Freie Bahn für die Gesundheit |
23.03.2015 10:54 Uhr |
Von Oliver Ploss / Das Lymphsystem des menschlichen Körpers ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems: Es dient der Abwehr von Krankheitserregern und Fremdpartikeln sowie krankhaft veränderten Zellen wie Tumorzellen. Für die Naturheilkunde ist das Lymphsystem ein wichtiger therapeutischer Ansatzpunkt.
Das Lymphsystem besteht aus den sogenannten lymphatischen Organen und den Lymphgefäßen, die die Lymphflüssigkeit transportieren und in enger Verbindung zum Blutkreislauf stehen. Die Lymphgefäße spielen zudem eine wichtige Rolle beim Transport von Nahrungsfetten.
Foto: Shutterstock/Dabarti CGI
Lymphatische Organe
Prinzipiell unterscheidet man zwischen primären und sekundären lymphatischen Organen. In den primären lymphatischen Organen reifen die Lymphozyten heran: Dies sind der Thymus für die T-Lymphozyten und das Knochenmark für die B-Lymphozyten. Zu den sekundären lymphatischen Organen zählen die Milz, die Lymphknoten, die Mandeln, der Wurmfortsatz des Blinddarms und das lymphatische Gewebe im Dünndarm, die sogenannten Peyer-Plaques. Hier treffen die Lymphozyten mit den entsprechenden Antigenen zusammen und es beginnt eine spezifische Abwehrreaktion.
Die zahlreichen Lymphgefäße entspringen aus dem Bindegewebe. Sie sammeln die im Zwischengewebe befindliche (interstitielle) Flüssigkeit und führen sie den Blutgefäßen zu. Hierzu bilden die Lymphkapillaren in fast allen Organen ein dichtes Netz. Auf diesem Weg gelangt die aus dem Interstitium aufgenommene Lymphe in größere Lymphgefäße und dann weiter über den großen Brustlymphgang in die oberen Hohlvenen. Im Unterschied zu den Blutkapillaren können Lymphkapillaren die sogenannten lymphpflichtigen größeren Moleküle und Zellen wie Eiweiße, langkettige Fette, Lymphozyten, Leukozyten, Erythrozyten, Makrophagen, Krebszellen, Farbpartikel und körperfremde Zellen aufnehmen und abtransportieren. Denn Lymphkapillaren sind komplett anders aufgebaut als Blutkapillaren.
Lymphe besteht zu 97 Prozent aus Wasser einschließlich Elektrolyte, Proteine und Chylomikronen und zu 3 Prozent aus weißen Blutkörperchen, vor allem Lymphozyten. Im Vergleich zum Blutplasma enthält die Lymphe weniger Eiweiß und Sauerstoff und keine roten Blutkörperchen. Daher ist sie wasserklar bis milchig. Sie entsteht, wenn die kleinen Haargefäße des Blutkreislaufs Blutplasma und weiße Blutkörperchen in das Gewebe abgeben. Dort nehmen die Lymphkapillaren diese auf und leiten sie zu den Lymphgefäßen weiter. So gelangt die Lymphe schließlich wieder ins Blut, aus dem sie stammt. Auf dem Weg durch das Gewebe wurde die Lymphe jedoch mit den Abbauprodukten des Gewebes sowie mit anderen Materialien beladen, die potenziell krank machen. Daher wird sie vor dem Übertritt ins Blut in den sogenannten Lymphknoten filtriert. Bei diesen wichtigen Reinigungsorganen handelt es sich um rundliche, ovale oder bohnenförmige Gebilde mit einem Durchmesser von 2 bis 20 Millimetern.
Ähnlich wie die Venen besitzen auch Lymphgefäße ventilartige Klappen, die ein Zurückfließen der Lymphe in die Kapillaren verhindern. Und ebenso wie bei den Venen hängt auch die Flüssigkeitsbewegung in den Lymphgefäßen hauptsächlich von den Kontraktionen der Skelettmuskulatur ab, die dadurch wie eine Pumpe wirkt.
Darüber hinaus helfen rhythmische Kontraktionen der Lymphangione (Lymphherzen), die interstitielle Flüssigkeit in die Lymphkapillaren zu ziehen. Als Lymphangion bezeichnen Ärzte einen Lymphgefäß-Abschnitt zwischen zwei Klappen. In Ruhephasen kontrahieren die Lyphangione ein bis zehn Mal pro Minute, bei maximaler Belastung bis zu 20 Mal pro Minute. Durch eine manuelle Drainage und intermittierende Kompression können die Lymphangione sogar 60 Mal pro Minute kontrahieren. Naturheilkundlich orientierte Therapeuten empfehlen, Lymphdrainagen nicht unbedingt trocken zu machen, sondern sogenannte Lymphsalben zuhilfe zu nehmen.
