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Vorratsschädlinge

Ungebetene Mitesser

06.04.2018  13:42 Uhr

Von Carina Steyer / Kleine, weiße Maden, die munter durch die Müslipackung krabbeln, können einem bereits am Morgen so richtig den Appetit verderben. Wer sich nun auf die Suche nach weiteren unerwünschten Mitbewohnern macht, hat viel zu tun und wird häufig auch fündig. Fast alle Lebensmittel, bis auf Kaffee, Salz und reine Fette, können zum Futterparadies für Vorratsschädlinge werden.

Als Vorratsschädlinge bezeichnen Experten alle Organismen, die an eingelagerten Lebensmitteln fressen, diese verschmutzen oder ihren Lebenszyklus beziehungsweise Teile davon in diesem vollziehen. In Deutschland sind das neben Mäusen, Ratten und einigen Mi­kroorganismen etwa 80 verschiedene Insektenarten.

Ihr Spezialgebiet sind trockene, pflanzliche Nahrungsmittel. Besonders beliebt sind Getreide, Reis und Hülsenfrüchte sowie die daraus hergestellten Produkte (Mehl, Nudeln, Grieß, Müsli und Frühstückscerealien). Dazu kommen Nüsse, Trockenobst, Trockensuppen, getrocknete Tiernahrung, Ei- und Milchpulver, Gewürze, Tee, Kakao und Kakaoprodukte wie Schokolade und Pralinen. Alle diese Produkte finden Insekten nicht nur in Großlagern und lebensmittelverarbeitenden Betrieben, sondern auch beim Endverbraucher im Vorratsschrank in der Küche. Hier lagern sie häufig relativ lange in angebrochenen Verpackungen, weil sie nur selten gebraucht oder in kleinen Mengen verwendet werden. Für Insekten wie die Dörrobst- und die Mehlmotte, den Reismehl-, Brot- und Speckkäfer sind diese Umstände ideal. Sie können sich nahezu ungestört vermehren und unbemerkt im Vorratsschrank von Produkt zu Produkt ausbreiten.

Blinde Passagiere

Sind Vorratsschädlinge da, kommt schnell eine Frage auf: Wo kommen sie her? In den meisten Fällen lässt sich die Frage leicht beantworten. Vorratsschädigende Insekten werden fast immer durch den Menschen vom Supermarkt in die Wohnung transportiert. Ihre Versteckmöglichkeiten sind dabei äußerst vielfältig. In Verpackungen reichen bereits kleinste Löcher oder Risse, um Insekten Zugang zu gewähren. Die Larven der Lebensmittelmotte etwa können sich durch Löcher quetschen, die nur einen zehntel Millimeter breit sind. Auch Ritzen oder Falten von Verpackungsmaterialien sowie Transportkisten und Kartonagen sind ideale Verstecke.

Darüber hinaus wandern Insekten ebenso wie Ratten und Mäuse aktiv in Häuser und Wohnungen ein. Im Sommer sind geöffnete Fenster ein guter Weg ins Innere. Viele Insekten sind so klein, dass ihnen auch Ritzen an Fenstern und Türen, Risse in Wänden oder Versorgungsschächte vollkommen ausreichen. Ratten und Mäuse nutzen undichte Stellen im Gebäude. Anders als Insekten bevorzugen sie jedoch ruhige Räume mit direkter Futterquelle wie Vorratskammern oder Lagerräume und meiden den Kontakt zu Menschen. Ratten suchen häufig in der kalten Jahreszeit Zugang zu Gebäuden. Im Sommer leben sie im Freien in der Nähe von Gewässern. Im städtischen Raum findet man sie vorzugsweise in den Kanalisationssystemen.

Erkennen und Vorbeugen

Gegen das Einwandern von Vorratsschädlingen in Haushalte lässt sich kaum etwas tun. Vorbeugende Maßnahmen zielen deshalb darauf ab, vorratsschädigende Tiere frühzeitig zu entdecken und zu stoppen.

Das eindeutigste Anzeichen für einen Befall mit Vorratsschädlingen sind natürlich die Tiere selbst. Doch nicht immer krabbeln Maden durchs Müsli oder über die Schokolade. Oft sind gerade Insekten so klein, dass man sie auf den ersten Blick gar nicht erkennt und nur ihre Spuren entdeckt. So finden sich zum Beispiel Spinnfäden, Häutungsreste, Kokons oder Kot in Lebensmitteln und auf Verpackungen. Produkte wie Mehl oder Kakaopulver können ungewöhnlich klumpig erscheinen. Manchmal bemerkt man auch einen veränderten Geruch oder Geschmack der Produkte. Obwohl Ratten und Mäuse wesentlich größer als Insekten sind, erwischt man die scheuen Tiere nur selten auf frischer Tat. Hier gelten Haare, Kot, Tritt-, Urin-, und Nagespuren als typische Anzeichen für einen Befall.

