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Gewürze aus aller Welt

Der Geschmack des Südens

20.07.2012  15:11 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler / Der aromatische Duft des Oregano weckt sicher bei vielen Menschen Erinnerungen an einen Italien­urlaub; ganz bestimmt denken die meisten an eine köstliche Pizza. Der botanisch verwandte Majoran würzt als Klassiker die Wurst.

Beide Würzkräuter stammen aus der Familie der Lamiaceen. Oregano (Origanum vulgare L.) ist ein typischer Lippenblütler der Mittelmeerregion, in Deutschland auch bekannt als Dost oder Wilder Majoran. Dennoch handelt es sich bei Oregano nicht um eine Wildform des Majorans (Majorana hortensis Moench).

Oregano oder Dost

Die Bewohner der Mittelmeerländer nutzen Oregano seit Jahrhunderten. Im antiken Griechenland waren die heimischen Dost-Arten ebenfalls sehr beliebt. Der Philosoph und Naturforscher Theophrastus von Eresos (374 bis 288 v. Chr.), der auch als »Vater der alten Botanik« gilt, führte in seinen Schriften Dost als Heilpflanze auf. Der griechische Arzt Pedanios Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) empfahl Oregano beim Biss wilder Tiere.

Zudem schätzten die Menschen die würzige Pflanze als Küchenkraut. Die Köche im alten Rom liebten das kräftige Aroma, um Fisch- und Kalbfleischgerichte abzurunden. Außerdem diente Oregano als Heilkraut bei Entzündungen. Heute gehört Oregano zu den typischen Pflanzen in Kräuter- und Klostergärten.

Verschiedene Arten der Gattung Origanum sind im Mittelmeergebiet heimisch. Die Pflanze ist aber auch in Irland, Schottland und Mittelskandinavien verbreitet, im Osten kommt sie bis Sibirien, im Himalaya und im Iran vor. Wichtig ist ein sonniger trockener Standort: Oregano wächst vor allem auf Trockenwiesen und Magerrasen sowie an den Rändern sonniger Hecken und auf Kahlschlägen. Er bevorzugt kalkhaltige Böden und gedeiht in Höhenlagen bis hinauf zur Laubbaumgrenze.

Mexikanischer Oregano

Etwas irreführend ist die Bezeichnung »Mexikanischer Oregano« für ein Gewürz, das in Mexiko und den USA sehr beliebt ist. Es stammt von Lippia graveolens, einem Eisenkrautgewächs (Verbenaceae), das eng mit der Zitronenverbene verwandt ist. Das ätherische Öl ist ähnlich zusammengesetzt wie bei Origano vulgare und enthält Thymol, Carvacrol, Cymen und weitere Monoterpene. Daraus resultiert ein sehr ähnliches, aber stärkeres Aroma. Mit Mexikanischem Oregano geben die Köche in Mexiko und im Süden der USA dem Chili con carne, einem mit Chili geschmorten Fleisch, den typischen Geschmack. Meist wird der Mexikanische Oregano kombiniert mit anderen kräftigen Gewürzen, zum Beispiel Chili, Paprika, Knoblauch oder Zwiebeln sowie Kreuzkümmel.

Die kräftige ausdauernde Staude wächst bis zu 50 cm hoch und blüht von Juli bis September hell violett bis karminrot. Oregano ist eine gute Futterpflanze für Bienen und Schmetterlinge, die auch die Blüten bestäuben. In Südeuropa und den USA wird das Kraut auf Feldern kultiviert, doch nur in sonnigem warmem Klima entfaltet die Pflanze ihr volles Aroma. Wer Oregano im Garten heranzieht, kann sich nicht nur am würzigen Duft erfreuen, sondern auch laufend frische Blättchen oder Triebspitzen ernten. Zur Haupternte sollte man die unverholzten Stiele abschneiden und die Blätter trocknen, denn beim Abreißen reißt man leicht den Wurzelstock heraus. Das getrocknete Kraut riecht und schmeckt meist aromatischer als das frische.

Für das Aroma sorgt vor allem das terpenreiche ätherische Öl, das unter anderem die Phenole Carvacrol und Thymol enthält. Daher riecht Dost manchmal ähnlich wie Thymian. Daneben kommen Gerb- und Bitterstoffe vor. In der Volksmedizin wird die Droge bei Verdauungsbeschwerden, Husten und Erkrankungen der oberen Atemwege eingesetzt. Außerdem soll sie den Gallenfluss und den Appetit anregen. Allerdings hat die frühere Kommission E am Bundesgesundheitsamt (BGA) für Dostenkraut eine »Null-Monographie« erstellt. Das heißt, dass sie die Wirksamkeit wissenschaftlich als nicht ausreichend belegt ansah, Risiken jedoch nicht bekannt waren.

Umso bedeutender ist das Kraut als Küchengewürz. Getrockneter Oregano passt gut zu eingelegten Oliven und Kapern sowie zum Einlegen sonnengetrockneter Tomaten. Unverzichtbar ist er für italienische Tomatensaucen, gebratenes Gemüse und gegrilltes Fleisch. Und für die Pizza! Obwohl die »Urform« der Pizza mit Basilikum zubereitet wurde, ist Oregano derzeit das klassische Pizzagewürz.

