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Interview

Die richtige Dosierung schützt vor Nebenwirkungen

29.08.2008  10:40 Uhr

Interview

Die richtige Dosierung schützt vor Nebenwirkungen

von Sabine Laerum

Julia Kirchheiner ist Professorin für KlinischePharmakologie am Institut für Naturheilkunde und Klinische Pharmakologie der Universität Ulm. Sie setzt sich in ihrer Forschung unter anderem mit Nebenwirkungen von Medikamenten auseinander. Für PTA-Forum beantwortete sie Fragen zu Paracetamol und Ibuprofen.

PTA-Forum: Paracetamol und Ibuprofen sind die gängigen freiverkäuflichen fiebersenkenden Wirkstoffe für Kinder. Wirkt einer der beiden besser? 

Kirchheiner: Nein. Beide senken gleich gut Fieber und lindern Schmerzen. Wenn Stuhl im Darm ist, brauchen Zäpfchen eventuell etwas länger, bis sie resorbiert sind. Im Gegensatz zu Ibuprofen lindert Paracetamol keine Entzündungen oder Schwellungen. Daher würde ich bei fiebrigen Krankheiten, die mit einer Schwellung einhergehen, zum Beispiel Mittelohrentzündung oder Angina, eher zu Ibuprofen raten. 

PTA-Forum: Werden die beiden Wirkstoffe unterschiedlich verstoffwechselt?

Kirchheiner: Nein. Beide werden von ähnlichen Enzymen über die Leber abgebaut und durch die Nieren ausgeschieden. Im Gegensatz zu Ibuprofen bildet Paracetamol lebertoxische Abbauprodukte.

PTA-Forum: Wie gefährlich sind diese Metabolite? 

Kirchheiner: Einem älteren Säugling sollten sie nichts ausmachen, aber im ersten Lebensmonat eines Kindes oder bei Frühgeborenen muss man besonders vorsichtig sein. Diese Babys haben noch Enzymschwächen, was dazu führen kann, dass Arzneimittel oder deren Metabolite nicht abgebaut und ausgeschieden werden können. In so einem Fall kann Paracetamol durchaus lebertoxische Wirkungen haben. Zum Glück bekommen Neugeborene aufgrund des Nestschutzes sehr selten fiebrige Krankheiten, da sie in der Schwangerschaft Antikörper der Mutter aufgenommen haben. Falls doch, sollten die Eltern Paracetamol extrem vorsichtig und nur nach ärztlicher Anweisung dosieren, um Leberschäden vorzubeugen.

PTA-Forum: Welche Nebenwirkungen können Paracetamol und Ibuprofen denn verursachen?

Kirchheiner: Gemäß Lehrbuch wirkt Paracetamol anders als Ibuprofen. Daher würde man erwarten, dass es weniger Nebenwirkungen hat. Die Praxis zeigt aber, dass beide Stoffe bei Kindern dieselben Nebenwirkungen auslösen und diese sogar gleich häufig auftreten. 

Insbesondere verursachen beide Arzneistoffe Magen-Darm-Probleme, vor allem schädigen sie die Magenschleimhaut. Noch gefährlicher ist aber ihre nierentoxische Wirkung. Zu dieser kommt es besonders leicht, wenn ein Kind zu wenig trinkt, was bei Fieber ja schnell passiert. 

PTA-Forum: Wie häufig kommen diese Nebenwirkungen vor?

Kirchheiner: In einer Studie wurden insgesamt 464 Kindern mit Fieber über drei Tage behandelt. Bei etwa 2 Prozent waren die Leberwerte erhöht und bei circa 3 Prozent die Nierenwerte, die sich aber nach Absetzen der Medikamente wieder normalisierten. Schwerere Nebenwirkungen sind noch seltener. 

PTA-Forum: Wann müssen Eltern mit schwerwiegenden Problemen rechnen? 

Kirchheiner: Fieber ist ja oft nach drei Tagen ausgestanden. Nach dieser kurzen Zeit treten in der Regel keine Nebenwirkungen auf, vorausgesetzt, die Eltern setzen die Medikamente zurückhaltend ein. Geben sie diese aber zu hoch dosiert, über einen zu langen Zeitraum, oder ist der Patient dehydriert, muss man mit Nebenwirkungen rechnen. 

PTA-Forum: Worauf basieren eigentlich die Dosierungsangaben in der Packungsbeilage?

Kirchheiner: Leider gibt es keine Studien an Kindern für jedes Alter und jedes Körpergewicht, darum berechnen die Kinderärzte die Wirkstoffmenge nach dem jeweiligen Körpergewicht. Weil die Stoffwechselkapazität von Kindern ab einem halben Jahr bis gut in die Vorschulzeit hinein höher ist als bei Erwachsenen, sind die körpergewichtsbezogenen Dosierungsvorschläge ebenfalls oft etwas höher. 

PTA-Forum: Manche Kinderärzte empfehlen, Paracetamol und Ibuprofen im Wechsel zu geben. Was halten Sie davon?

Kirchheiner: Eine einzige Studie zeigte, dass das Fieber sich so besser senken ließ als mit nur einem Wirkstoff. Das lag aber wahrscheinlich nicht am Wechsel, sondern daran, dass die Eltern sich bei der Medikation an ein festes Zeit- und Dosierungsschema hielten. 

PTA-Forum: Wie verhalten sich Eltern am besten, wenn ihr Kind hoch fiebert?

Kirchheiner: 91 Prozent der Eltern haben Angst vor Fieber, etwa die Hälfte der Eltern geben Medikamente. Es wäre schön, wenn sie dabei im Hinterkopf behalten würden, dass selbst hohes Fieber eigentlich nicht gefährlich ist, Nebenwirkungen von Medikamenten dagegen schon. Wer die Temperatur mit Paracetamol oder Ibuprofen senken möchte, gibt am besten einen der beiden Wirkstoffe nach einem festen Zeitschema – also frühestens alle vier, eher alle sechs Stunden. Auch ein Wechsel der Medikamente ist möglich: Lehnt das Kind beispielsweise den Ibuprofensaft ab, können die Eltern auf Paracetamolzäpfchen wechseln. Das prinzipielle Abwechseln kann man wissenschaftlich jedoch nicht empfehlen. Sinkt das Fieber nicht sofort, sollten sich die Eltern nicht verrückt machen und von ihrem Schema abweichen. Denn zu häufig zu dosieren, ist ebenso gefährlich, wie zu hoch zu dosieren. 

PTA-Forum: Was halten Sie davon, Fieber mit homöopathischen Mitteln zu behandeln?

Kirchheiner: Studien zur effektiven Fiebersenkung mit homöopathischen Mitteln sind mir nicht bekannt. Wenn die Eltern sich entschließen, Fieber zu behandeln, sollten sie Arzneisubstanzen einsetzen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist.