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Brustkrebs

Komplementäre Therapien nutzen

20.07.2012  15:03 Uhr

Von Annette Behr, Berlin / Viele Brustkrebs-Patientinnen möchten den Erfolg der schulmedizinischen Therapie durch komplementäre Behandlungsansätze verstärken. Beide Verfahren müssen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern können sich bestmöglich ergänzen, lautete der Tenor des ersten Kongresses zur Integrativen Therapie bei Brustkrebs Anfang dieses Jahres in Berlin.

Obwohl viele Brustkrebspatientinnen Methoden der Komplementärmedizin anwenden, sprechen die wenigsten mit ihren behandelnden Onkologen darüber. »Es ist an der Zeit, dass sich Naturwissenschaften und Naturheilkunde bei der Behandlung von Krebserkrankungen nicht als Parallelwelten feindlich gegenüberstehen, sondern im Interesse der Patientinnen gemeinsam den besten Therapieweg suchen«, bestärkte Dr. Thomas Breitkreuz, Facharzt für Innere Medizin mit dem klinischen Schwerpunkt Onkologie am Paracelsus-Krankenhaus in Bad Liebenzell, als Schirmherr und Mitveranstalter des Kongresses Patientinnen und Kollegen in diesem Bestreben.

Ausgerichtet wurde der Kongress von der Gesellschaft Anthroposo­phischer Ärzte in Deutschland e. V. (GAÄD) und dem Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e. V. (DAMiD). Zu den zahlreichen Mitveranstaltern gehörten unter anderem die Frauenselbsthilfegruppe mamazone, die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Gesellschaft für Senologie. Eine »Entheimlichung der ergänzenden Medizin« wünschte sich auch Rita Rosa Martin. Die Medizinjournalistin und Brustkrebspatientin plädierte für eine neue Offenheit zwischen Arzt und Patientin, damit letztere frei über ihre Behandlungswünsche sprechen und Vertrauen in ihre Therapie fassen könne.

Ganzheitliche Medizin

Professor Dr. Gustav Dobos, Direktor der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte, erläuterte den Ansatz der Inte­grativen Medizin. Diese schließe »alles ein, was das Menschsein ausmacht«, erklärte er. In den USA gehöre die Inte­grative Onkologie bereits selbstverständlich zum Therapieangebot renommierter Tumorzentren. Deutschland habe hingegen noch erheblichen Nachholbedarf.

Gesundheitspolitik, Krankenkassen und die deutsche Forschungslandschaft interessierten sich zu wenig für integrative Ansätze. »Unsere Arbeit finanziert sich nahezu ausschließlich aus Spenden- und Stiftungsgeldern. Das muss sich ändern«, forderte Dobos. In einer Podiumsdiskussion erörterten Ärztinnen und Selbsthilfevertreter daher die Frage, wie auch deutsche Patientinnen eine Therapie erhalten können, die sowohl den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht als auch ihre individuellen Wünsche entsprechend berücksichtigt.

Die Namen Integrative Medizin oder Komplementärmedizin sind jeweils Oberbegriffe für verschiedene Heilanwendungen, zum Teil mit philosophischem oder religiösem Hintergrund, machten die Referenten deutlich. Die komplementäre Medizin verstehe sich nicht als Alternative zur Schulmedizin, sondern erweitere diese um wesentliche Aspekte.

Weiterer Forschungsbedarf

Viele Patientinnen hörten während der Therapien oft immer noch den Rat: »Lassen Sie die Finger von Mistel & Co., sonst gefährden Sie den Erfolg der Behandlung«, berichtete eine Betroffene. Sie plädierte stellvertretend für viele Frauen für einen Blick über den Tellerrand: »Ich möchte mich selbst informieren, welche Vorteile sich bieten, wenn von Beginn an neben den bewährten schulmedizinischen Verfahren wie Operation, Chemotherapie oder Strahlenbehandlung auch komplementär-medizinische Verfahren zum Einsatz kommen.« Ziel der anthroposophischen Therapien sei es, den erkrankten Menschen in allen Facetten seiner Persönlichkeit zu berücksichtigen, körperlich, seelisch und geistig, und die Erkrankung auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu bekämpfen.

