PTA-Forum online
Schmerztherapie

Kälte und Wärme gegen Schmerzen

23.03.2015  10:53 Uhr

Von Ernst-Albert Meyer / Wer sich an der Hand verbrannt hat, hält diese spontan unter kaltes Wasser. Besorgte Eltern legen ihrem Kind bei Bauchschmerzen eine Wärmflasche auf. Dass Wärme oder Kälte gegen Schmerzen hilft, wussten die Menschen schon in der Antike. Auch heute noch zählt diese physikalische Therapie zu den wichtigsten Hausmitteln.

Der menschliche Organismus ist ständig bemüht, seine Grundtemperatur von ungefähr 37 ºC konstant zu halten. Denn bei höheren oder niedrigeren Temperaturen arbeiten die Organe nicht mehr einwandfrei und auch Stoffwechselvorgänge sind gestört. Daher reagiert der Körper auf Kälte- beziehungsweise Wärmereize immer mit einem Regulationsvorgang. Gesteuert werden diese Prozesse vor allem über die Haut: Sie ist durchzogen von zahl­losen kleinen Blutgefäßen, deren Durchblutung das vegetative Nervensystem reguliert. Ist es kalt, verengen sich die Hautgefäße durch Aktivierung des Sympathikus. Damit nimmt die Hautdurchblutung ab – die Haut erscheint blasser – und der Körper gibt weniger Wärme über die Haut ab. Bei warmen Außentemperaturen dagegen erweitern sich die Gefäße durch Abnahme der Sympathikusaktivität. Dies bewirkt, dass der Körper über die Haut Wärme verliert und damit ein Kühl­effekt erzeugt wird.

Dieses Grundprinzip des Organismus erkannte unter anderem Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) und nutzte es für seine Hydrotherapie, indem er zum Beispiel durch einen Kaltwasserguss einen kurzen Kältereiz auf die Haut setzte. Damit fungiert die Haut quasi als Schaltstelle zwischen dem Reiz und der Reaktion des Organismus.

Bedeutung der Head-Zonen

Darüber hinaus ist es möglich, durch physikalische Reize auf bestimmte Hautareale zielgerichtet die Funktion einzelner Organe zu beeinflussen. Diesen Zusammenhang bemerkte der englische Arzt Henry Head (1861–1940) zum ersten Mal. Head erkannte, dass bei Erkrankungen der inneren Organe diejenigen Hautgebiete schmerzen, die von den Nerven des gleichen Rückenmarksegments versorgt werden. In der Folge ordnete er bestimmte Organe bestimmten Hautzonen zu – den Head-Zonen, auch Head’sche Zonen genannt, da diese Hautpartien über Nervenleitungen mit den entsprechenden Organen verbunden sind (siehe Grafik). Heads Erkenntnisse werden heute in der Medizin nicht nur als Hilfe in der Diagnose von Krankheiten, sondern auch zielgerichtet in der physikalischen Therapie eingesetzt, unter anderem in der Kälte- oder Wärme­therapie, bei Akupunktur, Akupressur und Massage.

Schmerz und Kälte

Auf schädliche Einflüsse der verschiedensten Art (Noxen) reagiert der Organismus meist mit einer Entzündung. Bei dieser komplexen Reaktion laufen eng vernetzt vaskuläre, zelluläre sowie unspezifische und spezifische Abwehrreaktionen ab. Auf diese Weise will der Körper die Noxe ausschalten oder zumindest ihre Wirkung begrenzen. Oft gelingt es ihm so, die Noxe aus dem Körper zu entfernen, zum Beispiel indem er Schadstoffe abbaut oder Krankheitserreger vernichtet. Zu den wich­tigen Auslösern einer Entzündung zählen physikalische Noxen wie Prellungen, Verstauchungen, Quetschungen und Verbrennungen, bei denen Gewebe zerstört wird, aber auch Krankheitserreger, Chemikalien und Fremdkörper. Jede Entzündung geht mit körperlichen Beschwerden einher, typischerweise mit Schmerzen, Rötung, Schwellung, Überwärmung sowie einer Funktionsstörung des betroffenen Gewebes oder Organs. Ausgelöst werden diese Beschwerden meist durch Botenstoffe (Mediatoren), die im geschädigten Gebiet freigesetzt werden.

Das einfachste Mittel, das zum Beispiel bei einer Prellung meist sofort zur Verfügung steht, ist kaltes Wasser. Schnell angewendet kann es den Entzündungsprozess in Grenzen halten und die Schmerzen deutlich lindern (siehe Kasten). Sportmediziner verwenden immer häufiger Kältesprays, denn diese wirken sehr schnell.

Außerdem hat sich Kälte bei Patienten mit entzündlichen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, Weichteilrheumatismus und spastischen Muskelverspannungen bewährt. Eine Kurzzeitbehandlung sollte drei bis fünf Minuten, eine Langzeitbehandlung immer länger als fünf Minuten betragen. Je nach Dauer der Anwendung erreicht die Kälte auch die unter der Haut liegenden Gewebe sowie die Muskeln oder Gelenke.

