Gesund von Anfang an |
25.04.2017 09:50 Uhr |
Von Andrea Pütz / In den ersten 1000 Lebenstagen – von der Empfängnis bis zum zweiten Geburtstag – werden die Weichen für die Gesundheit eines Menschen gestellt. Sowohl die Ernährung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft als auch die des Neugeborenen haben langfristig Einfluss auf seine Entwicklung.
Für die ersten 1000 Tage im Leben eines Kindes hat bereits der mütterliche Ernährungsstatus zu Beginn der Schwangerschaft und die Ernährung währenddessen eine langfristig prägende Wirkung. Die werdende Mutter sollte schon pränatal ihr Ungeborenes optimal mitversorgen. Untersuchungen zeigen, dass es ungünstig ist, wenn der Fetus schon in Mamas Bauch überfüttert wird. Dort legt er bereits Fettzellen an, die später leicht gefüllt werden. Werdende Mütter schützen ihr Ungeborenes, wenn sie sich möglichst ausgewogen ernähren und in Bewegung bleiben. Zu wenig sollte eine werdende Mutter allerdings auch nicht essen, um einer Unterversorgung des Babys vorzubeugen. Ein zu geringes Geburtsgewicht könnte ebenfalls späteres Übergewicht und Diabetes begünstigen.
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Bestenfalls sollte die werdende Mutter mit Normalgewicht in die Schwangerschaft starten. Übergewicht beziehungsweise Adipositas erhöht die Gefahr von Geburtskomplikationen sowie das Risiko für Gestationsdiabetes oder Bluthochdruck. Die Folge für das Neugeborene kann ein zu hohes Geburtsgewicht sein – und im Erwachsenenalter Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Übergewichtige Frauen mit Kinderwunsch sollten daher möglichst im Vorfeld der Schwangerschaft ihr Gewicht reduzieren. Als Anhaltspunkt für die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft empfiehlt das US-amerikanische Institute of Medicine (IOM) bestimmte Zielbereiche (siehe Tabelle).
Ausgangs-gewicht | Empfohlene Gewichts-zunahme |
---|---|
Untergewicht, BMI < 18,5 | 12,5 bis 18 kg |
Normalgewicht, BMI: 18,5 bis 24,9 | 11,5 bis 16 kg |
Übergewicht, BMI: 25,0 bis 29,9 | 7 bis 11,5 kg |
Adipositas, BMI > 30 | 5 bis 9 kg |
Den Rat, während der Schwangerschaft für zwei zu essen, kennt sicher jede Mutter. Der Energiebedarf erhöht sich allerdings erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat, und das lediglich um etwa 255 kcal pro Tag. Dabei spielen das Wachstum des Kindes, des mütterlichen Gewebes und die Mehrarbeit, die die Mutter durch das höhere Körpergewicht leisten muss, eine Rolle. Schon 150 g Joghurt mit zwei Esslöffeln Haferflocken, einer Portion Obst und ein paar Nüssen gleichen den Mehrbedarf aus. Eine Entschuldigung, verstärkt bei Fettem und Süßem zuzugreifen, ist eine Schwangerschaft somit nicht.
Bei Kohlenhydraten und Fetten gelten die gleichen Empfehlungen wie für alle Erwachsenen. Der Proteinbedarf erhöht sich jedoch ab dem vierten Schwangerschaftsmonat um 20 Prozent: Schwangere sollten dann etwa 10 g Proteine mehr pro Tag zu sich nehmen. In der Regel ist das unproblematisch.
Gesund und abwechslungsreich: Schwangere sollten möglichst oft frisch kochen.
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Fleisch ist eine wichtige Protein- und Eisenquelle, die Vegetarierinnen in der Schwangerschaft fehlt. Sie sollten daher darauf achten, genügend Milchprodukte zu sich zu nehmen. Vitamin C verbessert zudem die Eisenaufnahme aus Getreide. So sollten sie reichlich Vollkornprodukte essen und diese mit Gemüse oder Obst kombinieren. Stellt der Gynäkologe einen Eisenmangel fest, sollte die werdende Mutter zusätzlich ein Eisenpräparat einnehmen. Veganerinnen, die neben Fleisch und Fisch komplett auf alle tierischen Produkte verzichten, können eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen in der Schwangerschaft kaum erreichen – selbst wenn sie ihre Lebensmittel sehr sorgfältig auswählen. Diese Ernährungsform kann dem Baby unter Umständen schaden und ist daher nicht empfehlenswert. Schwangere Veganerinnen sollten daher unbedingt mit dem Arzt oder einem Ernährungsberater über ihre Ernährung sprechen.
