Kein Grund zum Schämen |
06.04.2018 13:42 Uhr |
Von Nicole Schuster / Magen-Darm-Probleme, Gewichtsverlust und ein allgemeines Unwohlsein – das können Anzeichen einer Wurminfektion sein. Während Madenwürmer eine eher harmlose Plage sind, können andere Arten zu lebensgefährlichen Organschäden führen. Zur Vorbeugung sind Hygienemaßnahmen wichtig.
So eklig der Gedanke auch ist, die Parasiten im Körper zu haben, Angst vor schlimmen Gesundheitsfolgen braucht man hierzulande zum Glück nur in wenigen Fällen zu haben. »Am häufigsten kommen in Deutschland die recht harmlosen Madenwurminfektionen vor. Meistens sind Kinder betroffen«, sagt Professor Dr. med. Clarissa Prazeres da Costa, Oberärztin für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Infektiologin und Kodirektorin des Centers for Global Health an der Technischen Universität München (TUM) im Gespräch mit PTA-Forum.
Kinder haben häufig einen sehr engen Kontakt zu ihrem Haustier. Um eine Ansteckung zu vermeiden, sollten die Tiere daher regelmäßig entwurmt werden.
Foto: Shutterstock/Erik Lam
Die kleinen, fadenförmigen Würmer sind nichtinvasiv und verursachen nur sehr selten Komplikationen wie Entzündungen oder gar lebensbedrohliche Perforationen der Darmwand. Aus aufgenommenen Eiern entwickeln sie sich über das Larvenstadium im menschlichen Dickdarm zum adulten Wurm. Die Darmparasiteninfektion, auch als Oxyuriasis bezeichnet, verursacht außer einem starken Juckreiz am After nur gelegentlich unspezifische Magen-Darm-Symptome und bleibt daher häufig lange unbemerkt.
Das Jucken ist oft in der Nacht am stärksten, da der weibliche Wurm dann seine Eier in den Afterfalten ablegt. Kratzt sich der Patient an diesen Stellen, gelangen die Eier unter seine Fingernägel und können bei Kontakt mit dem Mund verschluckt werden und sich so erneut im Magen-Darm- Trakt vermehren. Dieser anal-orale Übertragungsweg sorgt häufig für Wiederansteckungen. Durch direkten Körperkontakt, das Anfassen von mit Eiern verschmutzten Gegenständen oder den Verzehr verunreinigter Nahrungsmittel können sich andere Menschen infizieren. »Oxyuriasis-Infektionen halten sich wegen der leichten Übertragung oft hartnäckig in Familien«, weiß die Expertin.
Bandwürmer befallen anders als Madenwürmer spezielle Zwischenwirte, etwa Rinder, Hunde oder Füchse. Sie kommen durch mit Fäkalien verunreinigte Nahrung oder durch Kontakt mit Exkrementen in den menschlichen Körper. Im Darm halten sie sich mit Haken und Saugnäpfen an der Wand fest.
Gefahr im Wald
Anders als Madenwürmer wandern Bandwürmer jedoch im Körper und befallen weitere Organe. Besonders gefährlich ist hierzulande der Fuchsbandwurm, der vor allem in Süddeutschland vorkommt. Infektionen mit dem Parasiten sind zwar selten, wegen der Gefährlichkeit aber meldepflichtig. Die aus den Eiern geschlüpften Larven durchbohren die Darmwand und dringen in die Leber und bisweilen auch in weitere Organe wie Lunge, Herz oder Gehirn ein. »In den befallenen Organen bilden sie krebsartige Geschwüre. Die Organe werden dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt«, sagt da Costa und warnt: »Unbehandelt führt die Infektion zum Tod.« Die Inkubationszeit kann bis zu 15 Jahre andauern.
Der Rinderbandwurm wird über mit Fäkalien verunreinigte Nahrung übertragen.
Foto: Your Photo Today
Um sich zu infizieren, muss man mit den von Füchsen ausgeschiedenen Eiern in Berührung kommen. Besonders gefährdet sind daher Menschen, die im ländlichen Bereich in der Natur arbeiten, etwa Jäger oder Waldarbeiter. Spaziergänger, die wildwachsende Früchte sammeln und verzehren, gehen dabei ein wenn auch geringes Ansteckungsrisiko ein. »Wer im Wald Beeren pflückt, sollte diese vorm Essen immer gründlich waschen oder am besten Marmelade daraus kochen«, rät die Expertin. »Händewaschen nach Kontakt mit Erde sollte zudem selbstverständlich sein.«
Darmverschluss
Um sich zum adulten Stadium zu entwickeln, müssen auch die Larven des Spulwurms den Darm verlassen und können auf ihrer Wanderung durch den Körper verschiedene Organe befallen. Durch Schleimhautreizungen in der Luftröhre lösen sie einen Schluckreflex aus und werden dadurch wieder in den Magen und schließlich zurück in den Dünndarm befördert. Dort erreichen sie das Stadium der geschlechtsreifen Würmer. Je nach dem, in welchen Organen sich die Larven befinden, rufen sie ähnlich wie Bandwürmer spezifische Symptome hervor. Eine lebensgefährliche Komplikation: Die meterlangen Würmer können, wenn sich zu viele im Darm ansammeln, zu einem Verschluss führen. Die Infektion findet wie bei anderen Würmern über die orale Aufnahme der Eier statt.
Verhaltensregeln
Vielen Menschen ist es unangenehm, mit dem Verdacht auf eine Wurmerkrankung zum Arzt zu gehen. Unbegründet, wie die Expertin vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene versichert: »Infektionen mit den Parasiten kommen in allen sozialen Schichten und auch bei guter Haushaltshygiene vor.« Die Diagnose erfolgt über eine Anamnese sowie eine Stuhluntersuchung und speziell bei Madenwürmern auch über ein Abstrich-Präparat der Afterhaut, das der Arzt unter dem Mikroskop auf Wurmeier untersucht. Zur Behandlung verschreibt er eine sogenannte Wurmkur. Als Anthelminthikum kommen Wirkstoffe wie Mebendazol, Albendazol, Pyrantel oder Praziquantel zum Einsatz. Bei einem Madenwurmbefall ist es unerlässlich, die Therapie nach einigen Wochen zu wiederholen, um alle Entwicklungsstadien abzutöten. »Nahe Angehörige sollten zeitgleich behandelt werden, um ein Persistieren der Infektion in der Familie zu vermeiden«, erklärt da Costa. »Wichtig sind auch Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges gründliches Händewaschen, tägliches Wechseln von Unterwäsche und Bettwäsche und kurz geschnittene Fingernägel.« Bei Bandwürmern ist oft eine lebenslange Medikamenteneinnahme erforderlich und möglicherweise auch die operative Entfernung von Organzysten.
Um vorzubeugen, sollten nicht nur die Kinder vor dem Essen, nach dem Stuhlgang sowie nach dem Spielen mit Tieren die Hände gründlich mit Seife reinigen und Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Salat vor dem Essen gut abwaschen. Da Haustiere als Überträger fungieren können, sollten Tierbesitzer an eine regelmäßige Entwurmung denken. /