Ohrenschmerzen gezielt behandeln |
23.03.2015 10:53 Uhr |
Von Annette Mende / Bei Kindern führen meist andere Ursachen zu Ohrenschmerzen als bei Erwachsenen. In der aktualisierten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin steht detailliert, welche Auslöser in welchem Lebensalter am wahrscheinlichsten sind und welche Therapien infrage kommen.
Plötzlich einsetzende, heftige Ohrenschmerzen zusammen mit Hörstörungen, kränklichem Allgemeinzustand, Reizbarkeit, Fieber und Schwindel: Eltern kleiner Kinder kennen diese Symptome meist aus leidiger Erfahrung. Es sind die typischen Anzeichen einer Mittelohrentzündung. Im Säuglings- und Kindesalter ist die akute Otitis media der häufigste Grund für Ohrenschmerzen: Mehr als 60 Prozent aller Kinder erwischt es in den ersten sechs Lebensjahren, sobald die Kleinen in Kita oder Krippe mit Gleichaltrigen in Kontakt kommen.
Bei Kindern und Jugendlichen ist eine Otitis externa oft Folge des Schwimmbadbesuchs.
Foto: Shutterstock/Vladislav Gajic
In der Regel löst ein Atemwegsinfekt die schmerzhafte Entzündung der Schleimhäute des Mittelohrs aus, wenn die Erreger über die Nase und die Ohrtrompete (Tuba Eustachii) in die Paukenhöhle des Ohres wandern. In vier von fünf Fällen heilt die akute Otitis media von allein wieder ab. Dennoch verordnen Kinderärzte vielfach Antibiotika: Für Kleinkinder ist die Mittelohrentzündung der häufigste Anlass für eine antibiotische Therapie.
An Symptomen orientieren
Da der Kinder- oder Hausarzt in der Regel nicht unterscheiden kann, ob Viren oder Bakterien die Entzündung verursachen, empfiehlt die Leitlinie, symptomorientiert vorzugehen. So sollen Kinder ohne weitere Risikofaktoren und bei unkompliziertem Verlauf zunächst nur ein Analgetikum wie Paracetamol oder Ibuprofen erhalten. Selbst bei Fieber und/oder Erbrechen sei es vertretbar, die ersten 24 bis 48 Stunden abzuwarten und das Kind zu beobachten. Die sofortige Gabe eines Antibiotikums lindere die Schmerzen innerhalb der ersten 24 Stunden nachweislich nicht.
Klagt das Kind nach 48 Stunden immer noch über Ohrenschmerzen, ist ein Antibiotikum erforderlich. Erste Wahl ist Amoxicillin in einer Dosierung von 50 mg pro kg Körpergewicht täglich über sieben Tage, zweite Wahl ein orales Cephalosporin der zweiten Generation, zum Beispiel Cefuroxim-Axetil, mit 20 bis 30 mg pro kg Körpergewicht täglich für fünf bis zehn Tage. Kinder mit einer Penicillin-Allergie können alternativ ein Makrolid wie Erythromycin über sieben Tage erhalten. Die Antibiotika-Therapie muss sofort erfolgen, wenn Flüssigkeit aus dem Ohr läuft sowie bei Kindern unter zwei Jahren mit beidseitigen Beschwerden, Begleiterkrankungen oder immer wiederkehrenden (rezidivierenden) Infekten.
Von einer rezidivierenden Otitis media sprechen Mediziner, wenn das Kind innerhalb eines halben Jahres mindestens dreimal erkrankt ist. Mögliche anatomische Gründe, etwa eine Vergrößerung der Rachenmandeln, sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt ausschließen. Ebenfalls ein Fall für den Facharzt ist die chronische Otitis media, eine über mehr als drei Monate dauernde Entzündung mit nicht heilendem Trommelfelldefekt und eitrigem Ausfluss aus dem Ohr.
Sammelt sich ohne Entzündung Flüssigkeit im Mittelohr, liegt ein Paukenerguss vor. Diese Erkrankung geht ebenfalls mit Druckgefühl und Minderhörigkeit einher und ist im Kindesalter sehr häufig: Ungefähr 80 Prozent aller Kinder erkranken bis zum zehnten Lebensjahr mindestens einmal. Ein Paukenerguss entsteht, wenn die Ohrtrompete das Mittelohr nicht richtig belüftet. Auslöser sind meist entzündete Rachenmandeln sowie häufige Atemwegsinfektionen.
Bei Jugendlichen führen meist Erreger von außen zu Ohrenschmerzen, zur Otitis externa, einer Entzündung des äußeren Gehörgangs durch Bakterien, Pilze oder aufgrund einer Allergie. Im Sommer infizieren sich Kinder und Jugendliche vielfach im Schwimmbad. Als Allergene kommen ganzjährig Nickel-haltiger Schmuck, Körperpflegemittel oder Kosmetika infrage.
Charakteristisch für die Otitis externa ist ein starker Druckschmerz des Tragus (der Teil der Ohrmuschel, auf den man drückt, wenn man sich die Ohren zuhält). Dieser Schmerz kann zur Unterscheidung zur Otitis media dienen, denn bei einer Mittelohrentzündung fehlt der Tragus-Druckschmerz. Zur Behandlung der Otitis externa empfiehlt die Leitlinie, den Gehörgang zu reinigen und die Entzündung anschließend lokal mit Antibiotika oder Corticosteroiden zu behandeln.
Ab dem Jugendalter sorgen häufig die Weisheitszähne für Ohrenschmerzen. Bei Erwachsenen sind Probleme mit den Zähnen sogar der häufigste Grund für schmerzende Ohren. Des Weiteren führt nicht selten eine Funktionsstörung des Kiefergelenks zu Ohrenschmerzen sowie zu Tinnitus, Schwindel und/oder Hörminderung. /
Die Leitlinie »Ohrenschmerzen« der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin ist zu finden unter www.awmf.org,
Kurzlink: http://tinyurl.com/n5kbfm6