Impfen gegen Kinderkrankheiten |
26.05.2014 16:25 Uhr |
Von Daniela Biermann / Mumps, Masern, Röteln und Windpocken sind keine harmlosen Kinderkrankheiten. Eltern und PTA sollten die Fakten rund um Häufigkeit und Schweregrad der Infektionen kennen und wissen, warum Impfen sinnvoll ist.
Gegen die typischen Kinderkrankheiten Mumps, Masern, Röteln (MMR) und Windpocken sollten Babys im 11. bis zum 14. Monat geimpft werden. Eine Auffrischimpfung erfolgt spätestens im 23. Lebensmonat. Für die Impfung kann der Arzt einen MMR-Dreifach- oder Vierfach-Impfstoff inklusive Windpocken-Komponente wählen, zum Beispiel Priorix® und Priorix-Tetra® oder MMR-Vax-Pro® und ProQuad®. Gegen Masern und Windpocken kann er das Kleinkind auch einzeln impfen.
Foto: Fotolia/athomass
Überhaupt nicht harmlos
Der Begriff »Kinderkrankheiten« ist möglicherweise irreführend, denn er bezeichnet keinesfalls harmlose Infekte. Abgesehen vom Leiden der Kinder durch Fieber und Juckreiz können diese Virusinfektionen schwere Folgen haben. Zum Beispiel erkrankten in den vergangenen zehn Jahren pro Jahr etwa 20 bis 45 von 100 000 Kindern an Mumps, auch Ziegenpeter oder Parotitis epidemica genannt Typische Zeichen sind rote, geschwollene Wangen durch eine Entzündung der Ohrspeicheldrüse (Parotis). Trotz zweifacher Grundimmunisierung lässt sich die Erkrankung nicht bei allen verhindern, die Impfung reduziert das Risiko jedoch deutlich. Bei Kindern unter zwei Jahren verläuft die Erkrankung meist ohne Symptome. Mit dem Alter steigt allerdings das Komplikationsrisiko.
Infizieren sich männliche Jugendliche oder Erwachsene, entwickeln 15 bis 30 Prozent von ihnen eine Hodenentzündung, die in seltenen Fällen zu Unfruchtbarkeit führt. Ebenfalls zu den schweren Komplikationen zählen Entzündungen der Hirnhaut, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Gelenke und des Herzmuskels.
Gegen Masern scheint die Zahl der Impfgegner am größten zu sein. Immer wieder kommt es hierzulande zu Epidemien mit hunderten bis tausenden Erkrankten, sodass sogar die WHO nach Deutschland Reisende vor einer Infektion mit Masern warnt. Die Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) beurteilen die Häufigkeit von 7,3 Erkrankten pro 100 000 Kinder unter einem Jahr als hoch (Stand 2009).
Masern sind extrem ansteckend und führen bei 95 Prozent der Infizierten neben dem typischen Hautausschlag zu Fieber, Husten, Schnupfen und Bindehautentzündung.
Da das Immunsystem der Erkrankten etwa sechs Wochen lang geschwächt ist, kommt es zu Koinfekten wie Bronchitis, Durchfall, Mittelohr- und Lungenentzündung.
Eine besonders gefürchtete Komplikation ist die Entzündung des Gehirns (Enzephalitis). Sie tritt bei etwa 1 von 1000 Erkrankten auf. Von diesen sterben 10 bis 20 Prozent, bei weiteren 20 bis 30 Prozent trägt das Nervensystem lebenslange Schäden davon. Die sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist mit 1 bis 10 Fällen pro 10 000 bis 100 000 Masernerkrankungen sehr selten. Sie kann sechs bis acht Jahre nach der Infektion auftreten und verläuft immer tödlich. Das Risiko der SSPE ist größer, wenn ein Säugling im ersten Lebensjahr an Masern erkrankt.
Auch Ungeborene schützen
Die Röteln-Impfung soll nicht nur die geimpften Kinder schützen. Bei ihnen verläuft die Infektion in 50 Prozent der Fälle symptomlos, Komplikationen sind selten. Bekanntlich gefährden Röteln jedoch Ungeborene. Erkrankt die Mutter, besteht die Gefahr, dass sie das Baby verliert oder in bis zu 90 Prozent der Fälle ein Kind mit schweren Behinderungen zur Welt bringt. Laut RKI sind die Impfraten immer noch zu niedrig, sodass »ein erhebliches Potenzial von Empfänglichen« bestehe. Um die Röteln in Deutschland auszurotten, müssten über 90 Prozent der Kinder unter zwei Jahren geimpft sein.
Windpocken
Windpocken werden durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst. Im Gegensatz zu den anderen wie Keuchhusten oder Pneumokokken treten Komplikationen häufiger bei Erwachsenen auf. Manchmal verläuft die Infektion auch bei Kindern schwer und führt vor allem zu Lungenentzündungen und zur bakteriellen Superinfektion der typischen Pusteln. Doch selbst bei einem harmlosen Verlauf leiden die Kinder oft wochenlang unter Juckreiz und die Erkrankung hinterlässt manchmal bleibende Narben.
