PTA-Forum online
Dexamethason

Knifflig bei der Verarbeitung

06.04.2018  13:41 Uhr

Von Ingrid Ewering / Bei seiner turnusmäßig stattfindenden Teambesprechung befasst sich das Team der Adler Apotheke diesmal mit den Tücken beim Einsatz von Dexamethason. Die Mitarbeiter haben sich für den entsprechenden ZL-Ringversuch angemeldet, weil der benachbarte Dermatologe den Arzneistoff häufig verordnet.

Frau Braun, eine in der Rezeptur sehr erfahrene Apothekerin, stellt Dexamethason als einen Klassiker der Wirkstärkeklasse I vor. Bei den schwach wirk­samen Arzneistoffen Hydrocortison, Prednisolon sowie dem Dexamethason treten die gefürchteten Nebenwirkungen wie Hautverdünnung (Atrophie) oder Hervortreten der Blutgefäße (Tele­angiektasie) bei bestimmungs­gemäßem Gebrauch nicht auf, da sie kaum antiproliferativ oder vaso­kon­s­trik­to­risch wirken.

Die Wirkstärke nimmt jedoch von dem nicht verschreibungspflichtigen Hydrocortison über Prednisolon zu Dexamethason zu. »Dexamethason kann bei Hauterkrankungen, die mit Verdickungen einhergehen, gute Dienste leisten«, betont Braun. »Aber die Konzentration muss begrenzt sein, damit die Haut nach der Behandlung nicht wie Pergament­papier aussieht«, schärft sie ihren Zuhörern ein und macht auf die obere Richtkonzentration aufmerksam. Diese darf die PTA nur überschreiten, wenn der Arzt hinter die Konzentration ein Ausrufezeichen gesetzt hat.

Zum Schluss erklärt sie, dass Dexamethason und Dexamethasonacetat therapeutisch äquivalent sind. »Doch wenn der Arzt den Alkohol Dexamethason verordnet, darf nicht das Acetat eingesetzt werden«, betont sie. »Denn es geht um den Wirkstoff und diesen dürfen wir nicht ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt austauschen (siehe Kasten).

Agglomerate verhindern

Die patente PTA Frau Klein erklärt, dass gerade mikronisierte Arzneistoffe dazu neigen, ihresgleichen zu suchen oder sich an andere Flächen anzuhaften. Denn durch die Agglomeratbildung oder Adhäsion an Grenzflächen der Herstellungsgeräte oder Mischwerkzeuge wird ein energieärmerer Zustand erreicht. »Dieses Phänomen kennen wir vom Zucker. Kristalliner Haushaltszucker verhält sich ganz anders als Puderzucker«, erklärt sie.

»Jetzt begreife ich, warum ich häufig den abgewogenen Wirkstoff nicht vom Wägeschälchen abkratzen kann«, erkennt die PTA-Praktikantin. Eine Kollegin rät, diesen mit dem Anreibemittel abzuspülen. Gemeinsam erarbeitet die Gruppe, dass sich eine ölige oder schmierende Flüssigkeit wie dickflüssiges Paraffin, mittelkettige Triglyceride, Propylenglycol oder Glycerol eignet. Die Oberfläche der Feststoffe wird benetzt und jedes Pulverpartikelchen liegt einzeln vor. Durch dieses Überziehen können die Feststoffe aneinander vorbeigleiten, und es entstehen weder Wirkstoffklümpchen noch haftet der Arzneistoff an den Herstellungsgeräten. »Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich die Auswahl einer geeigneten Flüssigkeit zum Anreiben«, betont die Vortragende. »Der Feststoff darf keinerlei Lösungstendenzen aufweisen, denn ansonsten rekristallisiert er. Die dabei erzeugten Kristalle sind viel größer als die teuer erstandenen mikronisierten Partikelchen.«

»Wie verhält sich Dexamethason denn zu den klassischen Anreibemitteln?«, fragt eine PTA. Gemeinsam lesen sie im Arzneibuch, dem Wirkstoffdossier der Gesellschaft für Dermo­phar­mazie sowie den Rezepturhin­weisen des NRF die Löslichkeit nach und notieren auf dem Flipchart, was sie dazu finden (siehe Kasten).

