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Migräne

Zuverlässige Hilfe bei Attacken

27.08.2008  10:51 Uhr

Migräne

Zuverlässige Hilfe bei Attacken

von Brigitte M. Gensthaler

Etwa 8 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Migräne. Im Alter zwischen 35 und 45 Jahren sind Frauen etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. Schnelle Hilfe tut Not, damit der hämmernde Schmerz im Kopf verschwindet. 

Wenn Patienten in der Apotheke ein Kopfschmerzmittel verlangen, sollten PTA oder Apotheker zunächst mit einigen Fragen klären, ob Migräne oder Spannungskopfschmerz vorliegt. Denn nur danach können sie das passende Arzneimittel empfehlen. Die Patienten profitieren doppelt: Sie erfahren rasch eine Erleichterung und vermeiden unnötigen Schmerzmittelgebrauch. Wie wichtig die kompetente Beratung in der Apotheke ist, bestätigt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG). Sie hat Empfehlungen zur Selbstmedikation bei Migräne und Spannungskopfschmerz im Internet veröffentlicht (www.dmkg.de). 

Charakteristisch für Migräne-Attacken sind pulsierende, pochende, hämmernde Schmerzen, die meist in einer Kopfhälfte auftreten und 4 bis 72 Stunden anhalten. Sie beginnen oft im Nacken und strahlen dann in Stirn, Schläfen und Augenregion aus. Acht von zehn Patienten leiden zusätzlich an Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen, sind lärm- und lichtempfindlich. Diese Begleitsymptome sind bei Spannungskopfschmerz gar nicht oder nur gering ausgeprägt. Außerdem beschreiben die Patienten diese Schmerzen meist als dumpf-drückend.

Eine »Aura« vor der eigentlichen Migräne-Attacke erleben nur 10 bis 15 Prozent der Patienten; sie sehen zum Beispiel plötzlich Lichtblitze, Zickzackmuster oder ihr Gesichtsfeld ist auf einmal eingeschränkt. Die Aura entwickelt sich über einige Minuten und hält maximal 60 Minuten an, bevor der typische Migräne-Schmerz einsetzt. 

Wichtig für die Unterscheidung der Kopfschmerzarten ist die Frage, wie sich leichte Bewegung, zum Beispiel Treppen steigen oder spazieren gehen, auswirkt: Im Gegensatz zum Spannungskopfschmerz wird Migräne bei körperlicher Belastung schlimmer. Migräne-Patienten wollen sich am liebsten in ein abgedunkeltes Zimmer zurückziehen, und viele sind während der Attacke absolut arbeitsunfähig.

Nicht jede Migräne sollten die Patienten auf eigene Faust behandeln. Bei schweren und lang anhaltenden Attacken ist der Arzt gefragt. Im Gespräch loten daher PTA oder Apotheker die Grenzen der Selbstmedikation aus. Der Gang zum Arzt ist dringend erforderlich, wenn

  • die Migräne erstmals auftritt, vor allem wenn der Patient älter als 50 Jahre ist,
  • die Attacken häufiger als viermal im Monat kommen oder länger als 24 Stunden dauern,
  • der Patient sich zwischen einzelnen Attacken nicht vollständig erholt, 
  • er an 15 oder mehr Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leidet, 
  • er über auffällige Begleiterscheinungen wie Bewegungs- oder Bewusstseins-störungen, Doppeltsehen oder Ohrgeräusche berichtet. 

Analgetika frühzeitig einnehmen

Für die Behandlung leichter und mittelschwerer Migräne-Attacken empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die DMKG ein peripher wirksames Analgetikum kombiniert mit einem Antiemetikum, informierte Professor Dr. Burkhard Hinz vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie der Universität Rostock beim Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Meran. 

Bei den nicht rezeptpflichtigen Wirkstoffen stehen Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac-Kalium, Naproxen und Paracetamol zur Auswahl. Auch die Fixkombination von ASS, Paracetamol und Coffein ist hilfreich. Verschreibungspflichtige Analgetika sind Metamizol und ASS-Lysinat, das der Arzt intravenös spritzt. Wichtig ist, dass die Patienten das Analgetikum schon bei der ersten Gabe ausreichend hoch dosieren (Tabelle). Eine schnellere Resorption und damit rasche Wirkung erreiche der Patient zum Beispiel mit Kau- oder Brausetabletten, sagte der Pharmakologe. 

