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Sportverletzungen

Guter Start in den Frühling

11.04.2016  09:51 Uhr

Von Katrin und Tim Schüler / Spätestens im Frühjahr soll der Winter­speck durch sportliche Aktivitäten weichen! Diesen guten Vorsatz fassen etliche Menschen zu Beginn des Frühlings. Allerdings gehen ihn manche zu ehrgeizig an und erhöhen damit die Verletzungsgefahr. Die meisten Verletzungen lassen sich mit Arzneimitteln aus der Apotheke behandeln.

Die laue Frühlingsluft lockt viele Menschen nach draußen, und sie beginnen mit Lauftraining oder einem anderen Freizeitsport wie Radfahren. Dabei ist Muskelkater nach den ersten Trainingstagen keine Seltenheit. Dieser tritt meist dann auf, wenn die sportliche Aktivi­tät ungewohnt intensiv oder mit besonders exzentrischen Bewegungen verbunden war wie beim Bergab-Joggen. Die Beschwerden äußern sich erst Stunden nach der Beanspruchung als dumpfer Muskelschmerz.

 

Als Ursache dafür wurde früher oft die trainingsbedingte Übersäuerung der Muskulatur mit dem Stoffwechselprodukt Laktat angesehen. Eine neue Theorie besagt, dass durch erhöhten Trainingsreiz in der Muskulatur kleine, sich entzündende Verletzungen entstehen. Dann ist effektives Training an den nächsten Tagen meist nicht möglich. Bei vielen Betroffenen ist damit auch oft die Motivation für das sportliche Vorhaben dahin und sie geben ihren ursprünglich gefassten Plan auf.

 

Guter Rat ist nicht teuer

Ein guter Rat ist deshalb, mit einer geringen Trainingsintensität zu beginnen und diese nur langsam zu steigern. So ist zum Beispiel Laufanfängern mit einem gesunden Herzen die 4:1-Regel zu empfehlen. Wer sich an diese Regel hält, beginnt das Training mit wenigen Intervalleinheiten aus vier Minuten schnellem Gehen und einer Minute Joggen an drei bis fünf Tagen pro Woche. Stufenweise und erst nach mehreren Wochen werden die Joggingphasen innerhalb des Fünf-Minuten-Intervalls verlängert. Ein dauerhafter Trainingseffekt stellt sich ein, wenn die gesamte Zeit im ersten Laufjahr auf insgesamt 30 bis 45 Minuten gesteigert werden konnte.

 

Generell sollte jeder sein Training mit einer gründlichen Erwärmung beginnen. Diese erhöht das Leistungs­potenzial und beugt somit einer Überlastung vor. Zudem sollte jedes Lauftraining mit einer »Ausgehphase« von zehn Minuten und Dehnungsübungen enden.

Muskelkater ist zwar harmlos, aber unangenehm und sollte daher gezielt behandelt werden. Geeignet sind flächige, sanfte, die Durchblutung anregende Massagen, beispielsweise mit arnikahaltigen Ölen. Kraftvolle Massagen rufen hingegen möglicherweise neuerliche Muskelirritationen hervor. Sich eiweißreich zu ernähren, scheint sich ebenfalls positiv auf die Symptomatik auszuwirken. Auch Schonung ist wichtig. Durch die Überlastung bedingte Elektrolytverschiebungen führen mitunter zu Krämpfen. Daher sind vor, bei und nach dem Sport speziell für Freizeitsportler entwickelte Getränke oder Mineraliensupplemente empfehlenswert. Für besonders ambitionierte Sportler hält die Apotheke Sport-Kompressionsstrümpfe bereit, die dafür sorgen, dass die Beinmuskeln ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Dadurch erhöhen sie bei Ausdauersportarten die Leistungsfähigkeit.

 

Muskelfasern gerissen

Bis zu 55 Prozent aller Sportverletzungen betreffen die Muskeln. Muskel­fasern reißen, wenn der Sportler die Aufwärmphase ausfallen ließ und diese sich durch mangelhafte Dehnung in den vorangegangenen Trainingsphasen verkürzt haben. Manchmal sind auch Ermüdung oder Überlastung der Grund. Dann übersteigt der äußere Dehnungsreiz die Elastizität des Muskels. Reißen einzelne Muskelfasern, führt das nicht automatisch zu Beschwerden. Nur beim Reißen mehrerer Fasern, eines ganzen Faserbündels oder des gesamten Muskels entsteht bei Belastung ein plötzlich auftretender starker, stechender Schmerz. Dann ist es häufig unmöglich, die sportliche Akti­vität fortzusetzen. In der Folge bilden sich meist Hämatome.

