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Arzneimittelgabe

Probleme bei der Sonde vermeiden

20.07.2012  15:04 Uhr

Von Verena Arzbach, Meran / Die Mitarbeiter in Krankenhaus­apotheken sind darin geübt zu prüfen, ob ein bestimmtes ­Medikament über eine Sonde gegeben werden kann. Doch auch in öffentlichen Apotheken fragen Ärzte oder Patienten häufiger nach. Diese schwierige Frage muss von Fall zu Fall immer neu ­entschieden werden. Mit speziellem Fachwissen können PTA und Apotheker hilfreich Auskunft geben.

Kein Arzneimittel hat eine Zulassung für die Gabe über eine Sonde. Die Anwendung durch die Sonde erfolgt also immer off-label. Im Vorfeld gelte es einige Dinge zu klären, erläuterte Krankenhausapothekerin Vera Voigt während eines Seminars beim Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Meran. Zuallererst muss die Sondenart beachtet werden. Wurde dem Patienten eine transnasale oder eine perkutane Sonde gelegt? Eine transnasale Sonde wird durch Nase und Rachen in den Magen geschoben. Sie ist daher in der Regel über einen Meter lang und hat mehrere randständige Austrittsöffnungen. In einem sogenannten Totvolumen können sich Arzneimittelreste absetzen. Eine perkutane Sonde (PEG-Sonde) wird von außen durch Haut, Bauch und Magenwand angelegt. Sie ist mit 30 bis 40 Zentimetern deutlich kürzer und nur am Ende geöffnet.

Außerdem spielt die Lage der Sonde eine wichtige Rolle. Endet sie im Magen, kommt das Arzneimittel mit pH-Werten zwischen 1 und 2 in Kontakt, eine Magensaftresistenz muss also in jedem Fall erhalten bleiben. Liegt das Sondenende hingegen im Zwölffingerdarm (Duodenum) oder Leerdarm (Jejunum), wo pH-Werte von 7 bis 8 vorliegen, kann der Magenschutz außer Acht gelassen werden.

Generell sollte vorab geklärt werden, so Voigt, ob der Patient unbedingt alle Arzneimittel benötigt. Ist er jedoch auf die Medikamente angewiesen, sollte er die Arzneistoffe möglichst rektal, sublingual, transdermal oder parenteral erhalten.

Nie mischen

Führt letztendlich kein Weg an der Sonde vorbei, müssten einige Grundregeln beachtet werden, erklärte die Apothekerin. Immer sollte der Patient die Medikamente getrennt voneinander verabreicht bekommen, da sonst Inkompatibilitäten auftreten können. Außerdem gilt das Mischen mehrerer Medikamente rechtlich als Herstellung eines neuen Arzneimittels – und diese Tätigkeit ist nur pharmazeutischem Fachpersonal vorbehalten. Arzneimittel sollten grundsätzlich nicht der Sondennahrung zugesetzt werden, da auch hier Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten mit der hochkomplexen Nährstoffemulsion möglich sind.

Und noch ein Rat aus der Praxis: Vor und nach jeder Applikation sollte die Sonde idealerweise mit 50 Millilitern Wasser gespült werden. Bei mehreren Medikamenten sollte das Pflegepersonal erst die flüssigen und danach die festen Arzneiformen applizieren. Flüssigkeiten lagern sich nicht in der Sonde ab und so ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Arzneimittel in der Sonde zusammentreffen. Die Arzneimittel sollten immer direkt vor der Applikation zubereitet werden, beispielsweise gemörsert.

Bei Patienten, denen eine Sonde gelegt wurde, sind flüssige Arzneiformen von Vorteil. Doch auch hier gibt es einiges zu beachten: Arzneistofflösungen mit stark sauren oder alkalischen pH-Werten (zum Beispiel Atosil® Tropfen mit dem pH-Wert von 2,2) können lokal die Schleimhäute reizen oder zu Ausfällungen führen. Ebenso kann eine hohe Osmolarität Magen-Darm-Beschwerden verursachen. Bei Säften muss der Sorbitolgehalt beachtet werden, da bereits die Einzeldosis von 10 Gramm Sorbitol Durchfälle auslösen kann. Hier ist zumeist eine Verdünnung des Medikamentes mit Wasser empfehlenswert. Vorsicht jedoch bei der direkten Applikation in den Darm: Das Gesamtvolumen darf höchstens 50 Milliliter betragen, da der Darm keine Speicherfunktion hat und die gelösten oder suspendierten Arzneistoffe ansonsten direkt im Darm weitertransportiert würden.