Vor der Impfempfehlung der STIKO erkrankten in Deutschland jedes Jahr etwa 750 000 Menschen an Windpocken. Das Virus verbleibt lebenslang im Körper und verursacht bei 20 Prozent der Infizierten im Alter eine Gürtelrose (Herpes zoster). Noch ist unklar, wie lang die Schutzwirkung der Impfung anhält und ob sich Windpocken-Epidemien ins Jugend- und Erwachsenenalter verschieben, wenn die Impfwirkung nachlässt, aber noch relativ viele Viren zirkulieren.
Meningokokken
Jährlich erkranken in Deutschland rund 370 Menschen an Meningokokken. Diese Zahl ist zwar niedrig, dennoch sollten Eltern ihr Kind durch zwei Impfungen vor einer Infektion mit Neisseria meningitidis schützen. Denn das Bakterium verursacht relativ häufig sehr schwere Hirnhautentzündung (Meningitis) und Sepsis. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfiehlt derzeit, Kleinkinder ab zwölf Monaten zweimal gegen den besonders gefährlichen Subtyp C (in Menjugate® Kit, Meningitec® und NeisVac-C®) impfen zu lassen.
Impfstoffe gegen die Subtypen A, C, W-135 und Y (Nimenrix® oder Menveo®) sind zugelassen für Kinder ab ein beziehungsweise zwei Jahren sowie für Erwachsene. Sie kommen hier nicht routinemäßig zum Einsatz, da die anderen enthaltenen Subtypen in Deutschland und Europa extrem selten sind. Die tetravalente Vakzine ist eine sogenannte Indikationsimpfung für Personen mit einem hohen Risiko für eine invasive Meningokokken-Infektion mit schwerem Verlauf, zum Beispiel Labormitarbeiter, Patienten ohne Milz oder Reisende in Länder mit hoher Prävalenz wie die afrikanischen Staaten südlich der Sahara.
Unter den insgesamt seltenen Meningokokken-Infekten machen B-Meningokokken mit einem Anteil von rund 80 Prozent in Deutschland den größten Anteil aus, von denen wiederum fünf Unterarten existieren. Seit Dezember 2013 ist mit Bexsero® erstmals ein Impfstoff für alle Altersgruppen zugelassen.
Fieber ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf eine Impfung – das Immunsystem antwortet auf die Antigene des Impfstoffs. Fieber tritt bei allen Impfungen häufig bis sehr häufig auf, das heißt, bei mindestens einem von hundert beziehungsweise einem von zehn Geimpften. Meist bleibt die Temperatur unter 39,5 Grad Celsius; höheres Fieber entwickelt sich gelegentlich nach Immunisierung mit einem Kombinationsimpfstoff oder nach der Pneumokokken-Impfung. Nach Impfung mit Todimpfstoffen müssen Eltern bei den Kindern in der Regel nach ein bis zwei Tagen mit Fieber rechnen, bei Lebendimpfstoffen typischerweise erst 7 bis 14 Tage nach der Impfung.
Geht es dem Kind gut und steigt das Fieber nicht über 39,5 Grad Celsius, sollten sie ihm in der Regel keine fiebersenkenden Arzneistoffe wie Paracetamol (zugelassen ab der Geburt) oder Ibuprofen (je nach Präparat ab einem Körpergewicht von 7 oder 8 Kilogramm) geben. Im Gegenteil: Einige Studien deuten darauf hin, dass insbesondere die prophylaktische Fiebersenkung die Antikörperbildung und damit den Impfschutz schwächen kann.
Eine dänische Studie zeigte für die MMR-Impfung, dass durchschnittlich 1,6 von 1000 geimpften Kindern einen Fieberkrampf erlitten. Neigt ein Kind zu Fieberkrämpfen, steigt die Häufigkeit auf 20 von 1000 Impflingen. Die Krämpfe wirken zwar überaus beängstigend, dauern in der Regel jedoch nur wenige Minuten und bleiben folgenlos. Kindern mit dieser Disposition kann der Arzt prophylaktisch ein Antipyretikum oder Diazepam als Suppositorium verschreiben.
Datenlage unzureichend
Noch hat die STIKO diese Vakzine nicht in ihre Empfehlungen aufgenommen mit der Begründung, die Datenlage sei bislang nicht ausreichend. Der Impfstoff wird nach einem neuen Verfahren produziert, sodass eine endgültige Nutzen-Risiko-Abwägung noch aussteht. Eine Aufnahme in den Impfkalender ist jedoch nicht ausgeschlossen. Unklar ist noch, wie die Impfung am besten integriert werden könnte. Viele Krankenkassen übernehmen bereits die Kosten.
Fest steht, dass alle empfohlenen Impfungen das Baby entweder sofort oder in seinem späteren Leben vor Erkrankungen schützen, die unnötiges Leid bringen. /