Um einen Befall mit Vorratsschädlingen frühzeitig zu erkennen und einzudämmen, empfiehlt das Bundeszen­trum für Ernährung, Lebensmittel spätestens nach dem Einkauf genau anzuschauen. Sind alle Verpackungen dicht und unbeschädigt, keine Spinnfäden, Kokons oder Tiere zu sehen, steht dem Einlagern nichts im Weg. Angebrochene, trockene Lebensmittel sollten in dicht verschließbare Gefäße aus Metall, Glas oder Kunststoff umgefüllt werden. Vorbeugend empfehlen die Experten außerdem, alle selten benötigten Vorräte in zeitlichen Abständen auf einen Schädlingsbefall zu untersuchen. Und nicht zuletzt sollten Küche und Vorratsräume regelmäßig gereinigt und von Essensresten, Krümeln und Staub befreit werden.

Unangenehm und ekelerregend

Ein Befall mit vorratsschädigenden Insekten ist für viele Menschen ekelerregend. Gefahren für die eigene Gesundheit sind jedoch nicht zu erwarten. ­Insekten können keine Krankheitserreger auf den Menschen übertragen. Bekannt ist aber, dass empfindliche Menschen auf den Kot allergisch reagieren können. Sind die Larven behaart, treten manchmal auch Reizungen im Magen-Darm-Trakt auf. Um kein Risiko einzugehen, empfehlen Experten deshalb, alle befallenen Lebensmittel zu entsorgen. Dies geschieht am besten mit der Verpackung in einem dicht verschlossenen Müllsack, der direkt in die Mülltonne gebracht wird. Anschließend sollten alle betroffenen Schränke gründlich ausgewaschen und schwer zugängliche Ritzen ausgesaugt werden. Der Einsatz von chemischen Bekämpfungsmitteln ist nicht notwendig.

Auch wenn krabbelnde Maden unangenehm sind, zu einem echten Pro­blem werden Vorratsschädlinge in der Regel nur in der professionellen Lagerung. In Deutschland werden vor allem Getreide, Heil- und Gewürzpflanzen, Trockenobst und Tabak in großen Mengen eingelagert. Vorratsschädigende Insekten gelangen durch kleinste Ritzen in die Lagerhallen oder überdauern in Getreidevorräten von Mäusen unter der Erde oder in Strohballen mit Restkörnern. Werden sie nicht rechtzeitig bekämpft, befeuchten sie mit ihrem Atem die Lagerprodukte. Dadurch ebnen sie wiederum Milben und Mikroorganismen den Weg, die sich unter diesen Bedingungen ebenfalls rasch vermehren können. Besonders gefährlich ist die Ansiedlung von Schimmelpilzen, die das Produkt durch die Bildung von Pilzgiften (Mykotoxinen) zu einer Gesundheitsgefahr für Menschen und Tiere werden lassen. Bereits eine kleine Menge verschimmelter Getreidekörner führt dazu, dass der gesamte Lagerbestand vernichtet werden muss, weil sich die Pilzsporen überall hin ausbreiten. Jedes Jahr verursachen Vorratsschädlinge so große Lagerverluste. In Europa gehen Schätzungen zufolge bis zu vier Prozent der Getreideernte durch Vorratsschädlinge verloren. Weltweit wird der Ernteverlust auf bis zu 30 Prozent geschätzt. In Deutschland versuchen Wissenschaftler des Julius Kühn-Institutes in Berlin, Methoden zu entwickeln, mit denen Vorratsschädlinge an pflanzlichen Lagerprodukten vermieden, frühzeitig erkannt und bekämpft werden sollen. Ein Ansatz dafür ist, die Fraßgeräusche der Schädlinge akustisch zu erfassen. Damit wollen die Wissenschaftler nicht nur das Ausmaß des Befalls, sondern auch die Schädlingsart und das Entwicklungsstadium der Tiere bestimmen.

Gesundheitsgefahr

Anders als Insekten können Nagetiere humanpathogene Viren und Bakterien übertragen. Insbesondere der Befall mit Ratten gilt als gefährlich und muss umgehend bekämpft werden. Das gängige Mittel dafür sind Rodentizide, die in Form eines Fraßköders ausgebracht werden. Rodentizide enthalten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe. Sie bewirken, dass die Tiere die Fähigkeit zur Blutgerinnung verlieren und innerlich verbluten. Die Wirkung setzt einige Stunden bis Tage nach der Giftaufnahme ein. Eine Alternative zu Fraßködern sind Fallen. Für was man sich auch entscheidet, die Bekämpfung von Nagetieren ist nicht einfach. Aufgrund der schnellen Vermehrung kann ein Befall nur gestoppt werden, wenn alle Tiere entfernt werden. Doch vor allem Ratten sind sehr schlau. Sie lernen aus dem Schicksal ihrer Artgenossen, passen ihr Verhalten den veränderten Lebensumständen an und meiden Köder und Fallen. Zudem gibt es in einigen Regionen Deutschlands bereits Resistenzbildungen gegen häufig eingesetzte Rodentizide. Experten empfehlen deshalb, die Bekämpfung von Nagetieren durch ­einen professionellen Schädlingsbekämpfer vornehmen zu lassen. /