Kostenlose Schulen als Wahlversprechen |
25.04.2017 09:50 Uhr |
Von Daniela Hüttemann, Münster / 300 Euro Schulgebühr für angehende PTA, aber ein kostenfreies Pharmaziestudium? Das ist nicht fair, finden nicht nur die SPD und die Linken. Alle Parteien in Nordrhein-Westfalen sprachen sich vor kurzem dafür aus, die PTA-Ausbildung anders als bislang zu finanzieren.
Zwei Jahre besuchen angehende pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) eine Berufsfachschule und zahlen jeden Monat Schulgeld. An den PTA-Schulen in Siegen, Paderborn, Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel beträgt es derzeit monatlich 295 Euro, hinzu kommen Kosten für Bücher, Schutzkleidung, Laborausrüstung, Kopien und Prüfungsgebühren. Einen Teil des Schulgelds dieser vier Standorte übernimmt derzeit die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) – eine Notlösung, weil das Land Nordrhein-Westfalen 2013 aus der Förderung ausstieg. Vielen PTA-Schulen drohte dadurch das Aus.
Foto: Fotolia/Gerhard Seybert
»Mit dem Wegfall des Landeszuschusses haben wir bereits zahlreiche Ausbildungsplätze an den PTA-Schulen verloren«, erklärte Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), Ende März bei einer gesundheitspolitischen Diskussionsrunde in Münster. Der Nachwuchsmangel sei schon deutlich spürbar, doch ohne PTA sei der Betrieb einer Apotheke kaum vorstellbar. Die hohen Schulgebühren seien ungerecht für die PTA-Schüler, da das Pharmaziestudium kostenlos sei, so Michels. Dabei kritisierte er vor allem die an Landes- und Bundesregierung beteiligte SPD, die kostenlose Bildung von der Kita bis zum Uniabschluss fordert. Denn es war die rot-grüne Landesregierung, die die letzten Zuschüsse in Höhe von 73 Euro pro Schüler pro Monat, ein Gesamtvolumen von 1,4 Millionen Euro, gestrichen hatte, um Haushaltslöcher zu stopfen. An dieser Stelle sprang die AKWL ein. Dies sei aber auf Dauer für die Apotheken nicht zu tragen, erklärte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening.
Keine Alternative: Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens glaubt nicht, dass die Einführung einer dualen Ausbildung für PTA der richtige Weg ist.
»Geld in die Hand nehmen«
Kurz vor der Landtagswahl in NRW am 24. Mai gab es bei der Diskussionsrunde große Versprechen von Politikern aller derzeit im Landtag vertretenden Parteien. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) versprach, nach der Wahl das nötige Geld in die Hand zu nehmen und die Ausbildung aller Gesundheitsberufe zu finanzieren, nicht nur von PTA, sondern beispielsweise auch von Logopäden und Physiotherapeuten. Dasselbe versprachen auch die Vertreter von CDU und SPD. »Es kann nicht sein, dass bestimmte Berufe, gerade im medizinischen Bereich, ihre Ausbildung aus eigener Tasche bezahlen müssen – das wollen wir ändern«, so Oskar Burkert (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Landtag.
Auch Michael Scheffler (SPD), Sprecher im Landtagsausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit, war der Meinung, dass junge Menschen kein Geld für ihre Ausbildung bezahlen sollten. Er sieht die beste Lösung darin, PTA dual auszubilden, also parallel in Schule und Betrieb, gegen ein Auszubildendengehalt. Dagegen konterte Gesundheitsministerin Steffens, man habe lange intensiv mit Apothekerkammern und -verbänden einen Weg gesucht, habe aber keine Alternative zur aktuellen Ausbildung gefunden. Als Probleme eines dualen Systems sehen die Apotheker den mangelnden Einfluss auf die Ausbildungsinhalte und die Zulassungsbedingungen für den PTA-Beruf. Scheffler und auch Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, wollen trotzdem noch einmal über die Möglichkeit einer dualen Ausbildung sprechen. »Es kann jedenfalls nicht sein, dass die jungen Damen ihre Ausbildung selbst zahlen müssen«, so Vogler.
Der Nachwuchsmangel bei den PTA sei schon deutlich spürbar, berichtete Dr. Klaus Michels.
Fotos: AKWL/Sokolowski
Schulgeld wird gesenkt
Der Apotheker und AVWL-Chef Michels traut den Wahlversprechen der Politiker nicht. Man suche weiterhin das Gespräch mit der Politik über die Ausbildungsrichtlinien und eine öffentliche Finanzierung. Immerhin sind die PTA-Fachschulen in Westfalen-Lippe nach jahrelanger Ungewissheit und harten Sparmaßnahmen dank der Unterstützung durch die Kammer derzeit wieder auf dem richtigen Weg. Die PTA-Schulen in Siegen, Paderborn, Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel, die der Trägerverein unterstützt, waren laut Apothekerverband in der Unterstufe des Lehrgangs 2016/18 voll besetzt. Es gab sogar Wartelisten. Für den neuen Jahrgang 2017/19 sehe es auch gut aus, teilte der Verband mit. Ab diesem Schuljahr wird das Schulgeld im zweiten Ausbildungsjahr auf monatlich 195 Euro gesenkt, um die Ausbildung attraktiver zu machen.
Warum erst im zweiten Ausbildungsjahr? In der Oberstufe ist die Abbruchquote deutlich geringer als in der Unterstufe. Die meisten Schüler, die die Oberstufe erreichen, bestehen laut Trägerverein auch die staatliche PTA-Abschlussprüfung. »Durch die reduzierten Schulgebühren sollen die Schüler der Oberstufe die Chance bekommen, sich motivierend auf die Ausbildung und die Prüfungen zu konzentrieren«, erklärt der AVWL. Eine Schulgeldsenkung durchgehend auf 245 Euro führe dagegen nur zu einem Gewöhnungseffekt.
Neben den Schulen in Siegen, Paderborn, Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel, die zum Trägerverein PTA-Fachschule Westfalen-Lippe gehören und damit letztlich von den Apothekern getragen werden, können Schüler in NRW noch in Hamm, Münster und Olsberg die PTA-Schule in kommunaler Trägerschaft besuchen. Auch dort müssen sie einen eigenen finanziellen Beitrag leisten. In Hamm sind es derzeit 225 Euro monatlich, in Münster 200 Euro und im Hoch-Sauerland-Kreis 170 Euro. Außerdem gibt es eine private Schule in Dortmund mit einem monatlichen Schulgeld in Höhe von 385 Euro.
PTA-Auszubildende können gegebenenfalls BAföG oder einen Bildungskredit beantragen. Im Anschluss an die zwei Schuljahre folgt ein sechsmonatiges Praktikum in der Apotheke, für das die PTA-Praktikanten 670 Euro monatlich erhalten. Nach der erfolgreichen Prüfung verdienen Berufseinsteiger nach Tarifvertrag knapp 2000 Euro brutto pro Monat. /