Vorsicht bei Tabletten

Feste Arzneiformen über die Sonde zu geben, ist immer problematischer als flüssige, da sie zuerst zerkleinert werden müssen. Der Durchmesser der Sonde sollte mindestens 12 Charrière (circa 4 Millimeter) betragen, sonst besteht Verstopfungsgefahr. Zerfällt eine Tablette sofort in Wasser, kann sie danach direkt mit einer Spritze appliziert werden. Sonst muss die Tablette ausreichend zerkleinert und anschließend in Wasser suspendiert werden. Retard- und magensaftresistente Arzneiformen sind in der Regel nicht sondengängig, denn das Mörsern zerstört den Magenschutz oder das Retardprinzip.

Was bei einzelnen Arzneiformen zu beachten ist

Arzneiform Sondengängigkeit Beachten
Flüssige Arzneiformen Ja pH, Osmolarität, Sorbitolgehalt
Filmtabletten/Dragees Ja < 12 Charrière: Verstopfung möglich
Magensaftresistente Tabletten/Retardtabletten Nein Ausnahme: MUPS
Brausetabletten Ja
Hartgelatinekapseln Ja
Weichgelatinekapseln Unpraktikabel

Eine Ausnahme bilden die MUPS-Tabletten (MUPS= Multiple Unit Pellet System), die aus zahlreichen magensaftresistent überzogenen Pellets bestehen. MUPS-Tabletten dürfen keinesfalls gemörsert werden, da die magensaftresistenten Pellets sonst zerstört würden. Die Tabletten zerfallen leicht in Wasser, können suspendiert und über die Sonde gegeben werden. Kapseln eignen sich gut für die Sondengabe, wenn sie geöffnet werden dürfen. Der Inhalt einer Hartgelatinekapsel kann in 10 bis 15 Milliliter Wasser suspendiert oder trocken über einen Trichteradapter appliziert werden. Theoretisch sind auch Weichgelatinekapseln sondengängig. Hier bereitet die praktische Umsetzung allerdings oft Schwierigkeiten: Die Kapsel muss angestochen und der Inhalt mit einer Spritze entnommen werden oder es gilt abzuwarten, bis sich die Kapsel in warmem Wasser gelöst hat. Falls möglich sollte der Arzt andere Arzneiformen verordnen, empfahl Voigt.

Problem Reinigung

Verstopfte Sonden müssen mit viel warmem Wasser gespült werden. Kleinvolumige Spritzen eignen sich hierfür nicht, denn diese bauen einen zu hohen Druck auf und bergen damit die Gefahr, dass die Sonde zerreißt. In einigen Krankenhäusern wurden gute Erfahrungen mit sauren Flüssigkeiten zum Wiedereröffnen einer Sonde gemacht, beispielweise mit Ascorbinsäure-Lösung. Untersuchungen konnten jedoch bislang keinen Vorteil gegenüber Wasser belegen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass saure Flüssigkeiten die Proteinkomponente der Sondennahrung denaturieren und so die Verstopfung eher verstärken. Alternativ können, in Verantwortung eines Arztes, Pankreasenzyme (zum Beispiel der Inhalt einer Kapsel Kreon®) in 8,4-prozentiger Natrium-Bikarbonat-Lösung aufgelöst werden.

Weitere Informationen zur Sondengängigkeit bestimmter Arzneimittel erhalten PTA und Apotheker unter www.pharmatrix.de, in der Gelben Liste und auf »Sonden-Bögen« verschiedener Firmen-Homepages, beispielsweise von Hexal, Sandoz und 1A Pharma. /

E-Mail-Adresse der Verfasserin

arzbach(at)govi.de