 

Laut Definition ist beim Muskelfaserriss ein Drittel der Muskelfläche gerissen. Größere Verletzungen kann ein Arzt, oft sogar ein Laie, ertasten. Bestätigt die Ultraschalluntersuchung den Verdacht, muss der Sportler eine Pause von vier bis sechs Wochen einlegen. Nimmt er die sport­liche Aktivität zu früh wieder auf, riskiert er eine erneute Verletzung.

 

Zerrung lokal behandeln

Eine Muskelfaserzerrung hat ähn­liche Ursachen, ist jedoch das Ergebnis einer Überdehnung. Entzündungslindernde Präparate lassen die Symptome abklingen. Geeignet sind hier lokal wirksame Arzneimittel in Gel-oder Sprayform mit Ibuprofen, Diclofenac oder Beinwellwurzelextrakt. Bei starken Schmerzen ist die Einnahme anal­getisch und antiphlogistisch wirksamer Arzneimittel ratsam. Homöopathen setzen in solchen Situationen Rhus toxicodendron, Arnika oder Bryonia ein. Bei starken Beschwerden oder Verletzungen muss unbedingt ärzt­licher Rat eingeholt werden.

 

Externe Gewalteinwirkungen, zum Beispiel ein Tritt gegen die Wade beim Fußballspiel, führt oft zu einer Muskelquetschung, umgangssprachlich Pferdekuss genannt. Wurden dabei Muskelfasern zerstört, folgen Bluterguss und Entzündung. Während milde Muskelquetschungen eine weitere Belastung ermöglichen und meist im Verlauf der sportlichen Aktivität nachlassen, bedürfen schwere Verläufe der Therapie eines Facharztes. Dieser kombiniert antiphlogistische, analgetische und muskelrelaxierende Arzneimittel mit physikalischen sowie physiotherapeutischen Maßnahmen. Leider sind die Ergebnisse der Therapie von Muskelverletzungen – insbesondere nach schwereren Verletzungen – häufig nicht zufriedenstellend: Fibrotische Narben im verletzten Muskel schränken die Belastungsfähigkeit fortwährend ein und erhöhen die erneute Verletzungsgefahr.

 

Deshalb untersuchen Wissenschaftler derzeit die Effekte anderer Therapieverfahren, zum Beispiel die Verwendung von Stammzellen, autologen Blutplättchenzellen (reich an Wachstumsfaktoren) sowie den Einsatz antifibrotisch wirkender Medikamente wie Losartan oder Suramin. Bisher spricht keine der Studien für den breiten klinischen Einsatz einer dieser Behandlungsansätze. Dennoch haben sie das Potenzial als Therapiemethoden der Zukunft.

 

PECH gehabt?

So verschieden die Sportverletzungen auch sind, die Notfallbehandlung der meisten Verletzungen reduziert sich auf vier einfache, allgemein gültige Ansätze, die die »PECH-Regel« merkfreundlich zusammenfasst: PECH steht für Pause, Eis, Kompression und Hochlegen. Mit dem Pausieren soll das verletzte Gewebe geschont werden und eine entstandene Verletzung sich nicht verschlimmern. Das sofortige Kühlen der Verletzungsstelle, zum Beispiel mit einer Kälte-Sofort-Kompresse, Gel-Ice-Packs oder Eiswickeln, verhindert Schwellung und Ödembildung. Das gleiche Ziel verfolgen die Kompression mit einer Idealbinde und das Hochlegen. Die Folge ist schnellere Genesung. Im schweren Akutfall muss der Rettungswagen gerufen werden, damit ein Facharzt die Verletzung umgehend spezifisch behandelt.

 

Marschfraktur am Fuß

Knochenbrüche gehen meist mit charakteristischen Zeichen wie starken Schmerzen und abnormer Beweglichkeit einher. In manchen Fällen ist der Knochenbruch bereits äußerlich sichtbar. Eine Ausnahme ist der überlastungsbedingte Ermüdungsbruch: Dieser betrifft häufig den Mittelfuß und äußert sich eher durch Schmerzen beim Auftreten des Fußes sowie einen charakteristischen Druckschmerz am Fußgewölbe. Manchmal schwillt auch der Fuß an.

 

Langfristig werden stark belastete Regionen durch Knochenaufbau verstärkt und unbelastete, umliegende Regionen geschwächt. Ist die Belastung zu intensiv, kann es in den geschwächten Regionen zu Brüchen kommen. So ist beispielsweise eine Marsch- oder Stressfraktur meist die Folge einer ungewohnten Be- und Überlastung bestimmter Knochen. Die Erkrankung erhielt ihren Namen, weil sie früher häufig bei Militärrekruten während langer Märsche durch unebenes Gelände aufgrund völliger Erschöpfung oder Ermüdung auftrat. Heute ist sie eher bei Langstrecken- und Marathonläufern bekannt.

