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Giftige Tiere

Bedrohliche Bekanntschaften

13.04.2015  12:25 Uhr

Von Barbara Erbe / Nicht nur auf Fernreisen können Urlauber giftigen Quallen, Skorpionen, Schlangen oder Spinnen begegnen. Vorsichtiges Verhalten schützt am besten vor unerwünschtem Kontakt. Im Notfall ist eine schnelle ärztliche Betreuung wichtig, um schweren Vergiftungsreaktionen vorzubeugen.

Die Zahl der Menschen, die Angst haben, von einem Gifttier gebissen, gestochen oder geschrammt zu werden, ist um ein Vielfaches größer als die derjenigen, die tatsächlich einmal einem solchen begegnen, betont Professor Dr. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Reisemedizin (CRM) in Düsseldorf. »Am meisten gefürchtet sind die Landgifttiere – obwohl in der Praxis die Meeresgifttiere eine viel größere Rolle spielen.« Unter ihnen vor allem die Quallen, die sich in den vergangenen Jahren nicht nur im Pazifik, sondern auch im Mittelmeer und an der europäischen Atlantikküste verbreitet haben.

Wer ihre im offenen Meer nahezu unsichtbaren, bis zu 20 Meter langen Nesselfäden berührt, erleidet schmerzhafte Hautverletzungen, in schweren Fällen auch Herz-Kreislauf-Probleme, die bis zum Herzversagen führen können. »Wer plötzlich und unerwartet mit brennenden Schmerzen konfrontiert wird, kann nicht mehr richtig schwimmen und muss sofort geborgen werden, damit er nicht ertrinkt.«

Kontakt mit Quallen

Vergiftungserscheinungen treten normalerweise aber nur dann auf, wenn größere Hautareale mit den Tentakeln der Qualle in Kontakt kommen und damit über das lymphatische System größere Giftmengen in den Kreislauf gelangen, betont Professor Dr. Dietrich Mebs von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Es komme zu Übelkeit, Er­brechen, Atem- und Herz-Kreislauf-Beschwer­den und schockähnlichen Symptomen (anaphylaktische Reaktion). Während die meisten Quallenarten über die unangenehme Hautreizung hinaus harmlos sind, kann eine Begegnung mit der im Pazifik und zunehmend auch im Atlantik verbreiteten »Portugiesischen Galeere« (Physalia physalis) oder der »Würfelqualle« (Chironex fleckeri) lebensbedrohlich sein. Letztere kann ein plötzliches Herzversagen auslösen. Die Länge der Striemen auf der Haut, die die Tentakeln verursacht haben, gibt Aufschluss über den Grad der Vergiftung, erklärt der Toxikologe Mebs. »Bei einer Gesamtlänge von 2 bis 6 Metern bei Kindern und von über 6 Metern bei Erwachsenen besteht Lebensgefahr.«

Einsame Strände meiden

Deshalb legt auch der Reisemediziner Jelinek allen Touristen ans Herz, örtliche Warnhinweise ernstzunehmen und nicht an einsamen Stränden zu baden. Kommt es dennoch zu einem Zusammenstoß mit Quallen, sollten Verletzte sofort aus dem Wasser geborgen werden. Auf keinen Fall sollten Helfer versuchen, die Qualle mit Süßwasser oder Alkohol abzuwaschen. Denn beides bringt die Nesselkapseln in der Haut der Qualle erst recht zum Platzen. Gift und Schmerzen würden verstärkt. Weinessig eignet sich am besten, um die Nesselzellen zu deaktivieren. Helfer können auch versuchen, die Qualle mit Meerwasser abzulösen. Das kann funktionieren, wenn sonst nichts zur Hand ist und keine Nesselkapseln im Wasser sind. »Es hilft auch schon, vorsichtig Sand aufzustreuen und mit einem Messerrücken oder einer Plastikkarte anhaftende Tentakel vorsichtig abzuschaben.« Zudem rät Jelinek, umgehend ärztliche Hilfe aufzusuchen. In leichten Fällen kann eine Cortisonsalbe die Hautreizungen lindern; großflächige Vernesselungen sollten über einige Tage ärztlich überwacht werden. »Speziell für die Würfelqualle gibt es in Australien, wo sie häufiger anzutreffen ist, auch ein Antiserum«, berichtet der Reisemediziner.

