Keine Gürtelrose ohne Windpocken |
20.07.2012 14:58 Uhr |
Von Ute Koch / Die Gürtelrose (Zoster, Herpes zoster) ist eine Viruserkrankung, ausgelöst durch eine Reaktivierung des Windpockenvirus. Demnach können nur diejenigen Personen an dem schmerzhaften Bläschenausschlag erkranken, die in ihrem früheren Leben mit diesem Virus infiziert worden sind.
Der Krankheitsname Gürtelrose bezieht sich auf den Bläschenausschlag. Dieser zieht sich zumeist wie ein Gürtel oder Band, überwiegend halbseitig, um den Körper. Neben dem Hautausschlag können (müssen aber nicht) unerträglich starke Schmerzen auftreten. Schlimmstenfalls bilden sich diese nach Abheilen des akuten Zosters nicht mehr zurück. Die Medizin spricht dann von einer Postzosterischen Neuralgie (PZN), die bei vielen Betroffenen einen enormen Leidensdruck erzeugt und die häufigste Komplikation der Krankheit ist.
Bei manchen Patienten befallendie Viren eher untypische Haut- regionen.
Fotos: Professor Dr. Gerd Plewig
Die Gruppe der Herpesviren
Die Familie der humanen Herpesviren (Herpesviridae) besteht aus drei Subfamilien: Varicella-Zoster-Virus (VZV) gehört zur Alpha-Subfamilie (Alphaherpesvirinae) zusammen mit Herpes-simplex-Virus Typ 1 und Typ 2. Ein Beispiel für die Beta-Subfamilie ist das Humane Zytomegalievirus und für die Gamma-Subfamilie das Epstein-Barr-Virus. Alle Herpesviren haben etwas Wesentliches gemeinsam: Nach der Erstinfektion (die symptomlos verlaufen kann) „versteckt“ sich das Virus im Organismus. Unter bestimmten Umständen (i. d. R. eine Abwehrschwäche) kann es wieder reaktiviert werden und erneut eine Krankheit auslösen. Im Falle des VZV äußert sich die Erstinfektion in Form der Windpocken (Varizellen) und die Reaktivierung des Virus in Form der Gürtelrose. Das zwischenzeitliche „Versteck“ der VZV sind die Nervenknoten des Rückenmarks oder des Hirns. Bei Reaktivierung wandert das Virus entlang sensibler Nervenfasern zur Haut.
Erstinfektion Windpocken
Das VZV ist ein hoch kontagiöses (ansteckendes), weltweit verbreitetes Virus, mit dem sich nahezu jeder im Laufe seines Lebens infiziert. In gemäßigten Klimazonen, wie sie in Mitteleuropa vorherrschen, geschieht dies in der Mehrzahl der Fälle schon vor dem zehnten Lebensjahr. In tropischen Regionen setzt die Durchseuchung deutlich später ein. Vermutlich, weil die Übertragung des Virus im heißen, feuchten Klima weniger effektiv verläuft als in kühleren Regionen. Hauptinfektionsquelle sind – unabhängig von der Region - akut an Windpocken erkrankte Personen. Diese scheiden das Virus über die Atemwege aus. So erfolgt die Übertragung von Person zu Person vorrangig über Tröpfcheninfektion. Die Übertragung via Atemluft und die hohe Kontagiosität (Ansteckungskraft) des Virus drückt der – bereits 1764 geprägte – Krankheitsname Windpocken („vom Winde übertragen“) aus. Vor Einführung der Varizellenimpfung erkrankten in Deutschland jährlich rund 750.000 Menschen an Windpocken.
Epidemiologie des Zoster
Prinzipiell kann die Erkrankung in jedem Alter auftreten. Mit Abstand am häufigsten erleiden ältere Menschen einen Zoster sowie altersunabhängig Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr. Etwa ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko, eine Gürtelrose zu erleiden, sprunghaft an. Als Hauptgrund hierfür wird die altersbedingte, nachlassende Aktivität des Immunsystems angenommen. So erkrankt jeder Zweite, der das 85. Lebensjahr erreicht, im Laufe seines Lebens an einem Zoster. Für immunsupprimierte Menschen ist das Zosterrisiko in allen Altersgruppen hoch. Dies betrifft ganz besonders Menschen mit AIDS, malignen Lymphomen, Leukämie sowie Personen nach einer Knochenmarks- oder Organtransplantation. Während bei Immunsupprimierten ein Zoster wiederholt auftreten kann, erkranken Immungesunde in aller Regel nur einmal im Laufe ihres Lebens daran. Schätzungsweise gibt es in Deutschland jährlich 350 000 Zosterfälle.