 

Gründe für Ermüdungsfrakturen können aber auch Osteoporose- oder (metastasierende) Tumorerkrankungen im Knochen sein. Einen Ermüdungsbruch können Ärzte selbst mit der Computertomografie (CT) oft schwer erkennen, da die Verletzungsstelle eher klein ist. Die Therapie besteht in Schonung und Ruhigstellung der Frakturstelle für circa vier bis sechs Wochen, zum Beispiel in einem »Schonschuh«. Antiphlogistika und Analgetika sowie physiotherapeutische Maßnahmen ergänzen die Behandlung.

 

Bänder verletzt

Während Gelenke bei leichter Gewalteinwirkung, zum Beispiel bei einem mit der Hand abgefederten Sturz, meist nur verstauchen, leidet bei Verdrehen oder »Umknicken« des Gelenkes die umgebende Gelenkkapsel. Dann sind ebenfalls innere Strukturen des Gelenks betroffen, wie die Menisken im Knie oder die stabilisierenden Bänder am Sprunggelenk. Springt das Gelenk aus seiner Halterung, der Gelenkpfanne, sprechen Ärzte von einer Luxation. Beim Bänderriss macht den Betroffenen häufig nicht der Schmerz zu schaffen, sondern eher die Instabilität und die Schwellung des Gelenks. Teilweise können sie die sportliche Aktivität sogar noch kurze Zeit weiterführen.

 

Bleibende Gelenkprobleme

Bänderzerrungen äußern sich dagegen eher durch Schmerzen, werden von Laien jedoch leicht mit einem Riss verwechselt. Ohne angemessene Behandlung drohen bleibende Gelenkprobleme. Heilt ein gerissenes Band schlecht aus, bleibt das Gelenk meist dauerhaft instabil, sodass die Betroffenen häufig umknicken oder sich sogar komplexe Verletzungen zuziehen.

 

Aufgrund der Schmerzen sind Tast- und Bewegungsdiagnostik häufig nur eingeschränkt möglich. Erste Hinweise erhalten Ärzte durch eine Ultraschalluntersuchung und ergänzen diese durch weitere bildgebende Verfahren, beispielsweise die Magnetresonanz­tomografie (MRT).

 

Fachärzte behandeln Bänderrisse ähnlich wie Knochenbrüche primär durch Stabilisation und Ruhigstellung des Gelenkes mittels Orthesen. Phy­sikalische Therapieverfahren und Analgesie ergänzen das Behandlungskonzept. Ist der Patient immobil, erhält er zusätzlich zur Kompressionstherapie eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen, fraktionierten Heparinen zur subkutanen Applikation (Enoxaparin-Natrium/Clexane®, Certoparin-Natrium/Mono Embolex®, Dalteparin-Natrium/Fragmin P®). Physiotherapie und Krankengymnastik helfen beim Wiederaufbau der Gelenkfunktionalität.

Eine Operation kommt nur bei zentralen Bändern wie den Kreuzbändern im Knie in Frage. Nach der Operation sollen Freizeitsportler bei Rissen von Sprunggelenksbändern mindestens sechs Wochen, bei Kreuzbandverletzungen bis zu circa zwölf Monate lang jede sportliche Aktivität unterlassen.

Band- und Gelenkverletzungen können bei unvollständiger Heilung zu Arthrose führen. Arthrose ist ein fortwährender Knorpelschwund im Gelenk, führt zu chronischen Gelenkbeschwerden und schränkt die Sportfähigkeit langfristig ein. Obwohl der Entstehungsprozess nicht abschließend geklärt ist, scheint ein Zusammenhang mit einer Fehlbelastung der Gelenke zu bestehen. Patienten mit Arthrose erhalten eine symptomatische Schmerztherapie. Knorpelunterstützende Supplemente wie orales Glucosaminsulfat oder intraartikulär applizierte Hyaluronsäure, Physiotherapie sowie der Gelenkersatz durch eine Operation sind weitere Therapieoptionen.

Sport ist nicht Mord!

Körperliche Aktivität ist für einen gesunden Lebensstil unabdingbar. Wer regelmäßig trainiert, sollte aber die eigenen Grenzen beachten. Ansonsten riskiert er zahlreiche Verletzungen und folglich einen schlechteren Gesundheitszustand als vor dem Training. Wichtiger als die Intensität ist die Regelmäßigkeit der sportlichen Aktivität. In Richtlinien empfehlen Experten Freizeitsportlern bis zu fünf halbstündige Sporteinheiten über die Woche verteilt, dabei sollen sich Ausdauereinheiten und Krafttraining abwechseln. Wer diesen Rat beherzigt, die PECH-Regel kennt und weiß, wann er einen Arzt rufen muss, ist für das sportliche Frühjahr gut gewappnet. /