Mehr Mikronährstoffe
Bei Mikronährstoffen darf es gerne ein bisschen mehr sein. Der Bedarf ist sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit erhöht. So sollten Schwangere bei Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen zulangen: saisonales Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse, pflanzliche Öle (zum Beispiel Oliven-, Raps-, Lein- und Kürbiskernöl) sowie zwei- bis dreimal die Woche Fisch.
Laut der Nationalen Verzehrstudie II von 2008 ist ein Großteil der Frauen im gebärfähigen Alter mit vielen Mikronährstoffen unterversorgt. Doch diese Nährstoffe sind gerade in der Schwangerschaft essenziell für die körperliche und geistige Entwicklung des Babys. Ein Mikronährstoffmangel kann nicht nur die Entwicklung des Ungeborenen stören. Auch das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburten liegt höher. Die Prävention eines solchen Mangels steht hier im Vordergrund – für eine gesunde Entwicklung des Fetus.
Neben Folsäure und Iod zeigen Frauen im fertilen Alter häufig einen Mangel an Vitamin D. Da die körpereigene Vitamin-D-Bildung vom Sonnenlicht abhängt, können Schwangere zumindest in den Sommermonaten gegensteuern, indem sie viel Zeit an der frischen Luft verbringen. In den Wintermonaten macht die zusätzliche Einnahme von Vitamin D oft Sinn.
Folsäure sollte zur Prävention von Neuralrohrdefekten während der Schwangerschaft immer supplementiert werden. Daneben kann es Sinn machen, gezielt weitere Vitalstoffe einzunehmen: Spezielle Nährstoffpräparate für die Schwangerschaft enthalten neben Folsäure unter anderem Omega-3-Fettsäuren, Iod, Selen, Zink, Calcium und Vitamin B6 und B12. Idealerweise beginnen die Frauen schon bei der Kinderplanung mit der Einnahme, um mit einem guten Mikronährstoffstatus in die Schwangerschaft zu starten.
Coffein in Maßen
Coffein kann die Plazenta frei passieren. Das Ungeborene verfügt über weniger coffeinabbauende Enzyme als seine Mutter. Der Abbau des Alkaloids läuft daher insgesamt langsamer. Nimmt eine Schwangere dauerhaft große Mengen an Coffein zu sich, kann eine spontane Frühgeburt oder ein zu niedriges Geburtsgewicht die Folge sein. Bis maximal drei Tassen Kaffee pro Tag beziehungsweise bis zu 300 mg Coffein gelten als unbedenklich.
Coffein ist auch in Tee, Cola, Schokolade und bestimmten Energy-Drinks enthalten. All dies muss bei der täglich aufgenommenen Coffein-Menge berücksichtigt werden. Auf Energy Drinks sollten Schwangere besser komplett verzichten. Diese enthalten pro Portion eine hohe Coffein-Konzentration und liefern weitere Stoffe wie Taurin, deren Wirkungen auf das Ungeborene nicht ganz klar sind. Alkohol steht für werdende Mütter ebenso auf der Tabuliste: Es ist unklar, welche Mengen dem Ungeborenen bereits schaden.
Eine Infektion mit Listerien während der Schwangerschaft kann zu einer Fehl-, Früh- oder Totgeburt beziehungsweise zu langfristigen Schäden des Kindes führen. Zum Schutz vor der Lebensmittelvergiftung sollten Schwangere folgende Regeln beachten:
Die richtige Milch
Um dem Neugeborenen einen gesunden Start ins Leben zu ermöglichen, sollte die Mutter es in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten möglichst voll stillen. Die Muttermilch versorgt das Kind mit Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten, Omega-3-Fettsäuren und vielen Vitaminen (außer D und K) und liefert Hormone, Wachstumsfaktoren, Immunglobuline, Zytokine, Enzyme sowie Prä- und Probiotika, die dabei helfen, die kindliche Darmflora aufzubauen.
Das Immunsystem des Kindes kommt über die Muttermilch mit vielen Allergenen in Kontakt. Stillen schützt es daher vor Allergien. Ebenso bietet Stillen einen gewissen Schutz vor Infekten und hat auch langfristig viele positive Effekte. Zahlreiche Studien belegen etwa, dass das Risiko für Übergewicht und Adipositas und damit Diabetes bei gestillten Säuglingen um bis zu 20 Prozent geringer ist als bei nicht gestillten. Für den positiven Effekt auf das spätere Gewicht scheint neben dem Vorgang des intensiven Saugens vor allem der geringere Eiweißgehalt der Muttermilch im Vergleich zur Pre-Nahrung eine Rolle zu spielen: Der Proteingehalt von Säuglings-Anfangsnahrung liegt bei 155 bis 180 Prozent des Muttermilch-Gehaltes. Eine exzessive Proteinzufuhr im Säuglingsalter führt zu beschleunigter Gewichtszunahme und programmiert die Neigung zu späterem Übergewicht und damit assoziierten Krankheiten. Auch für die Mutter hat das Stillen Vorteile: So steigt ihr Kalorienbedarf um weitere 400 kcal pro Tag. Das unterstützt die Gewichtsabnahme nach der Geburt.
