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Steinklee

Pflanzenkraft für die Venen

11.04.2016  09:51 Uhr

Von Monika Schulte-Löbbert / Sein Nektar lockt zahlreiche Bienen an, sein Geruch vertreibt Motten und schon Hippokrates, der ­bekannte Arzt der Antike, rühmte seine ­Heilwirkung. Der Steinklee zählt heute zu den wenigen ­Heilpflanzen, die sich neben ­Rosskastanie und Mäusedorn in der Therapie venöser Erkrankungen bewährt haben.

Der Echte oder Gelbe Steinklee, Meli­lotus officinalis L., gehört zur Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae). Er wächst in weiten Teilen Mitteleuropas, Nordamerikas und Asiens bevorzugt an sonnigen Weg- und Ackerrändern, an Mauern, auf Bahngeländen und in Steinbrüchen. Dabei stellt die Pflanze keine großen Ansprüche an den Boden und verwandelt zur Blütezeit selbst Schutthalden in duftende Oasen. Der zweijährige Steinklee wird 30 bis 120 Zentimeter hoch und ist mit einer langen Pfahlwurzel tief im Boden verankert. An dem aufrechten, locker verzweigten Stängel sitzen die unpaarig gefiederten, kleeblattähnlichen Laubblätter. Die drei gestielten Fiederblättchen können sich nachts zusammenlegen. Der Fachbegriff für diese Eigenschaft ist Nyktinastie.

Die kleinen, nur fünf bis sieben Millimeter langen, blassgelben Schmetterlingsblüten erscheinen von Juni bis September. Sie stehen in einer schmalen Traube aus zahlreichen Blüten, die sich zu einer Seite wendet. Charakteristisch für die Blüte des Echten Steinklees ist, dass die Flügel länger sind als das Schiffchen. Die duftenden Blüten des Echten Steinklees sind wichtige Nektarlieferanten für Bienen, locken aber auch zahlreiche andere Insekten an. Wegen der nur zwei Millimeter langen Kronröhre ist der Nektar auch für Insekten mit relativ kurzem Rüssel zugänglich. Die kleinen, rundlichen Früchte enthalten meist nur einen Samen.

Ihrer Vorliebe für steinige Standorte und ihrer kleeblattähnlichen Laubblätter verdankt die Pflanze vermutlich den deutschen Namen »Steinklee«. Wegen des Nektarreichtums der Blüten ist auch der Name »Honigklee« gebräuchlich. Darauf verweist ebenfalls die lateinische Bezeichnung Melilotus, abgeleitet vom griechischen »meli« = Honig und »lotos« für verschiedene kleeartige Pflanzen.

In getrockneten Zustand riecht der Steinklee sehr intensiv, fast wie Waldmeister. Deshalb wird er gerne dazu verwendet, Motten und Ungeziefer abzuwehren. Das führte zu den im Volksmund bekannten Namen »Mottenklee« und »Schabenkraut«.

Lange Tradition

Steinklee ist eine traditionsreiche Heilpflanze und wurde bereits von dem berühmten griechischen Arzt Hippokrates (460–370 v. Chr.) erwähnt. Äußerlich angewendet sollte er die Eiter­bildung fördern und Geschwüre erweichen, innerlich Erkrankungen des Magens, der Gebärmutter und der Leber lindern. In der Volksmedizin waren besonders Pflaster und Salben aus Steinklee bei rheumatischen Beschwerden, Gelenk­erkrankungen sowie bei Blutergüssen beliebt. Neben seiner medi­zinischen Verwendung diente der getrocknete Steinklee zur Aromatisierung von Schnupftabak und als Füllung von Duft- und Kräuterkissen sowie als Mottenschutzmittel. Heute zählt der Gelbe Steinklee zu den wenigen Heilpflanzen, die in der Therapie von Venenbeschwerden eingesetzt werden.

Typischer Waldmeisterduft

Medizinisch verwendet werden die zur Blütezeit geernteten, oberirdischen Teile von Melilotus officinalis L., dem Gelben oder Echten Steinklee. Das Kraut wird schonend getrocknet und kommt als Droge ganz oder geschnitten in den Handel. Das Drogenmaterial stammt überwiegend aus Kulturen osteuropäischer Länder. Die Droge schmeckt bitter-salzig und riecht stark nach ihrem Hauptinhaltsstoff, dem Cuma­rin. Der typische Waldmeisterduft fehlt der frischen Pflanze noch. Erst beim Trocknen bildet sich aus der geruchlosen Vorstufe, dem Glykosid Melilotosid, durch Zuckerabspaltung das flüchtige Cumarin. Das Europäische Arzneibuch fordert in seiner Monographie »Steinkleekraut – Meliloti herba« einen Gehalt von mindestens 0,3 Prozent Cumarin und Melilotin (3,4-Dihy­droxycumarin). Weitere Inhaltsstoffe sind Phenolcarbonsäuren, Triterpen­saponine und Flavonoide.

Steinkleekraut wird hauptsächlich als Venenmittel verwendet. Es wirkt ödemprotektiv auf die Gefäße und das umgebende Gewebe. Der Hauptwirkstoff Cumarin verbessert die Kapillar­resistenz und senkt die Durchlässigkeit der Kapillaren. Indem es Makrophagen stimuliert, fördert es den Abbau von bereits in das Gewebe gelangten Eiweißmolekülen. Da die Eiweiße vermehrt Wasser binden, gehen dadurch auch die Ödeme zurück. Steinklee fördert sowohl den venösen Rückfluss als auch den lymphatischen Abtransport. Äußerlich angewendet beschleunigt Steinklee die Wundheilung.

