einfluss auf die Schilddrüse, wenn diese großflächig eingesetzt werden oder die Hautbarriere noch nicht ausreichend gut ausgebildet ist – wie bei Säuglingen.
Therapie des Struma
Die häufigsten Medikamente zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen sind Schilddrüsenhormone zur Substitution, zum Beispiel bei einer Unterfunktion oder zur Behandlung eines Iod-Mangelstrumas. L-Thyroxin wird im Körper in die Wirkform T3 umgewandelt. Aufgrund der Stabilität und höheren Halbwertszeit werden mit L-Thyroxin gleichmäßigere Wirkspiegel erreicht als bei der direkten Gabe von T3. Insbesondere bei einer Neuverordnung sollten PTA oder Apotheker auf die korrekte Einnahme hinweisen, damit das Arzneimittel optimal wirken kann: Die Patienten sollten L-Thyroxin morgens 30 Minuten vor der Mahlzeit mit Leitungswasser einnehmen, um die Bioverfügbarkeit zu sichern. Polyvalente Kationen, zum Beispiel Calcium in Milch und Milchprodukten oder Magnesium, können die Bioverfügbarkeit stark reduzieren.
Am besten schon als Kind gelernt: Iodsalz sichert die ausreichende Versorgung mit dem wichtigen Spurenelement.
Foto: Fotolia/Kzenon
Stellen PTA oder Apotheker allerdings im Beratungsgespräch fest, dass der Patient die Tablette immer morgens mit dem Frühstück einnimmt und der Arzt die Dosis ausreichend hoch eingestellt hat, sollten sie ihm nicht zur Umstellung auf die Nüchterneinnahme raten, um Überdosierungen zu vermeiden. Im Zweifelsfall sollten sie den Arzt in die Überlegungen mit einbeziehen. Schwangere, die auf L-Thyroxin eingestellt sind, sollten die Medikation unbedingt fortführen. Um den zusätzlichen Bedarf des Ungeborenen abzudecken, erhöhen Frauenärzte häufig sogar die Dosis und passen diese nach der Geburt wieder an. Schwangeren und Stillenden ohne eine Schilddrüsenfunktionsstörung sollte generell die Supplementierung von Iodid empfohlen werden (siehe auch: Schwangerschaft: Komplikationsrisiken vermindern).
Therapie bei Hyperthyreose
Patienten mit einer Überfunktion der Schilddrüse wie bei Morbus Basedow erhalten Thyreostatika. Substanzen wie Thiamazol, Carbimazol oder Propyluracil sorgen dafür, dass die Schilddrüse weniger Hormone bildet, indem sie die Umwandlung von Iodid zu Iod durch die Iod-Peroxidase hemmen. Häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind allergische Hautreaktionen und gastrointestinale Beschwerden. Sehr selten, aber gefährlich ist die Agranulozytose, die mit grippeähnlichen Symptomen beginnt. Thyreostatika nehmen die Patienten meist nur einen begrenzten Zeitraum ein, zum Beispiel wenn die Zeit bis zu einer Operation überbrückt werden muss. Führt die medikamentöse Behandlung nicht zum gewünschten Erfolg, wird gestörtes Schilddrüsengewebe mit der Radioiodtherapie zerstört oder chirurgisch entfernt. Anschließend müssen die Patienten ein Leben lang Schilddrüsenhormone einnehmen. /
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