Zusammenstoß im Wasser

Auch Seeigel, Kegelschnecken und Stachelrochen tragen unangenehme, vor allem Schmerzen erzeugende Gifte. Kollisionen mit den Tieren sind hauptsächlich beim Tauchen möglich, gelegentlich auch beim Herumwaten in steinigen Strandgewässern. »Um Begegnungen mit diesen Tieren zu umgehen, sollte man nicht in trübem Wasser waten und auch nicht dicht über Sand schwimmen«, so Jelinek. Ist es doch zu einem Kontakt gekommen, reiche es meist aus, eingedrungene Stachelreste herauszuziehen und die Wunde gut mit sauberem Wasser auszuspülen.

Gefährliche Insektenstiche

An Land ist es eine eher unspekta­kuläre Tierart, die den größten Ärger macht, sagt Mebs. »Hautflügler, also Bienen, Hummeln, Wespen und Hornissen, sind der Häufigkeit nach in Europa die wichtigsten Gifttiere.« Während ein einzelner Stich zwar schmerzhaft, aber normalerweise nicht ernsthaft gefährlich ist, sieht es bei mehrfachen Stichen – beispielsweise nach dem versehentlichen Anstoßen eines Bienenstocks oder Wespennests – anders aus. »Mehrere Stiche auf einmal können nicht nur Ödeme, sondern auch eine intravasale Hämolyse auslösen, das heißt eine Zerstörung der roten Blutkörperchen in den Gefäßen.« Menschen, die bereits allergisch vorbelastet sind, drohen solche Symptome bereits bei einem Stich. »Wer früher schon einmal gestochen wurde und darauf mit einer Schwellung reagiert hat, die die Größe eines Zweieurostücks übersteigt, ist beim nächsten Mal bereits in Lebensgefahr«, warnt der Toxikologe. »Die Gifte der genannten Insekten sind extrem allergen.«

Im Notfall schnell handeln

Folglich ist es für Allergiker überlebenswichtig, stets entsprechende Medikamente in einem Notfallset mit sich zu führen, die sie schnell einnehmen oder mit einem entsprechenden Pen injizieren können. Ansonsten gilt es nach einem Bienenstich, den Stachel zwar schnellstmöglich zu entfernen, doch ohne die Giftblase am oberen Ende auszuquetschen, da ansonsten weiteres Gift in die Haut gepresst wird. Zudem lässt sich die Giftaufnahme durch Kühlung an der Einstichstelle (Kühlpacks, Eisumschläge) verzögern. Ringe, Armbänder und Ähnliches sollten wegen möglicher Schwellungen sofort entfernt werden (siehe auch: Frühling und Sommer: Stichtage für Insekten).

Tipps für die Wildnis

Um giftige Begegnungen zu vermeiden, rät Reisemediziner Tomas Jeli­nek:

  • Warnhinweise beachten, nicht an einsamen Stränden baden
  • Nicht in trübem Wasser oder dicht über Sand schwimmen
  • Vorsicht beim Campen im Freien: Kleider und Schuhe vor dem Anziehen immer ausschütteln
  • Bienenstöcke und Wespennester meiden, auf Spinnennetze achten, Tiere nicht reizen
  • Scheinbar tote Tiere nicht anfassen
  • Nie im Dunkeln ohne Taschenlampe laufen – viele Gifttiere sind nachtaktiv
  • In unübersichtlichem Gelände festes Schuhwerk tragen, nicht auf fremde Tiere zugehen und nicht versuchen, eine Schlange zu fangen
  • Bei Touren im Gelände fest auftreten, um Gifttiere zu verscheuchen, größere Bäume meiden (Baumschlangen sind fast alle giftig)
  • Nicht auf der Erde schlafen, Kleidungsstücke, Schuhe, Nahrung auf der Erde locken Skorpione und Spinnen an
  • Erst anschauen, dann greifen: keine blinden Griffe in den Schrank
  • Mückennetz und Fliegengitter an den Fenstern halten Insekten und Spinnen fern

