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Plausibilitätsprüfung

Harnstoff in Kühlsalbe

23.03.2015  10:53 Uhr

Von Ingrid Ewering / Dermatologen verordnen Rezepturen mit Harnstoff aus unterschiedlichen Gründen. In höheren Konzen­trationen wirkt Urea hauterweichend (keratoplastisch) bis haut­auf­lösend (keratolytisch). In niedrigerer Konzentration bindet er Wasser und pflegt die Haut. Die Kosmetikindustrie bewirbt Urea deshalb als natürliches Feuchthaltemittel (natural moisturizer). Welche Überlegungen sind nötig, wenn Harnstoff in Kühlsalbe (Unguentum leniens) eingearbeitet werden soll?

Grundsätzlich gilt es, unter galenischen Aspekten zunächst zu betrachten, ob eine Suspension oder eine Lösung entstehen wird. Enthält die Grundlage Wasser, liegt der einst kristalline Arzneistoff oft molekular dispers vor. Gelöster Harnstoff zerfällt mit der Zeit in Ammoniak und Kohlendioxid. CO2 als Gas kann Aluminiumtuben aufblähen. NH3 tritt in Wechselwirkung mit der Wasserphase und verschiebt den ursprünglichen pH-Wert je nach Reak­tionsbedingungen extrem in basische Bereiche.

Cave: Bei der Herstellung der Rezepturen auf Wärmeanwendung verzichten, weil dies den Zerfall beschleunigen würde. Obwohl die Zubereitung während des Lösungsvorganges abkühlt (endotherme Reaktion) ist dies nicht notwendig! Außerdem muss die Rezeptur gepuffert werden, wenn sie basenempfindliche Substanzen enthält. So verhindert zum Beispiel Lactatpuffer zwar nicht die Zerfallsreaktion, er fixiert jedoch den pH-Wert auf 4,2. Dadurch bleiben basenlabile Arzneistoffe sowie saure Konservierungsmittel stabil.

 

Rezepturbeispiel

In der Apotheke gibt die Mutter der zweijährigen Margot ein Rezept ihres Hautarztes ab (siehe Rezept). Wie immer erkundigt sich die PTA, aus welchem Grund der Arzt diese Rezeptur verordnet hat (Therapieziel). Die Mutter erklärt, dass ihr Kind unter Neurodermitis leidet. Vor gut zwei Wochen musste sie die Zweijährige sogar mit Cortison behandeln. Nun habe ihr der Arzt vorbeugend diese Creme zur Pflege und Regeneration verordnet. Doch noch immer juckt die Haut von Margot stark, sodass sie sich ständig kratzt.

 

Auf diese Information reagiert die PTA sofort und fragt, ob die Kleine manche Stellen aufgekratzt hat. Die Mutter verneint. Die PTA ist beruhigt, denn bei Margot ist der sogenannte Stinging-Effekt, also das brennende Hautgefühl nach Auftragen harnstoffhaltiger Zubereitungen auf verletze Haut, nicht zu befürchten. Für Kinder unter zwei Jahren mit ihrer extrem empfindlichen Haut wäre diese Rezeptur kontraindiziert.

 

Anschließend erklärt die PTA der Mutter, die verordnete Grundlage sei recht zäh und ließe sich nicht so gut verteilen. Da sie beim Auftragen Wasser freisetzt, mildert die Verdunstungskälte den lästigen Juckreiz. Der Fettanteil von Unguentum leniens pflegt die Haut und macht sie glatt und geschmeidig. Zwar empfinden manche Anwender den Fettfilm als lästig, doch bindet er zusammen mit dem Arzneistoff die Feuchtigkeit langfristig. Gerade Kindern mit Veranlagung zu atopischer Haut fehlt der natürliche Feuchtigkeitsbinder. Durch regelmäßige Anwendung Urea-haltiger Zubereitungen werden Harnstoff-Speicher aufgefüllt. Abschließend gibt die PTA der Mutter den Tipp, die Zubereitung nach dem Duschen oder kurzem Baden bei maximal 39 °C aufzutragen. Dann sei die Haut mit Wasser gesättigt und der Effekt verstärke sich.

