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Herzinsuffizienz

Schwaches Herz früh stärken

20.07.2012  15:01 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler, Meran / An Herzinsuffizienz erkranken vor allem ältere Menschen. Je nachdem, wie stark ihre Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, belastet die chronische Erkrankung ihren Alltag sehr. Doch die richtige Therapie kann ihre Beschwerden mildern und ihr Leben verlängern.

»Ich habe halt ein schwaches Herz«, entschuldigen sich manche Senioren, wenn sie schon nach wenigen Treppenstufen pausieren müssen und der Gang ins zweite Stockwerk sie völlig erschöpft hat. In der Apotheke klagen sie darüber, dass sie beim Gehen keine Luft bekommen, rasch müde werden und ihre Beine abends dick angeschwollen sind. Dann sollten PTA oder Apotheker zum Arztbesuch raten, denn diese Symptome sind keinesfalls harmlos.

Ein gesundes Herz kann ohne Leistungseinbußen alt werden. Doch wenn es den Körper nicht mehr genügend mit Blut, Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, sprechen Ärzte von einer Herzinsuffizienz. Statt dieses Fachbegriffs sprechen PTA und Apotheker in der Beratung am besten von »Herzmuskelschwäche«.

Herzinsuffizienz entstehe häufig infolge eines Herzinfarkts, bei koronarer Herzerkrankung, Bluthochdruck oder nach Herzmuskelentzündungen, informierte Professor Dr. Norbert Frey von der Uniklinik in Kiel beim Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Meran. Unbehandelt schränke sie die Lebensqualität stark ein; ein Teil der Patienten sterbe vorzeitig am Herztod. Glücklicherweise lindern Medikamente die Beschwerden und verlängern das Leben der Patienten, so der Arzt.

Warnzeichen beachten

Patienten mit Herzinsuffizienz bemerken nicht nur, dass ihre körperliche Leistungsfähigkeit abnimmt und sie rasch ermüden. Die Herzfrequenz steigt und Wasser sammelt sich in den Beinen (Ödeme) oder in der Bauchhöhle. PTA oder Apotheker sollten daher hellhörig werden, wenn ein älterer Mensch berichtet, er könne sich nicht erklären, warum sein Gewicht ansteigt. Eine verminderte Durchblutung der Nieren und Ödeme können die Ursache sein.

Sammelt sich Wasser in der Lunge an (Lungenödem), werden Sauerstoff und Kohlendioxid nicht mehr richtig ausgetauscht und die Patienten werden kurzatmig. Zunächst leiden sie nur bei körperlicher Belastung an Atemnot, später auch in Ruhe. Der Arzt spricht von einer Belastungs- und einer Ruhedyspnoe.

Die amerikanische Fachgesellschaft »New York Heart Association« (NYHA) unterscheidet anhand der Beschwerden vier Schweregrade der chronischen Herzinsuffizienz (Tabelle). Ein Altersherz mit »ein bisschen dicken Beinen am Abend« und Luftnot beim Gehen ist danach eine Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II oder III. In beiden Stadien braucht der Patient unbedingt eine medikamentöse Therapie.

Stadieneinteilung der Herzinsuffizienz nach New York Heart Association (NYHA)

NYHA-Stadium Beschwerden
I keine körperliche Einschränkung im Alltag; keine übermäßige Erschöpfung, Herzrhythmusstörung oder Luftnot
II leichte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit; keine Beschwerden in Ruhe, aber bei alltäglicher Belastung
III deutliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit; keine Beschwerden in Ruhe, aber bei geringer körperlicher Anstrengung
IV Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe; Patient meist bettlägerig

Arzneimittel unverzichtbar

Neben Basismaßnahmen wie Gewichtsreduktion und moderates Bewegungstraining benötigen die Patienten vor allem Arzneimittel, erklärte Frey in Meran. Diese werden abgestuft nach den NYHA-Stadien eingesetzt und kombiniert.

Ab NYHA I erhält der Patient einen ACE-Hemmer oder alternativ, zum Beispiel wenn dieser Wirkstoff bei ihm Husten auslöst, einen Angiotensin-II-Rezeptorblocker (Sartan). Hat er bereits einen Herzinfarkt erlitten oder leidet er an Bluthochdruck, kommt ein Beta- blocker hinzu. Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton und Eplerenon werden bei Herzinfarktpatienten ebenfalls früh eingesetzt. »Diese Arzneimittelgruppen können die Sterblichkeit reduzieren«, betonte der Arzt.

Dies sei jedoch nicht erwiesen für Diuretika, die Patienten mit Bluthochdruck und Ödemen frühzeitig, spätestens jedoch ab NYHA-Stufe II verordnet bekommen. Zurückhaltend setzen Ärzte heute bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern, einer Störung des Herzrhythmus, Herzglykoside ein. Ansonsten kommen Herzglykoside erst ab NYHA-Stufe III hinzu. »Digitalisglykoside senken die Sterblichkeit nicht, wohl aber die Rate an Krankenhausaufenthalten«, informierte der Arzt. Ab NYHA-Stufe II ist auch der neue Arzneistoff Ivabradin indiziert, der die Herzfrequenz effektiv verlangsamt. Ivabradin wird immer kombiniert mit der Standardtherapie, zum Beispiel einem ACE-Hemmer und Betablocker.

Zur Behandlung der leichten Herzinsuffizienz (Stadium II) ist auch Crataegus-Extrakt zugelassen. Das pflanzliche Herzmittel sei relativ sicher in der Anwendung, urteilte Frey zurückhaltend. Fast alle Patienten mit Herzinsuffizienz müssen mehrere Medikamente einnehmen. »Ganz entscheidend ist die Compliance«, betonte Frey. Das Apothekenteam sollte die Patienten motivieren, die Therapie genau zu befolgen. Ferner empfahl der Arzt, Herzfrequenz und Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren.

Operativ eingreifen

Als »wichtige Bausteine in der Therapie der Herzinsuffizienz« bezeichnete Frey die invasiven, also operativen Verfahren. Implantierbare Defibrillatoren könnten das Risiko für einen plötzlichen Herztod senken. Spezielle Herzschrittmacher, die die linke und rechte Herzkammer stimulieren, verbessern die Pumpkraft des Herzens.

Für Patienten im Stadium IV ist die Herztransplantation meist die einzige Rettung. Aufgrund mangelnder Spenderorgane werden in Deutschland jedes Jahr weniger als 400 Herzen transplantiert. Für die Schwerstkranken entwickeln Wissenschaftler derzeit kleinere implantierbare Systeme zur Unterstützung des Herzens, berichtete Frey. /

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