Verlauf und Hautbild der Gürtelrose
Dem Bläschenausschlag geht eine Prodromalphase von zwei bis fünf Tagen voraus. In dieser Zeit fühlt sich der Patient müde und abgeschlagen, eventuell hat er Fieber. Häufig verspürt er rund um das Hautareal, an dem später der Bläschenausschlag auftritt, brennende Schmerzen oder Sensibilitätsstörungen. Zum Ende der Prodromalphase zeigen sich dann gruppiert stehende Knötchen (Papeln), aus denen sich binnen weniger Stunden Bläschen entwickeln. Anfangs sind diese mit klarer Flüssigkeit gefüllt. Nach etwa zwei bis drei Tagen trüben sie ein, fließen zusammen und trocknen danach aus, wobei sie ausgeprägte Krusten bilden können. Typisch ist, dass der Bläschenausschlag auf das Hautgebiet (Dermatom) beschränkt bleibt, das der von VZV befallene Nerv versorgt. Bei immungesunden Menschen heilt ein Zoster nach etwa zwei bis vier Wochen ab. Bei Immunsupprimierten besteht die Gefahr, dass sich die Krankheit großflächig ausweitet.
PZN und ihre Prophylaxe
Die PZN ist die bekannteste und am meisten gefürchtete Spätfolge des Zoster. Eine solche liegt vor, wenn Schmerzen oder Missempfindungen länger als vier Wochen nach Abheilen des Hautausschlags anhalten oder diese nach einer Pause erneut auftreten. Das Risiko, eine PZN zu bekommen, steigt mit zunehmendem Lebensalter immens an. Ursache der PZN ist die viral bedingte Zerstörung von Nervenzellen. Aus diesem Grund trägt die frühzeitige und konsequente antivirale Therapie entscheidend zur PZN-Prävention bei. Je rascher die Virusvermehrung gestoppt wird, desto weniger Nervenzellen erleiden Schäden. Hier kommt der PTA und dem Apotheker eine wichtige Beratungsaufgabe zu, den betreffenden Patienten oder seine Bezugsperson auf dieses Problem hinzuweisen und dringend zur Compliance anzuhalten. Die Prävention der PZN ist auch ein nennenswerter Grund, weshalb die antivirale Therapie so früh wie möglich beginnen muss (s. unten). Aus diesem Grund ist auch Apothekenkunden mit Verdacht auf einen Zoster dringend zu einem sofortigen Arztbesuch zu raten.
Beispiele für weitere Komplikationen
Nicht selten tritt der Zoster im Kopfbereich auf. Aus der Nähe zum Gehirn und zu den Sinnesorganen resultiert eine Vielzahl möglicher Komplikationen. An erster Stelle steht eine Mitbeteiligung des Auges, die schlimmstenfalls zur Erblindung führen kann. Ebenfalls möglich sind Hör-, Gleichgewichts- oder Geschmacksstörungen. Häufig ist auch die Fazialisparese, eine Lähmung von Gesichtsnerven. Tritt ein Zoster außerhalb des Kopfes auf, kann er ebenfalls eine Reihe an Komplikationen bewirken: etwa eine Zwerchfelllähmung, Hernie (Bruch) der Bauchwand oder Harnblasendysfunktion. Gelangen Viren in die Arterien, besteht das Risiko einer Myelitis (Rückenmarksentzündung) oder Enzephalitis (Gehirnentzündung). Nicht alle Komplikationen bilden sich wieder vollständig zurück.
Charakteristisch ist der Bläschen- ausschlag in Form eines Gürtels.
Vier zugelassene Virustatika
Wird die antivirale Therapie frühzeitig begonnen, können Gewebeschäden – insbesondere Schäden der betroffenen Nervenzellen minimiert oder sogar verhindert werden. Damit verbunden sind eine Verkürzung der akuten Krankheitsphase und das Vermeiden oder Mildern von Komplikationen, insbesondere der PZN.
In Deutschland sind zur Zostertherapie vier orale Virustatika verfügbar: Aciclovir (Zovirax® und diverse Generika), Brivudin (Zostex®), Famciclovir (Famvir®) und Valaciclovir (Valtrex®, Valaciclovir Bluefish). Alle oralen Darreichungsformen sind für immunkompetente Zosterpatienten zugelassen. Aviclovir ist zusätzlich zur i. v.-Infusion am Markt. Für die Therapie von Kindern und Jugendlichen ist ausschließlich Aciclovir (oral und i. v.) zugelassen. Ausreichende Erfahrungen bei Schwangeren liegen für Aciclovir und Valaciclovir (Prodrug von Aciclovir) vor.