 

Kühlsalbe DAB 10

Kühlsalbe DAB 10 ist frei von Konservierungsstoffen und Emulgatoren. Das macht sie zu einer bevorzugten Grundlage in der Kinderheilkunde. Cave: Im Handel gibt es auch eine DAB 6 Ware mit anderer Zusammensetzung. Das DAB 10 erlaubt den Zusatz von Antioxidanzien, um die Fettbestandteile zu schützen. Die Kühlsalbe ist so länger haltbar. Bei Zusatz von Butylhydroxytoluol, Tocopherol oder Tocopherolacetat liegt der pH-Wert zwischen 5 bis 6. Ein Großhandel stabilisiert mit dem Fertigantioxidans Oxynex® 2004. Durch saure Bestandteile des Fertigproduktes sinkt der pH-Wert weiter auf 3 bis 3,5.

 

Manche Großhändler verzichten auf den Stabilisierungszusatz wegen des starken Allergie auslösenden Potenzials. Ohne Oxidationsschutz liegt der rezeptierbare pH-Bereich zwischen 2 bis 12. Die anderen Bestandteile von Unguentum leniens sind weder basen- noch säureempfindlich (siehe Tabelle). Die Grundlage im Kühlschrank zu lagern, verhindert ebenfalls, dass die enthaltenen Fette und Öle ranzig werden. Gekühlte Grundlagen lassen sich meist erst bei Raumtemperatur verarbeiten. Denn nur in geschmeidigem Zustand sind Wirkstoffe homogen verteilbar und oder lösen sich in angemesser Zeit.

DAB 10 DAB 6
Unguentum leniens DAB 10 enthält Rosenöl Unguentum leniens DAB 6 Kühlsalbe stabilisiert,
Gelbes Wachs 7,0 g Weißes Wachs 7,0 g
Cetylpalmitat 8,0 g Cetylpalmitat 8,0 g
Raffiniertes Erdnussöl 60,0 g Mandelöl 59,75 g
Gereinigtes Wasser 25,0 g Gereinigtes Wasser 25,1 g

Die Wasserphase wurde bei Herstellung der Kühlsalbe lediglich rein mechanisch stabilisiert. Allerdings bricht die Creme, sobald Scherkräfte auf sie einwirken, beispielsweise beim Verstreichen auf der Haut oder bei hochtourigem Mischen mit elektrischen Rührsystemen. Die dann auftretenden Zerr- und Zugkräfte zerstören die Emulsion.

 

Verträgt sich das?

Bei der Plausibilitätsprüfung wird geschaut, ob sich Wirkstoff und Grundlage vertragen. Als emulgatorfreies System enthält Kühlsalbe keine Anionen oder Macrogole, sodass hier keine Reaktionen stattfinden werden.

 

Beim Abgleich der rezeptierbaren pH-Fenster fällt auf, dass diese bei Abwesenheit von Antioxidanzien fast identisch sind (2 bis 12). Harnstoff ist in Wasser sehr leicht löslich (50 Prozent), sodass in der Regel bei wasserhaltigen Rezepturen Lösungssysteme entstehen. In einstelliger Harnstoffkonzentration bleibt die Kühlsalbe laut Untersuchungen des NRF vier Wochen stabil. Länger wurde nicht geprüft, da lipophile Cremes ohne Konservierung in Spenderkruken oder Aluminiumtuben nicht länger verwendbar sind. Doch muss gepuffert werden? Nein! Das ist nur bei basenempfindlichen Inhaltsstoffen nötig. Dies ist der Fall bei saurer Konservierung, zum Beispiel mit Sorbinsäure. Kühlsalben mit dem sauren Antioxidans Oxynex® nehmen wahrscheinlich in der Kombination mit Harnstoff Schaden. Tipp: Im Zweifel Kühlsalbe ohne Oxidationsschutz einsetzen.

Dokumentation

Laut ApBetrO müssen die Herstellungsparameter dokumentiert werden. Dabei kommt der Wirkstoffeinwaage besondere Bedeutung zu, denn sie ist qualitätsbestimmend. In vielen Apotheken wird ab 1 g Wirkstoff die Rezepturwaage benutzt. Die Analysenwaage mit den 4 Stellen nach dem Komma garantiert jedoch auch für größere Wirkstoffmengen die genauere Einwaage. Analysenwaagen wiegen bis zu einer Gesamtbelastung (Wirkstoff plus Einwaagegefäß) ≤ 50 g auf 0,001 g (also 1 mg) genau. Dies ist der Eichwert e, auch Verkehrsfehlergrenze genannt. Damit ist gemeint, dass der Wägefehler einer jeden Waage begrenzt sein muss, damit die Waage verkehrsfähig ist. Die Verkehrsfehlergrenze von Rezepturwaagen liegt bei 0,1 g (100 mg) und gilt bis zu einer Gesamtbelastung ≤ 500 g. Das bedeutet: Die Einwaage wird um 2 Kommastellen ungenauer.