Anthroposophisch orientierte Ärzte beantworten vor dem Einsatz einer alternativen Therapie individuell für jede Patientin folgende drei Fragen, so Breitkreuz:

  • Wie lässt sich der Tumor bestmöglich schädigen?
  • Wie können die Selbstheilungskräfte der Patientin stimuliert und aktiviert werden?
  • Wie kann die Patientin an der Auseinandersetzung mit der krisenhaften Krankheit menschlich wachsen?

Die anthroposophische Medizin halte für jede der Fragen eine Antwort bereit, so der Internist und Onkologe. Neben modernen onkologischen Behandlungsverfahren zur Zerstörung des Tumors können beispielsweise Hyperthermie und Mistelextrakte eingesetzt werden. »Auch mit lokaler Tiefenhyperthermie oder direkt in den Tumor injiziertem Mistelextrakt kann Krebsgewebe zerstört werden«, erklärte Breitkreuz. Die Ganzkörper-Hyperthermie aktiviere die Selbstheilungskräfte des Körpers. Eine Durchwärmung des gesamten Organismus soll das Abwehrsystem ankurbeln und die Inte­grationskräfte des Körpers mobilisieren. Weiterhin seien rhythmische Massagen und äußere Anwendungen wie Wickel, Auflagen, Einreibungen und Bäder sowie unter die Haut gespritzte Mistelextrakte zur Unterstützung der Selbstheilungskräfte sinnvoll, so der Arzt.

Gemeinsam mit Dr. Gunver S. Kienle vom Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie in Freiburg beschrieb Breitkreuz eine Reihe methodisch gut durchgeführter Studien. Demnach könnten die stark zytotoxischen Mistelextrakte zu Tumorrückbildungen führen. In Tierversuchen wurde der beste Effekt einer Chemotherapie erzielt, wenn diese mit einer Mistelbehandlung kombiniert wurde. Ebenso bestätigte sich ein Zusatznutzen der Mistel auch während einer Bestrahlung. Die meisten Erfahrungen lägen mit Apfelbaummistel vor, berichtete Breitkreuz über die noch ausbaufähige Studien- und Erfahrungslage.

Sport und Ernährung

Allerdings übernehmen derzeit die gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen die Kosten für die Hyperthermie oder für eine adjuvante Misteltherapie. Auch daher müssen die Erfolge durch eine gesunde Ernährung und Sport bei Brustkrebserkrankungen dringend berücksichtigt werden. »Sport ist so wichtig wie ein Krebsmedikament«, informierte Dobos die Kongress-Teilnehmer.

Ernährungsweise, Gewicht und körperliche Aktivität sind Studien zufolge entscheidende Faktoren in der Prävention und Nachsorge bei Brustkrebspatientinnen. Da Frauen im ersten Jahr nach der Diagnose durchschnittlich 1 bis 3 Kilogramm zunehmen, schränken vor allem übergewichtige Patientinnen ihre körperlichen Aktivitäten ein. Nur 50 Prozent hätten nach drei Jahren wieder das Aktivitätslevel wie vor ihrer Erkrankung erreicht, so der Mediziner. Entscheidend sei der Body-Mass-Index (BMI). Nach Studienlage haben Frauen mit einem BMI größer als 25 eine schlechtere Lebenserwartung. Auch wird bei Frauen mit einem BMI über 25 der Tumor häufiger erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.

Moderates Sporttraining hilft in jedem Fall: Unabhängig vom BMI reduzierte leichtes Training nach einer Brustkrebserkrankung die Zahl der Rückfälle um 50 Prozent und auch die Sterbefälle um 50 Prozent. Außerdem verbesserte das Sportprogramm immer die Lebensqualität der Frauen. Sie waren fitter und aktiver.

Die Diagnose Brustkrebs ist für jede Frau ein Schock. Neben der medizinischen Behandlung gibt es viele Möglichkeiten, der Krankheit zu begegnen und diese zu bewältigen. Jede Patientin kann ihre Genesung und den Krankheitsverlauf mit beeinflussen. Daher begleiten auch immer mehr Schulmediziner ihre Patientinnen auf ihrem individuellen Weg durch die Erkrankung. /

Weitere Informationen

Wer sich noch ausführlicher über dem Kongress informieren möchte, findet im Internet unter www.brustkrebs-integrativ.de weitere Informationen.

E-Mail-Adresse der Verfasserin

blaubehr(at)gmx.de