Diese pharmakologischen Wirkungen sind Ergebnisse von tierexpe­rimentellen Untersuchungen mit Cuma­rin allein oder der Kombination mit Troxerutin. Sie lassen sich nicht einfach auf die innerliche Anwendung der Droge oder daraus hergestellte Teeaufgüsse übertragen, denn Wissenschaftler geben zu bedenken, im Tierversuch nachgewiesene Effekte würden nicht mit Sicherheit auch beim Menschen gelten.

Keine Teedroge

Die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) bewertete Steinkleekraut in ihrer Monographie aus März 1990 positiv. Darin empfiehlt sie die Droge innerlich bei chronisch venöser Insuffizienz mit Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, bei nächtlichen Wadenkrämpfen, Juckreiz und Schwellungen sowie zur unterstützenden Behandlung oberflächlicher Thrombosen, des postthrombotischen Syndroms, von Lymphstauungen und Hämorrhoiden. Äußerlich eignet sich die Droge laut Kommission E zur Behandlung von Prellungen, Verstauchungen und oberflächlichen Blut­ergüssen.

Auch das Fachgremium auf euro­päischer Ebene, die ESCOP (European Scienti­fic Cooperative on Phyto­therapy), bewertete im Juli 1997 Steinklee positiv für folgende Indikationen: symptomatische Behandlung von Problemen bei Krampfadern, zum Beispiel nächtliche Krämpfe in den Beinen, schmerzhafte und schwere Beine sowie Jucken und Schwellungen.

Da der Gehalt an Cumarinverbindungen jedoch schwankt und dazu noch keine – den heutigen Qualitätsanforderungen entsprechende – klinische Stu­dien vorliegen, raten die Experten von einer Einnahme der Droge als Tee ab.

Aktuell werden kaum noch Fertigpräparate mit standardisiertem Melilotus-Extrakt angeboten. Das Venenpräparat Venalot® Depot enthält an Stelle von Melilotus-Extrakt jetzt die Reinsubstanz Cumarin in Kombination mit Troxerutin.

Alle weiteren Fertigarzneimittel sind homöopathische Kombinationen mit Melilotus officinalis in verschiedenen Potenzen, zum Beispiel veno- loges® N Injektionslösung bei Krampfaderleiden.

Homöopathen setzen Melilotus vorwiegend bei Kopfschmerzen und Migräne ein, beispielweise Biodolor® Tabletten, Neuro-Do® Mischung oder Schwöneural® N Tropfen sowie bei Neigung zu Nasenbluten und ebenfalls bei Krampfaderleiden.

Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ist der Steinklee gut verträglich. Kontraindiziert ist er während der Schwangerschaft und der Stillzeit. Vorsicht ist auch bei gleichzeitiger Behandlung mit Antikoagulanzien geboten, obwohl Cumarin selbst nicht gerinnungshemmend wirkt.

Süßkleekrankheit

Für Tiere kann Steinklee lebensbedrohlich werden. So verursacht das Füttern von feuchtem, verschimmeltem Heu mit hohem Anteil an Steinklee bei Pferden, Rindern, Schafen, aber auch bei Kaninchen und Hasen schwere Vergiftungen, die als Süßkleekrankheit oder »sweet clover disease« bezeichnet wird. Sie trat erstmalig zu Beginn der 1920er-Jahre in den USA auf, als zahlreiche Rinder und Schafe einer zu jener Zeit noch mysteriösen Seuche zum Opfer fielen. Die Bauern konnten das Heu aus einem damals sehr nassen Sommer nicht trocken einlagern und ihnen fehlte wegen der Weltwirtschaftskrise das Geld für neues trockenes Heu. So gaben sie ihrem Vieh im Winter feuchtes und oft verschimmeltes Heu zu fressen. Die bis dahin gesunden Tiere verendeten ohne sichtbaren Grund innerhalb weniger Tage an inneren Blutungen.

Synthetische Cumarine

Verantwortlich für das toxische Geschehen ist das Dicumarol. Dicumarol bildet sich erst beim Fäulnisprozess des Steinklees aus der Melilotsäure (Di­hydro-o-cumarsäure). Als Vitamin-K-Antago­nist hemmt es die Blutgerinnung. Diese Entdeckung des amerikanischen Wissenschaftlers Professor Karl Paul Link (1901–1978) war der Ausgangspunkt für die Entwicklung synthetischer Cumarine, die heute als Antikoagulanzien zur Thromboseprophy­laxe eingesetzt werden. Die Wisconsin Alumni Research Foundation (WARF) finanzierte die Forschung und meldete im Jahre 1941 das Patent auf Dicumarol an. Aus Dankbarkeit gegenüber dem Geldgeber nannte Professor Link die neue Substanz WARFarin.

Dicumarolderivate werden auch als Rattengift (Rhodentizide) eingesetzt. Nach dem Verzehr der vergifteten Nahrung gehen die Tiere langsam an Gewebsblutungen zugrunde.

Biogaskultur

Neuerdings zeigt die Landwirtschaft Interesse am Anbau von Steinklee. Von 2008 bis 2012 wurde die Eignung von Steinklee als Biogaskultur getestet. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Neben der Biogasverwertung verbessert Steinklee die Bodenstruktur, verringert durch seine Knöllchenbak­terien den Bedarf an Stickstoffdünger und erhöht die Artenvielfalt. Durch die Vorfrucht Steinklee lassen sich hohe Maiserträge ohne ergänzende Stickstoff-Düngung erzielen und die blühenden Bestände liefern vielen Bienen wertvollen Nektar. /