Der Patient solle das Analgetikum zusammen mit einem Antiemetikum wie Metoclopramid oder Domperidon (beide rezeptpflichtig!) einnehmen, empfahl Hinz weiter. Diese Wirkstoffe regen die im Anfall deutlich reduzierte Magen-Darm-Tätigkeit an und gewährleisten die optimale Resorption des Schmerzmittels. 

Für den Einsatz der Medikamente gelten einige Regeln, auf die PTA oder Apotheker den Patienten hinweisen sollten:

  • Das Analgetikum gleich bei den ersten Beschwerden einnehmen. Die Wirkung tritt meist innerhalb von 30 bis 40 Minuten ein und hält bis zu acht Stunden an. 
  • Wenn sich die Beschwerden nicht ausreichend bessern, können Patienten eine weitere Dosis des Präparats nehmen. Dabei dürfen sie die Tageshöchstdosen nicht überschreiten (Tabelle). 
  • Bei Übelkeit und Erbrechen bieten Paracetamol-Zäpfchen eine Alternative zur Tablette.

Nicht rezeptpflichtige Medikamente zur Behandlung von Migräne-Attacken

Arzneimittel Einzeldosis (mg) Tageshöchstdosis (mg)
Acetylsalicylsäure 1000 3000
Ibuprofen 200 bis 600 1200
Naproxen 500 bis 1000 1250
Diclofenac-Kalium 50 bis 100 200
Paracetamol 1000 4000
Acetylsalicylsäure 250 1500
+ Paracetamol + 200 + 1200
+ Coffein + 50 + 300
Naratriptan 2,5 5

Im Beratungsgespräch sollten PTA oder Apotheker sich erkundigen, ob der Patient an Magen-Darm-Geschwüren und -blutungen sowie erhöhter Blutungsneigung leidet. Dann sind ASS, Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac nicht geeignet. Paracetamol ist bei Menschen mit Leber- und Nierenschäden kontraindiziert.

Triptane als starke Waffen 

Wenn die Schmerzen sehr stark sind, die Analgetika nicht ausreichend wirken oder die Patienten diese Wirkstoffe nicht vertragen, sind Triptane angezeigt. Diese Arzneistoffe sind bei akuten Migräne-Attacken am besten wirksam, bestätigt die DMGK. In Deutschland sind sieben Substanzen zugelassen, die sich in der Pharmakokinetik unterscheiden: Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan. Nur Naratriptan darf ohne Rezept abgegeben werden. 

Als »Goldstandard« gelte nach wie vor die erste Substanz dieser Arzneistoffgruppe, das Sumatriptan, das in fünf Darreichungsformen im Handel ist, sagte Hinz. Am schnellsten wirkt die subkutane Gabe. Für Patienten mit Übelkeit und Erbrechen eignen sich nasal oder rektal anzuwendende Arzneiformen. Schmelztabletten, die sich ohne Nachtrinken im Mund auflösen, gibt es inzwischen mit Sumatriptan, Zolmitriptan und Rizatriptan. 

Aufgrund der guten Verträglichkeit und der anhaltenden Wirkung steht Naratriptan (2,5 mg) für die Selbstmedikation zur Verfügung. Die maximalen Wirkspiegel werden nach zwei bis drei Stunden erreicht; dies ist langsamer als beispielsweise bei Rizatriptan, Almotriptan und Eletriptan. In der Praxis sind zwar zwei Stunden nach der Einnahme von Naratriptan weniger Patienten schmerzfrei als bei einem anderen Triptan. Dafür hält die Wirkung jedoch länger an. Das hat Vorteile für Patienten, die an Wiederkehr-Kopfschmerz (»headache recurrence«) leiden. 

Was bedeutet »Recurrence«? Nach anfänglicher Linderung kehrt der Kopfschmerz bei 15 bis 40 Prozent der Patienten innerhalb von 2 bis 24 Stunden zurück. Dann ist die nächste Triptan-Dosis in der Regel genauso wirksam wie die vorherige, allerdings dürfen die Patienten die Tagshöchstdosis nicht überschreiten. Ist aber schon die erste Gabe eines Triptans unwirksam, macht es keinen Sinn, in derselben Migräne-Attacke eine zweite Dosis zu applizieren, schreibt die DMGK in ihrer Leitlinie. Wer bei mehreren Attacken auf zwei verschiedene Triptane nicht anspricht, gilt als Non-Responder.