Das Lymphgefäßsystem des Darms hat die zusätzliche Aufgabe, den größten Teil der von der Darmschleimhaut aufgenommen Fette abzutransportieren. Nach einer Mahlzeit sind diese Gefäße daher nicht mit gewöhnlicher Lymphe gefüllt, sondern mit einer Emulsion aus Fetten, Chylus genannt. Die Lymphknoten des Darms bilden zusammen mit den wichtigsten Bakterien der Darmflora, den Leitkeimen wie Lacto,- Bifido- und E. coli-Bakterien die Peyer-Plaques beziehungsweise das Mucosa-assoziierte lymphatische Gewebe (MALT).
Lymphe und Bindegewebe
Unbestritten haben chronische Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Naturheilkundlich orientierte Therapeuten berücksichtigen die regulierende Funktion des Bindegewebes. Sie orientieren sich an der sogenannten Grundregulation bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen. Aus Sicht der Schulmedizin gibt es für diese Theorie keine ausreichende Evidenz. Dies gilt auch für die nachfolgend vorgestellte Konstitutionstherapie und Irisdiagnostik. Da sie aber von Naturheilkundlern häufig angewendet und von Patienten nachgefragt werden, werden sie in diesem Beitrag erläutert.
Dass biologische Systeme einem offenen Fließgleichgewicht unterliegen und mit ihrer Umgebung Energie und Materie austauschen, formulierte Alfred Pischinger im Jahr 1975. In seinem »System der Grundregulation« schrieb er dem Bindegewebe jegliche Regulationsfunktion im Körper zu. Damit Zellen und Grundgewebe perfekt zusammenspielen können, bedarf es laut Pischinger einer konstanten Ionenkonzentration sowie eines bestimmten pH-Wertes. Außerdem hängt es nach Pischingers Auffassung von der stofflichen Belastung des Bindegewebes ab, wie gut Zellen ver- beziehungsweise entsorgt werden. Je mehr dieses vom Sol-Zustand in den Gel-Zustand übergeht, zum Beispiel durch »Verschlackung«, desto weniger gut kann das Bindegewebe seine Aufgaben erfüllen. Zudem entspringt aus dem interstitiellen Raum auch das lymphatische System mit seiner Doppelfunktion: Stoffwechselendprodukte abzutransportieren und immunkompetente Zellen bereitzustellen. Damit das Bindegewebe, das den ganzen Körper durchzieht, perfekt arbeiten kann, sind Ausleitungsmechanismen notwendig. Hierbei spielen die klassischen Ausleitungsorgane Leber, Niere, Darm und Lymphe die Hauptrolle. Wenn das »Grundregulationsfass« durch Dauerbelastung mit Stoffwechselendprodukten (»Schlacken« oder Toxinen) überläuft, kann aus Sicht naturheilkundlich orientierter Therapeuten sehr schnell ein entzündlicher oder degenerativer Prozess sowie ein Tumor entstehen.
Bei der manuellen Lymphdrainage versucht der Physiotherapeut mit gezielten Bewegungen Lymphstauungen aufzuheben.
Foto: Ullrich Mies
Konstitutionstherapie
Unter Konstitution verstehen naturheilkundlich orientierte Therapeuten die individuelle Ganzheit eines einzelnen Menschen, die in der Erbanlage begründet ist. Die Konstitution als Summe aller angeborenen Eigenschaften wird jedoch durch viele Faktoren beeinflusst, insbesondere Umweltfaktoren. Diese können sich auf die Konstitution und auch auf die Krankheitsanfälligkeit des Organismus sowohl positiv als auch negativ auswirken. Dazu zählen beispielsweise Arbeit, Ernährung, Klima beziehungsweise Strahlenbelastung, Unfälle und Medikamente. Auf starke Reize reagiert das individuell schwächste Organ krankhaft, wobei die krankmachende Reizschwelle von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch ist.
Der Ort dieser Reaktion wird in der Naturheilkunde als Schwachstelle (Locus minoris resistentiae), die Anfälligkeit des Organismus als Disposition bezeichnet. Jede ererbte oder erworbene Bereitschaft des Organismus an bestimmten Organen oder Organsystemen zu erkranken, nennen Naturheilkundler Diathese.
Die lymphatische Konstitution eines Patienten bestimmen Naturheilkundler zum Beispiel über die Irisfarbe im Rahmen einer Irisdiagnostik. Insbesondere Menschen mit blauen Augen, heller Haut und blonden Haaren neigen zu Lymphatismus. Bei ihnen kommt es zum Beispiel häufig zu:
Bei solchen Patienten ist es deshalb wichtig, bei jeglichen Infekten und Entzündungen ein Lymphmittel einzusetzen (siehe Kasten). Naturheilkundlich orientierte Therapeuten empfehlen Lymphmittel unter anderem Patienten mit Hauterkrankungen, Infekten im Hals-Nase-Ohren-Bereich, parallel zu oder nach einer Chemo- und Strahlentherapie, vor oder nach einem zahnärztlichen Eingriff sowie zur Unterstützung einer Schmerztherapie. /
Dr. rer. nat. Oliver Ploss, Ibbenbüren, Heilpraktiker und Apotheker für Homöopathie und Naturheilverfahren, Lehrbeauftragter für Homöopathie und Naturheilkunde an der Universität Münster, Fachbereich Pharmazie