Kann das Kind nicht gestillt werden, sollten die Eltern eine Säuglingsmilch wählen, die bezüglich ihrer Zusammensetzung so nah wie möglich an der Muttermilch liegt. Hierbei spielt sowohl die Quantität als auch die Qualität der Makro- und Mikronährstoffe eine Rolle. Es gibt heute einige Anfangsmilch-Produkte mit einem relativ niedrigen Eiweißgehalt von etwa 1,3 g pro 100 g.
Der mütterliche Bedarf an vielen Mikronährstoffen ist während der Stillzeit ebenfalls leicht erhöht. Eine gezielte Supplementierung, eventuell in Absprache mit dem Arzt, deckt nicht nur den Bedarf, sondern fördert auch die Regeneration des Stoffwechsels und liefert neue Energie für die Mutter. PTA und Apotheker sollten frischgebackene Mütter zudem darauf hinweisen, wie wichtig die Gabe von Vitamin D zur Rachitis-Prophylaxe im Säuglingsalter ist. 10 bis 12,5 µg beziehungsweise 400 bis 500 I.E. pro Tag bis zum zweiten erlebten Frühsommer sollten alle Babys bekommen. Bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g lautet die Empfehlung für die tägliche Zufuhr sogar 800 bis 1000 I.E. /
Mikronährstoff | Bedeutung in der Schwangerschaft | Lebensmittel | Verzehrempfehlung pro Tag |
---|---|---|---|
Calcium | Knochenbildung | Rezidivrisiko nach Präeklampsie ↓ | Käse (z. B. Parmesan, Bergkäse), Milch, Grünkohl, Petersilie, Fenchel, Brokkoli, calciumreiche Mineralwässer (mind. 150 mg/l) |
Eisen | Sauerstoffversorgung | Blutbildung Risiko für Eisenmangel(anämie) ↓ Erhöhtes Blutvolumen der Schwangeren und Anlegen der fetalen Eisendepots im 3. Trimenon -> Bedarf ↑ | Fleisch, Geflügel, Nüsse; Kürbiskerne, Sesamsamen, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide |
Folsäure | Wachstum | Blutbildung Risiko von Neuralrohrdefekten und Lippen-Gaumen-Spalte ↓ | Risiko für Herzfehler ↓ |
Iod | Wachstum | Risiko für körperliche und geistige Retardierung ↓ | Risiko für Aborte ↓ |
Omega-3-Fettsäuren | Kognitive und visuelle Entwicklung ↑ Risiko für Allergien und Frühgeburten ↓ | Lachs, Makrele, Hering, Leinöl, Rapsöl, Hühnereier | 200 mg DHA |
Vitamin C | Erhöhung des Plasmavolumens -> Bedarf ↑ | Rote Paprika, Kohlgemüse (z. B. Brokkoli), Beeren, Zitrusfrüchte | 110 mg |
Vitamin D | Knochenbildung Mutter und Kind Risiko für Präeklampsie ↓ | Risiko für Asthma und Diabetes mellitus ↓ | 20 Prozent des Bedarfes: Lachs, Makrele, Hering, Milch(produkte), Pilze |
Zink | Immunsystem | Wundheilung Energiestoffwechsel | Vollkorn, Fleisch, Nüsse, Samen, Eier, Milchprodukte |
PTA-Forum / Die Schwangerschaft ist für viele Frauen ein Anlass, sich mit ihrer Ernährung auseinanderzusetzen. Denn ab sofort sind sie nicht nur für ihre eigene Gesundheit, sondern auch für die des Babys verantwortlich. Ernährungswissenschaftler empfehlen Schwangeren allgemein, abwechslungsreich und ausgewogen zu essen. Aber was heißt das eigentlich genau?
Die drei österreichischen Ernährungsspezialistinnen gehen dieser Frage in »Mein Baby isst mit« auf den Grund. Praktische Tipps für den Alltag und viele abwechslungsreiche frische Rezepte vom Frühstück bis zum Abendessen zeigen, auf welche Nährstoffe die werdende Mutter besonders achten muss.
Ariane Hitthaller, Lisa Peterlik, Petra Ruso:
Mein Baby isst mit. Die besten Rezepte für die Schwangerschaft.
120 Seiten, Facultas/Maudrich Verlag, 1. Auflage 2016.
ISBN: 9783990020357,
20,00 EUR.