Tabelle 1: Schwach wirksame Glucocorticoide (Wirkstärkeklasse I)

Hydrocortison / Hydrocortisonacetat 0,25 bis 1 % ohne ausgeprägten anti­proliferativen und vasokonstrik­torischen Effekt; nicht allergen
Prednisolon / Prednisolonacetat 0,1 bis 0,5 % 4- bis 5-mal stärker wirksam als Hydrocortison; unerwünschte Effekte 1/3 geringer
Dexamethason / Dexamethasonacetat Klasse I bis II 0,01 bis 0,05 %; obere Richt­konzentration 0,1 % wirkt antiproliferativ und vasokonstriktorisch

»Na toll«, ruft die PTA Frau Müller enttäuscht. »Das hilft mir ja viel weiter. Wasser sowie Ethanol verwende ich nie zum Anreiben und lediglich Propylenglycol ist genannt. Und was in Gottes Namen ist Isopropylmyristat?« Die Apothekerin erklärt, dass dies eine farblose, ölige, gut spreitende sowie rückfettende niedrigviskose Flüssigkeit ist. Das NRF nutzt es wegen seiner guten Mischbarkeit mit Ethanol sowie Isopropanol für rückfettende Spiritusse.

Löslichkeit von Dexamethason

Ph.Eur.9.0

Löslichkeit:

praktisch unlöslich in Wasser, wenig löslich in wasserfreiem Ethanol, schwer löslich in Dichlormethan

Wirkstoffdossier der deutschen Gesellschaft für Dermopharmazie

Wasser: praktisch unlöslich,

Ethanol 96 %: 1 in 42 Teilen,

Propylenglycol: 1 in 100 Teilen

NRF Rezepturhinweis Dexamethason

in Wasser praktisch unlöslich beziehungsweise 10 mg/100 ml bei 25°C; wenig löslich in wasserfreiem Ethanol beziehungsweise löslich in etwa 42 Teilen Ethanol beziehungsweise 24 mg/ml sowie in Isopropylmyristat mit 23,3, mg/100 ml bei 37°C

Zurück zur Ausgangsfrage gelangt das Apothekenteam zu der Feststellung, dass sie das Anreibemittel in Abhängigkeit zur verwendeten Grundlage wählen. Bei den vaselinhaltigen Cremes bietet sich dickflüssiges Paraffin an. »Da Anreibemittel keine arzneiliche Wirkung besitzen oder die arzneiliche Wirkung nicht nachteilig beeinflussen, sind die galenisch notwendigen Zusätze ohne Nachfrage beim Arzt einzusetzen, selbst wenn sie nicht Bestandteil der verordneten Grundlage sind«, betont die Apothekerin zum Schluss. Direkt mit der Creme wird nur in Ausnahmefällen angerieben, da sich weiße Feststoffagglomerate in der weißen Creme viel schlechter erkennen lassen. Die Apothekenleiterin informiert ihr Team, dass ihre Dexamethason-Charge folgende Korngröße aufweist:

100 % ≤ 100 µm,

90 % ≤ 5 µm.

Gemeinsam gehen sie die korrekte Durchführung der Herstellung durch:

  • Die Einwaage erfolgt auf der Analysenwaage unter Berücksichtigung des Einwaagekorrekturfaktors sowie der Einwiegegrenze von bis zu + 1 % des Sollwertes.
  • Das quantitativ durch Abspülen mit dem Anreibemittel überführte Dexamethason wird sorgfältig unter häufigem Abschaben mit der Flüssigkeit angerieben. Dazu wird bei Wirkstoffmengen < 100 mg ein Teil Wirkstoff mit zehn Teilen Flüssigkeit eingesetzt.
  • Die flüssige Suspension wird mit dem Pistill an der Schalenwand hochgezogen, und beim Abfließen erfolgt die visuelle Kontrolle auf Abwesenheit von Agglomeraten.
  • Per »Augenmaß« ist etwa die gleiche Menge bis maximal ein Fünftel der Creme zuzugeben und durch sorgfältiges Homogenisieren entsteht ein »Handmade-Rezepturkonzentrat«.
  • Die restliche Crememenge wird in einem Arbeitsschritt zugegeben und nicht zu kräftig gemischt. So bläht die Creme aufgrund von eingearbeiteter Luft weniger auf und eventuell vorliegende Pulvernester werden »auseinandergezogen«. Die dafür notwendige Scherkraft überträgt sich vom Pistill nur, wenn die Creme auch Kontakt zueinander hat.
  • Kommt ein halbfestes Rezepturkonzentrat zum Einsatz, entfallen die Herstellungsschritte 2. und 3. Die Arbeitszeit verkürzt sich extrem, und die Qualität der Rezeptur steigt gerade bei so feinen Wirkstoffen wie dem Dexamethason. Die Firma apomix® bietet mit Dexamethason Verreibung 1 % eine hydrophile Verreibung an, die mit den oben genannten Grundlagen kompatibel ist. Auch das lästige Tragen einer Atemschutzmaske ist nicht nötig. Als Grundlage verwendet apomix® die nichtionische hydrophile Creme SR/DAC. Neu durch das Konzentrat hinzukommende Inhaltsstoffe sind nur namentlich auf dem Etikett zu vermerken.