Was in Europa gilt, gilt erst recht in ferneren Regionen. »Ein vernünftiger Reiseleiter, der in einem afrikanischen Staat eine Safari begleitet, wird zu Beginn der Tour als Erstes fragen, ob jemand dabei ist, der allergisch auf Insektenstiche reagiert«, so Mebs. »Und er wird für alle Fälle ein Notfallset im Gepäck haben.«

Giftige Schlangen

Giftschlangen kommen auf allen Kontinenten vor, wenngleich einige Karibik- und Atlantikinseln völlig frei von ihnen sind. Wie für alle Tiere gilt auch für Schlangen: Je heißer das Klima, desto mehr Gifttiere gibt es in der Region. Während die meisten Schlangen ihr Gift mit speziellen Zähnen injizieren, können Speikobras es auch versprühen, erläutert Reisemediziner Jelinek. »Die Hälfte aller Schlangenbisse ist jedoch trocken, das heißt die Schlange injiziert dabei gar kein Gift, und der Biss bleibt ohne Symptome.« Wird jedoch Gift übertragen, sind die Symptome je nach Schlangenart und Giftmenge sehr unterschiedlich. Sie reichen von einer Lähmung des Nervensystems über lokale Ödeme und Blutungen bis hin zu Ne­krosen und Gerinnungsstörungen.

Antiseren nur beim Arzt

Antiseren können bei einem Schlangenbiss zwar lebensrettend sein, dürfen aber nur von einem Arzt ausgewählt und angewendet werden, betont Jelinek. »Das Risiko anaphylaktischer Reaktionen ist zu groß.« Einen Menschen, der von einer Schlange gebissen wurde, sollte man zunächst beruhigen, wenn nötig in Schocklage bringen und den betroffenen Körperteil ruhigstellen. »Ausbrennen, Ausschneiden oder Aussaugen der Bisswunde helfen nicht«, darauf weist Dr. Klaus Georg Wiesenbacher, Leiter des Gesundheitsdienstes des Auswärtigen Amtes, hin. Vielmehr kann hierdurch schlimmstenfalls sogar der Helfer zu Schaden kommen. Auch das Abbinden verhindert die Ausbreitung des Giftes nicht zuverlässig und kann mehr schaden als nützen. »Das Wichtigste, was Helfer tun können, ist zum einen, sich genau einzuprägen, wie die Schlange ausgesehen hat, und den Betroffenen zum anderen so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung zu bringen«, so Wiesenbacher.

Skorpione und Spinnen

Ähnliches gilt für Skorpione, neben den Schlangen die bedeutensten Gifttiere der Tropen. Ihre Stiche sind schmerzhaft und können je nach Art und Intensität des Giftes Schweißausbrüche, Kurzatmigkeit, Erbrechen, Hypertonie, Herzrasen, ein Lungenödem und sogar tödliches Kreislaufversagen auslösen. »Deshalb ist es auch hier sehr wichtig, so schnell wie möglich einen Arzt aufzusuchen, der die für die Region spezifischen Antiseren zur Hand hat.« Weniger bedrohlich sind Spinnen: Die meisten Arten sind ungiftig. Die wenigen wirklich giftigen Arten verursachen zwar Schmerzen, sind aber kaum ernsthaft gefährlich – bis auf die südamerikanische Speispinne, deren Gift vor allem bei Kindern Hautnekrosen und Nierenversagen auslösen kann.

Vom Erwerb – meist sehr teurer – Antiseren für die Reiseapotheke rät Tropenmediziner Wiesenbacher dringend ab. Zum einen sei es Touristen kaum möglich, in Deutschland die passenden Seren zu bekommen. Vor allem aber könnten sie sie kaum angemessen transportieren. »Diese Mittel müssen dauerhaft gekühlt gelagert werden, sonst verlieren sie sehr schnell ihre Wirkung.« Für die Reiseapotheke empfiehlt er in Bezug auf Gifttiere antiallergische und Juckreiz-stillende Mittel. /

Kinder leben gefährlicher

Bekommt ein Kind das Gift eines Tieres ab, ist die toxische Wirkung aufgrund geringerer Körpergröße und -gewicht des Kindes stärker. Da Kinder sich oft schnell bewegen, schrecken sie leichter Tiere auf. Eltern sollten die Kleinen daher beim Spielen im Freien immer im Blick behalten.