Außer kaltem Wasser haben sich auch Eiswürfel und Kryopacks bewährt. Diese dürfen nie direkt auf die Haut gelegt werden, sondern es sollte sich immer ein Tuch dazwischen befinden. Löst die Kälte auf der Haut Schmerzen aus, muss die Behandlung sofort unterbrochen werden. Dann droht ein Kälteschaden, dessen erstes Anzeichen blasse, wächserne Haut ist.

Wärme als Mittel der Wahl

Auch wenn sie noch keine Beschwerden verspüren, lassen sich bei fast allen Menschen über 40 erste arthrosebedingte Gelenkveränderungen nachweisen. Letztlich führt die degenerative Gelenkerkrankung zu starken Schmerzen und schränkt die Beweglichkeit der Betroffenen teils erheblich ein. Die starke Beanspruchung bestimmter Gelenke, insbesondere von Wirbelsäule, Hüften, Knien und Schultern, bewirkt zuerst den schrittweisen Abbau von Gelenkknorpel und dann die Zerstörung des angrenzenden Knochengewebes. Hier lindert die Wärmetherapie (siehe Kasten) die Schmerzen und verbessert bis zu einem gewissen Grad die Beweglichkeit.

Die Wirkungen von Kälte- oder Wärmeanwendungen

Wichtige Effekte der Kältetherapie

  • lokale Hautdurchblutung durch Gefäßverengung ↓
  • Schweißproduktion ↓
  • Herzfrequenz ↓
  • Flüssigkeitsaustritt aus Blut- und Lymphgefäßen ↓
  • Entzündung ↓
  • Schmerzen ↓
  • Zellstoffwechsel ↓
  • schmerzhafte Muskel­verspannungen ↓
  • Blutdruck ↑

Achtung: Kälte nicht anwenden bei Durchblutungsstörungen, arterieller Verschlusskrankheit und Empfindungsstörungen!

Wichtige Effekte der Wärmetherapie

  • lokale Durchblutung durch Gefäßerweiterung ↑
  • Schweißproduktion ↑
  • Herzfrequenz ↑
  • Blutdruck ↑
  • Stoffwechselaktivitäten ↑
  • Schmerzen ↓
  • Entspannung der Muskulatur ↓

Achtung: Wärme nicht anwenden bei akuten Entzündungen, Herzkrankheiten, Durchblutungsstörungen, Thrombosen, Hypertonie, Infektionskrankheiten und schweren fieber­haften Erkrankungen!

Die Methoden zur Wärmeanwendung sind zahlreich: das Heizkissen, die Wärmflasche, Moor- und Schlammpackungen, warme Teil- oder Vollbäder, feucht-heiße Kompressen und die Infrarottherapie. Apotheken bieten ein großes Sortiment an Produkten zur Wärmetherapie an, die über eine Erwärmung der Haut Arthrosen, Muskel-, Gelenk- und Nervenschmerzen lindern sollen. Zum Angebot gehören Wärmepflaster und Wärmepackungen mit Fango oder Heublumen sowie Moor- und sogenannte Rheumabäder.

Durchblutungsfördernd wirken außerdem Einreibungen und Salben mit Cayennepfeffer, Nicotinsäure und Salicylsäureabkömmlingen. Mittel zur Wärmetherapie sollten nicht bei größeren Hautverletzungen, akuten Haut­erkrankungen oder bei Kindern eingesetzt werden (siehe Kasten). Bei Menschen mit Arthrose kann hin und wieder ein entzündlicher Schub auftreten, der statt mit Wärme mit Kälte behandelt werden muss. Außerdem sollte das betroffene Gelenk dann ruhig gestellt werden, bis die schmerzhafte Entzündung abgeklungen ist.

Arndt-Schulz-Regel

  • Zu kleine Reize schwächen die Lebensfunktionen,
  • Kleine schwache Reize entfachen die Lebensfunktionen,
  • Gut dosierte mittlere Reize kräftigen und fördern die Lebensfunktionen,
  • Starke Reize hemmen die Lebensfunktionen und
  • stärkste Reize heben sie auf.

Dabei ist es individuell verschieden, was unter einem schwachen oder starken Reiz zu verstehen ist!

Hinweis für die Beratung

Bei der Abgabe von Mitteln zur Wärme- beziehungsweise Kältetherapie sollten PTA oder Apotheker den Patienten auf die beiliegende Gebrauchs­information hinweisen. Denn hier gilt keineswegs: »Viel hilft viel!« Um den gewünschten therapeutischen Effekt zu erzielen und Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten die Patienten die in der Gebrauchsinformation angegebene Temperatur, zum Beispiel die Wassertemperatur, und die Behandlungsdauer unbedingt einhalten. In der Regel entspricht die in der Gebrauchsinformation empfohlene Temperatur und Behandlungsdauer einem mittleren Reiz. Aus Sicht naturheilkundlich orientierter Therapeuten ist nach der Arndt-Schulz-Regel (Kasten) die Reizstärke entscheidend für den Effekt. /