Eine Pizza besteht aus Brotteig, der auf einer Seite mit einer Tomatenpaste bestrichen, mit diversen Zutaten belegt und dann gebacken wird. Lange Zeit war das »einfache« Tomatenbrot in Italien ein Grundnahrungsmittel armer Leute. Das änderte sich – der Legende nach – im Jahr 1889, als sich König Umberto mit seiner Gattin Margherita in Neapel aufhielt. Zu Ehren der Königin variierte ein Bäcker die Pizza: Zusätzlich zur roten Tomatenpaste belegte er den Teig mit weißem Mozzarella-Käse und grünen Basilikumblättern – entsprechend den Farben der italienischen Nationalflagge. Die »Pizza Margherita« verbreitete sich in Italien und später in der ganzen Welt.

Vergleichbar beliebt ist Oregano in Griechenland. Mit den getrockneten Blättern würzen Griechen den Bauernsalat aus frischem Gemüse, Oliven und gewürfeltem Feta-Käse, die beliebten Lammfleisch-Spießchen »Souvlaki« und Gyros vom Drehspieß. Manche Grillfreunde spießen die Fleischstückchen direkt auf verholzte Oregano-Stängel auf.

Oregano ist heute Bestandteil fast jeder mediterranen Gewürzmischung und gehört zu den »Kräutern der Provence«. In Mexiko lieben die Menschen das sehr ähnliche Aroma des Mexikanischen Oregano (siehe Kasten).

Parfümöl der Römer

Viele Menschen verwechseln Oregano und Majoran. Zwar sind die Pflanzen botanisch eng verwandt, aber Gartenmajoran (Majorana hortensis) riecht und schmeckt anders: milder, etwas süßlich und leicht brennend. Das ätherische Öl des Majorans enthält als Hauptinhaltsstoffe Monoterpenalkohole wie Sabinen und Sabinenhydrat. Der Syrische Majoran (Majorana syriaca) ist erheblich aromatischer und steht geschmacklich zwischen Gartenmajoran und Oregano.

Die Heimat des Majorans liegt vermutlich im östlichen Mittelmeergebiet. Er ist seit der Antike bekannt und diente den Römern als Duftzusatz für Parfümöle und als Küchengewürz. Auch in den Gärten ihrer Provinzen nördlich der Alpen kultivierten die Römer neben Gemüse zahlreiche Gewürze, zum Beispiel Liebstöckel, Majoran, Melisse, Dill, Bohnenkraut, Borretsch und Sellerie. Majoran war nicht nur Heilkraut, sondern galt auch als Liebeszauber. So sollen überanstrengte Liebhaber versucht haben, sich für das nächste Abenteuer mit Wein, der mit Majoran gewürzt war, wieder zu stärken.

Majoran in Wundsalben

In der Volksheilkunde verwendeten die Menschen die Droge früher bei Magenbeschwerden, zur Krampflösung und als harntreibendes Mittel. Majoran­salben hatten ihren Platz als Wundsalben. Allerdings warnte die frühere Kom­mission E beim BGA davor, Salben mit ­Majoranöl bei Säuglingen und Kleinkindern anzuwenden, da keine ausreichenden Studien dazu vorliegen.

Das beliebte Gewürz wird heute in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas ebenso wie in Amerika angebaut; die Verbreitung soll sich bis Vorderindien erstrecken. Majoran gedeiht auch im Garten, bevorzugt allerdings einen sonnigen warmen Standort und durchlässigen kalkhaltigen Boden. In Mitteleuropa ist der bis zu 50 cm hoch wachsende Halbstrauch meist einjährig. Alle grünen Teile der Pflanze sind flaumig behaart, sodass das Kraut graugrün bis weißlich aussieht. Majoran blüht zwischen Juli und September weiß bis blasslila oder rosa. Man kennt verschiedene Sorten, aber für die Ausbildung des Aromas ist ein warmes Klima entscheidend.

Die Blätter und jungen Triebe des Gartenmajorans lassen sich laufend frisch ernten. Während der Haupternte ab Juli wird die Pflanze ungefähr 20 cm über dem Boden abgeschnitten und getrocknet. Allerdings verliert sie dabei erheblich an Aroma. Manche Kräuterexperten frieren die Blätter lieber ein oder legen sie in Öl ein.

Ab in die Wurst

Getrockneter Majoran ist in der Lebensmittelzubereitung außerordentlich wichtig und in fast allen Wurstfertigmischungen enthalten. Daher wird er auch Wurstkraut genannt. Auch zu gekochter und gebratener Leber, in Ragouts, zu Geflügel- und Kaninchenbraten und deftigen Gemüsegerichten ebenso wie zu Erbsensuppe passt Majoran. Ein Klassiker ist das österreichische Majoranfleisch, ein Rindfleischragout in Rahm. Ausgezeichnet schmecken auch Majoran-Kartoffeln.

Frischer Majoran ist in der südeuropäischen Küche besonders beliebt und eignet sich beispielsweise für zarte Fischgerichte. Im Orient dominiert der kräftigere Syrische Majoran, zum Beispiel für gegrilltes Lamm oder Brotfladen. Der arabische Name »Zahtar« meint aber nicht nur Majoran, Thymian und Bohnenkraut, sondern – vor allem in Jordanien – auch eine Mischung dieser Kräuter mit Sesam und Sumach. Wer mit Syrischem Majoran kochen will, diesen aber nicht erhält, ersetzt ihn am besten durch milden Thymian und/oder Bohnenkraut. /

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