 

Die Arzneibücher geben für jeden Wirkstoffgehalt eine prozentuale Unter- und Obergrenze an. Laut Monograpie Ph.Eur.8 ist Harnstoff verkehrsfähig mit einem Gehalt von 98,5 bis 101,5 Prozent sowie einem Trocknungs verlust von maximal 1 Prozent. Das Analysenzertifikat des Herstellers gibt folgende Werte an: Gehalt: 99 Prozent, Trocknungsverlust: 1 Prozent.

 

Vielen ist bekannt, dass ab einer Gehaltsminderung um 2 Prozent ein Einwaagekorrekturfaktor zu berücksichtigen ist. Augenscheinlich muss nicht korrekturgerechnet werden, da der gehalt 99 Prozent beträgt. Dieses Vorgehen ist in unserem Beispiel leider falsch! Der Trocknungsverlust bedingt zusätzlichen Wirkungsverlust. Da Harnstoff 1 Prozent Wasser auf der Kristalloberfläche absorbiert, beträgt die Trockenmasse lediglich 99 Prozent. Die Berechnung (1/0,99) ergibt somit den Einwaagekorrekturfaktor von 1,010. Der vom Hersteller angegebene Gehalt von 99 Prozent wurde von der getrockneten Substanz bestimmt. Folglich muss noch einmal korrekturgerechnet werden: (1,010/0,99). Der errechnete Wert von 1,020 ist auf dem Harnstoff-Standgefäß zu notieren. Durch Multiplikation mit der laut Rezept geforderten Menge sind nicht 5,0000, sondern 5,1000 g Arzneistoff mit einer 1-prozentigen Abweichung einzuwiegen. Dies kann nur mit einer Analysenwaage ausreichend genau erfasst werden. Zeitsparender Tipp: Benutzen Sie die Exeldatei des NFR unter Tools (CD-Rom oder Online). Alle Werte ≥ 1,020 sind zu berücksichtigen.

In der Literatur wird empfohlen, bei lipophilen Cremes Harnstoff in Wasser gelöst einzusetzen. Kühlsalbe als Quasiemulsion bricht jedoch, wenn die Wasserphase erhöht wird. Der grobkristalline Harnstoff kann problemlos auf die vorgelegte Grundlage gestreut werden. Aufgrund der sehr guten Wasser­löslichkeit »sucht« sich der Arzneistoff die hydrophile Phase. Dafür braucht man lediglich Geduld! In der Fantaschale verursachen die noch ungelösten, groben Feststoffanteile ein Kratzgeräusch.

 

Da Lösungsvorgänge Zeit brauchen, bitte Rührpausen einlegen. Dies gilt auch für elektrische Rührsysteme. Da Kühlsalbe scherempfindlich ist, muss bei geringer Umdrehungszahl hin und wieder vorsichtig gemischt werden. Noch ein Praxistipp: Bei Einsatz des Ungua­tor® den schmalen Einwegrührer benutzen, mit dem Standardflügelrührer kann die Kühlsalbe brechen.

 

Haltbarkeit

Aus hygienischen Gründen sind als Primärpackmittel nur Spenderkruken und Aluminiumtuben erlaubt. Auf der Rezeptur sind laut ApBetrO alle Bestandteile bis auf den Wirkstoff mit deutscher Bezeichnung ordnungsgemäß zu deklarieren. Auch der Zusatz »ad« 100 g muss durch »zu« ersetzt werden. Gerne wird vergessen, die Abgabemenge mit »Inhalt: 100 g« zu wiederholen.

 

Falls eine Grundlage mit Antioxi­danzien verarbeitet wurde, muss der Stabilisator auf dem Etikett vermerkt werden. Die Verwendbarkeitsfrist der Rezeptur muss mit Tag, Monat und Jahr angegeben werden. Die 28 Tage müssen zum Herstellungsdatum addiert werden. /

Rezeptur-Videos

Rezepturprobleme? PTA-Forum hilft in kurzen, aber sehr informativen Videos auf YouTube weiter – von der Herstellung von Kapseln oder Gels bis hin zum richtigen Wiegen oder wie man Inkompatibilitäten vermeidet.

→ zu den Rezeptur-Helfern auf Video

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