Einsatz elektrischer Rührsysteme

Mit dem Stellenwert elektrischer Rührsys­teme beschäftigt sich das Apotheken­team zum Schluss der ­Besprechung. Zu jedem Ringversuch veröffentlichen die Hersteller der elek­trischen Mischsysteme Rührempfehlungen. Die Firma wepa rührt sowohl beim mikronisierten Pulver als auch beim Konzentrat lediglich 4:00 Minuten bei 1000 UpM mit dem Topitec® automatic.

Tabelle 2: Anreibemedien für Hydrophile Cremes

Anionische hydrophile Creme DAB Anionische hydrophile Creme SR / DAC Basiscreme DAC nichtionische hydrophile Creme DAB Nichtionische hydrophile Creme SR / DAC
Dickflüssiges Paraffin Glycerol Mittelkettige Triglyceride, Dickflüssiges Paraffin Dickflüssiges Paraffin Glycerol

Muss aufgrund des Lösungsverhaltens ein anderes als das genannte Anreibemittel zum Einsatz kommen, ist diese galenisch notwendige Zutat nur namentlich auf dem Etikett zu kennzeichnen.

»Nicht immer sind die Rührempfehlungen wie in diesem Fall identisch mit den Listenparametern«, sagt Klein. Beim Topitec Touch® wird ebenfalls nach Liste 50 g Creme weich gearbeitet: Anreiben hochtourig bei 2000 UpM für 0,30 Minuten (1. Stufe), dann für weitere 3:00 Minuten bei 1000 UpM endhomogenisieren (2. Stufe). Entsprechend hergestellte Proben mit 0,05 % Dexamethason in 50 g anionischer hydrophiler Creme DAB wurden vom Zentrallabor positiv überprüft.

»Aber muss nicht beim Topitec® extern in der Fantaschale angerieben werden?«, fragt Frau Müller. »Ja, das galt früher, bevor die Firma den etwas dicker gestalteten Rührer auf den Markt gebracht hat«, weiß die Apothekerin zu berichten.

Auch Frau Klein meldet sich zu Wort und erzählt lebhaft: »Ich habe früher in einer Apotheke mit einem Unguator e/s gearbeitet. Und stellt euch vor, die Grundlage sollte vor Verarbeitung von Dexa 30 Minuten im Kühlschrank vorgekühlt werden.« Das wird ansonsten bei wärmeempfindlichen Arzneistoffen wie Metronidazol empfohlen. »Ich hatte dort angerufen und als Grund wurde das Aufblähen der Creme genannt«, wusste sie zu berichten.

Das erklärt auch die etwas ungewöhnlichen Rührparameter: Anreiben mit 30 Prozent der Creme im Schongang (3:30 Minuten bei Stufe 4), End­homo­genisierung in nur 2 Minuten hoch­tourig bei Stufe acht. »Ich setze lieber das halbfeste Konzentrat ein, als das Herstellungsgerät nochmals zu öffnen. Das spart Zeit und Nerven«, meint die PTA-Praktikantin abschließend. /

So steht es im Gesetz

§ 7 Rezepturarzneimittel

(1) Wird ein Arzneimittel auf Grund einer Verschreibung von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind, hergestellt, muss es der Verschreibung entsprechen. Andere als die in der Verschreibung genannten Ausgangsstoffe dürfen ohne Zustimmung des Verschreibenden bei der Herstellung nicht verwendet werden. Dies gilt nicht für Ausgangsstoffe, sofern sie keine eigene arzneiliche Wirkung haben und die arzneiliche Wirkung nicht nachteilig beeinflussen können. Enthält eine Verschreibung einen erkennbaren Irrtum, ist sie unleser­lich oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht hergestellt werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist.

Quelle: ApBetrO

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