Therapiebeginn und -dauer
Die Dauer der antiviralen Behandlung umfasst in der Regel sieben Tage, bei immunsupprimierten Patienten oder schweren Verlaufsformen auch zehn Tage. Der Beginn sollte sofort erfolgen, maximal 72 Stunden nach Auftreten der Bläschen. Ein späterer Therapiebeginn ist nur sinnvoll, wenn noch frische Bläschen erkennbar sind, Anzeichen einer Ausbreitung auf innere Organe bestehen, der Patient immunsupprimiert ist oder ein stark ausgeprägter Zoster des Auges oder des Ohres besteht. Bei immunsupprimierten Patienten besteht die Gefahr, dass sich der Zoster großflächig ausweitet. Daher wird bei dieser Patientengruppe Aciclovir i. v. als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Eine zugelassene, orale Alternative ist Famciclovir in verschiedenen Dosierungen.
Orale Virustatika im Vergleich
Präparate mit Famciclovir und Valaciclovir sind vergleichbar hochpreisig. So sind Präparate mit Brivudin und Aciclovir die in Deutschland am häufigsten verordneten bei der Indikation Zoster. Famciclovir, Valaciclovir und Brivudin sind dem Aciclovir überlegen und zwar aufgrund ihrer Pharmakokinetik, Bioverfügbarkeit und einfacheren Applikation. Aciclovir muss fünfmal täglich eingenommen werden, Famciclovir und Valaciclovir dreimal täglich und Brivudin sogar nur einmal täglich. Die Einmalgabe von Brivudin wirkt sich positiv auf die Compliance aus, insbesondere bei älteren Menschen. Diese sind zum einen am häufigsten von einem Zoster betroffen, und müssen zum anderen wegen anderer Krankheiten noch weitere Arzneimittel nehmen. Ein weiterer nennenswerter Vorteil von Brivudin ist, dass bei einer mäßigen bis starken Niereninsuffizienz keine Dosisanpassung erfolgen muss, ebenso nicht bei älteren Menschen (Risiko altersbedingter Nierenfunktionsstörungen). Darüber hinaus haben klinische Studien gezeigt, dass das PZN-Risiko unter Brivudin um 25 Prozent niedriger ist als unter Aciclovir.
Cave: Brivudin und 5-Fluorouracil
Brivudin (Zostex®) darf in keinem Fall gleichzeitig oder zeitnah mit 5-Fluorouracil (5-FU), enthalten in diversen Chemotherapeutika, einschließlich seiner topischen Zubereitungen gegeben werden. Das gleiche gilt für 5-FU-Derivate (zum Beispiel Flucytosin = Ancotyl®) oder 5-FU-Prodrugs (zum Beispiel Tegafur/Uracil = UFT®, Capecitabin = Xeloda®). Bei Letzteren gilt besondere Vorsicht, weil aus deren Substanznamen nicht sofort hervorgeht, dass es sich um 5-FU handelt. Brivudin bewirkt eine irreversible Hemmung des Enzyms, das den Abbau der 5-FU reguliert, woraus eine höchst lebensbedrohliche Wechselwirkung resultiert. Ein entsprechender Warnhinweis ist bereits auf der Faltschachtel aufgebracht.
Schmerz- und Lokaltherapie
Die Schmerztherapie ist eine zwar häufig vernachlässigte, aber extrem wichtige Säule der Zostertherapie. Sie ist notwendig, um den Patienten unnötiges Leid während der akuten Krankheitsphase zu ersparen. Noch viel mehr dient sie aber der Prävention der PZN, indem durch eine ausreichende Analgesie das Schmerzgedächtnis ausgeschaltet wird. Bei starken Schmerzen können Opiate (auch BTM) und/oder Koanalgetika (zum Beispiel Antidepressiva, Antiepileptika) notwendig werden. Die Lokaltherapie richtet sich im Wesentlichen danach, ob frische Bläschen oder Krusten vorhanden sind. Die Therapieleitlinie „Zoster und Zosterschmerzen“ ist unter www.awmf.org abrufbar.
Ist Zoster ansteckend?
Eine der größten Sorgen Angehöriger von Zosterpatienten ist, selbst an Zoster zu erkranken. Ansteckend ist vor allem der Inhalt der Bläschen, deren Flüssigkeit hohe VZV-Konzentrationen enthält. Durch Schmierinfektion kann ein Zosterpatient VZV auf eine andere Person übertragen, jedoch bei dieser keinen Zoster auslösen. Allenfalls kann diese Person an Windpocken erkranken, sofern sie diese im Laufe ihres Lebens noch nicht hatte. Die VZV-Weitergabe (auch an Dritte) wird durch gründliches Händewaschen verhindert. /
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