Für Patienten, die regelmäßig an »Recurrence« leiden, eignen sich Naratriptan oder Frovatriptan. Die in den USA für Arzneimittel zuständige Behörde FDA empfiehlt auch die Kombination aus 85 mg Sumatriptan und 500 mg Naproxen peroral. In Deutschland ist kein Präparat mit dieser Fixkombination im Handel. 

Noch einige Tipps für die Praxis: 

  • Triptane wirken besser, wenn der Patient sie bei den ersten Anzeichen einer Migräne einnimmt, jedoch keinesfalls in der Auraphase! Dann verstärken sie die für die Aura typischen Gefäßverengungen.
  • Die Kombination eines Triptans mit einem Antiemetikum ist möglich, aber meist nicht nötig. Bei starker Übelkeit sind Zäpfchen, Nasensprays oder Schmelztabletten empfehlenswert, aber leider für die Selbstmedikation nicht verfügbar.  
  • Achtung: Triptane helfen nicht gegen Spannungskopfschmerz. 

Nicht zu oft einnehmen

Alle Triptane, Analgetika und das Mutterkornalkaloid Ergotamin könnten bei zu häufiger Einnahme selbst zu Medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzen oder zu chronischer Migräne führen, warnte Hinz. Analgetika sollten die Patienten daher an maximal 15 Tagen im Monat und Triptane nicht häufiger als an 10 Tagen einnehmen. Gleiches gilt für Ergotamin, das der Arzt ohnehin nur Patienten mit sehr langen und wiederholten Attacken verordnet.

Leiden die Patienten häufiger als dreimal im Monat an Migräne oder dauern die Attacken länger als drei Tage, sollten sie mit ihrem Arzt über eine vorbeugende Behandlung sprechen. Alle Prophylaktika der ersten Wahl sind verschreibungspflichtig. Phytopharmaka mit Pestwurz oder Mutterkraut sowie Magnesium zur Prophylaxe sind laut DMKG weniger gut geprüft und zählen zu den Mitteln zweiter Wahl. Hängt die Migräne bei Frauen vom hormonellen Zyklus ab, kann eine Prophylaxe mit zweimal täglich 500 mg Naproxen sieben Tage vor bis sieben Tage nach der Periode erfolgreich sein. 

»Migräne ist nicht heilbar, aber behandelbar«, resümierte der Pharmakologe in Meran. Jedoch werde die Erkrankung oft nicht richtig erkannt und unzureichend therapiert. Da viele Patienten den Unterschied zwischen Migräne und Spannungskopfschmerz nicht genau kennen, ist die Beratung in der Apotheke unerlässlich. So kann das passende Medikament dem quälenden Kopfschmerz bald ein Ende bereiten. 

Der homöopathische Tipp

Hat der Patient seine Migräne ärztlich abklären lassen und möchte ein Homöopathikum einnehmen, können PTA oder Apotheker ihm einiges empfehlen. Wichtig: fünf Globuli möglichst frühzeitig bei den ersten Migränezeichen in die Backentasche stecken und die Gabe vier- oder fünfmal halbstündlich wiederholen. Als Potenz eignen sich D6 oder D12.

Belladonna hat sich bewährt bei berstenden, klopfenden, pochenden Kopfschmerzen, die plötzlich einsetzen und meist rechtsseitig lokalisiert sind. Das Gesicht ist gerötet, heiß und verschwitzt, aber an Armen und Beinen friert der Patient oft. Er ist sehr berührungsempfindlich. Licht, Sonne, Bewegung und Geräusche verstärken noch die Beschwerden. Dumpfe pulsierende Kopfschmerzen, die im Nacken beginnen und sich über den Augen festsetzen, weisen auf Gelsemium hin. Der Patient fühlt sich benommen und sieht schlechter (schwere Augenlider). Gelsemium eignet sich für nervöse, sensible, sehr ängstliche Menschen, die auf schlechte Nachrichten oder Aufregung mit Kopfschmerzen reagieren. Wasserlassen bessert die Beschwerden.

Migräne mit Sehstörungen, Stirnkopfschmerz, Sodbrennen, Übelkeit, saurem Erbrechen und Durchfall – und das Ganze immer an Feier- oder Ruhetagen: ein typischer Fall für Iris versicolor. Die »Wochenendmigräne« tritt häufig auch nach nervlicher Überlastung auf.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
bm.gensthaler(at)t-online.de