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Sport in der Schwangerschaft

Zu zweit aktiv

25.04.2017  09:50 Uhr

Von Judith Schmitz / Sport ist gesund – auch in der Schwangerschaft. Bewegung wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden von Mutter und Kind aus. Doch bei der Wahl der passenden Sportart gibt es einige Regeln zu beachten.

»Als ich vor 20 Jahren schwanger war, haben die Ärzte nicht empfohlen, Sport zu treiben«, erinnert sich die 51-jährige Marion Sulprizio, Psychologin an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln. »Das hat sich rigoros geändert. Heute bestärken sie die Frauen darin, sich während einer komplika­tionslosen oder -armen Schwangerschaft sportlich zu betätigen. Dazu gibt es auch immer mehr belastbare Daten.«

Professor Dr. Uwe Hasbargen, Leiter des Perinatalzentrums Großhadern der Universität München, ist einer dieser Ärzte. »Bewegung ist allgemein förderlich und damit auch zur Vorbereitung auf die Geburt«, betont er. »Sport erhält beziehungsweise steigert die körperliche Leistungsfähigkeit der werdenden Mutter«, unterstreicht auch Ulla Wiesbrock-Schmidt, Hebamme aus Kreuzau nahe Köln. »Eine Schwangere, die immer Sport getrieben hat, soll dies auch weiter tun. Sonst fehlt ihr etwas, und sie wird unzu­frieden.«

Positive Effekte

Sulprizio war während ihrer Schwangerschaft selbst sportlich aktiv. Heute leitet sie den Arbeitskreis »Sport und Schwangerschaft« am Psycholo­gischen Institut der DSHS. Das interdisziplinäre Team aus Ärzten, Physiologen, Psychologen und Sportwissenschaftlern möchte Frauen zu Sport und Bewegung in der Schwangerschaft ermuntern. Beim Informations- und Serviceportal der DSHS bietet das Team unter www.sportundschwangerschaft.de ein kostenloses Online-Coaching an.

Sport hat viele positive Effekte auf die Gesundheit der werdenden Mutter, wie die drei Experten erläutern. So beobachten Mediziner etwa schwere Formen eines schwangerschaftsbedingten Bluthochdrucks, Gestationsdiabetes, Wasser­ein­lage­run­gen, Krampfadern, Thrombosen oder eine Schwangerschafts­ver­giftung seltener bei aktiven Schwangeren. Sport unterstützt den Herz-Lungen- und den Körperkreislauf, verbessert Körperhaltung und Koordination und beugt Rückenschmerzen vor. Durch spezielle Übungen kann der Beckenboden stabilisiert werden, was einer späteren Inkontinenz vorbeugt. Sportlich aktive Frauen legen während der Schwangerschaft auch meist nicht mehr an Gewicht zu als empfohlen. Auch scheint Sport die Schmerzwahrnehmung und Schmerztoleranz bei der Geburt sowie die Komplikationsrate positiv zu beeinflussen. Diese Effekte wurden in mehreren kleinen Studien nachgewiesen. Keine der Studien konnte negative Auswirkungen auf das Ungeborene zeigen.

Sulprizio hebt auch die Bedeutung von Bewegung auf die Psyche der Schwangeren hervor. »Sportliche Schwangere verspüren weniger Ängste, leiden seltener unter depressiven Verstimmungen und Stimmungsschwankungen.« Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit erhöhten sich durch den Sport. Ein weiterer Pluspunkt: Das Körperbild und die eigene Körperwahrnehmung seien bei sportlich aktiven Schwangeren positiver als bei nichtsportlichen. »Hierdurch wird auch das Selbstvertrauen gestärkt«, sagt Sulprizio. Sportliche Schwangere könnten zudem meist besser ein- und durchschlafen.

Austausch unter Müttern

Wiesbrock-Schmidt hebt zudem den sozialen Aspekt von Gemeinschaftssport hervor. Seit vielen Jahren bietet sie Schwangerschaftsgymnastik an. Neben der Fitnesskomponente gibt es hier auch die Möglichkeit für Schwangere, mit anderen werdenden Müttern ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Außerdem bedeute Sport immer auch eine Extra-Auszeit vom Alltag für die Schwangere: Zeit, in der sie sich bewusst mit ihrem Körper und ihrer Schwangerschaft beschäftigen kann.

Besser pausieren

Wer in der Schwangerschaft aktiv sein möchte, muss jedoch einige Einschränkungen und Regeln beachten. So sollte die werdende Mutter immer im Vorfeld mit ihrem Gynäkologen besprechen, was geht und was nicht. Besondere gesundheitliche Einschränkungen wie Adipositas, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder vorzeitige Wehen müssen dabei beachtet werden. In speziellen Fällen, etwa einer Plazenta praevia, bei der der Mutter­kuchen den Geburtskanal ganz oder teilweise bedeckt, sollte die Schwangere das Training aussetzen. Generell empfehlen Experten Schwangeren, nicht zu hüpfen und zu springen und nicht schwer zu heben, da dies den Beckenboden belastet. Das Ungeborene ist zwar in der Gebär­mutter geschützt. Trotzdem sollten Schwangere auf alle Sportarten verzichten, die eine Sturz- und Verletzungsgefahr mit sich bringen (siehe Kasten).

Was geht, was besser nicht?

  • Für Schwangere gut geeignete Sportarten sind Aquajogging, -fitness, -ball, Beckenbodentraining, moderates Krafttraining zum Erhalt der
  • kardiovaskulären Fitness, Nordic Walking, Pilates und Yoga für Schwangere, Schwimmen, Tanzen und Walking. Radfahren und Ski­langlauf sind grundsätzlich auch geeignet, hier muss aber das Sturz­risiko beachtet werden.
  • Akzeptabel sind auch Sportarten wie ­Aerobic, Wandern, Bogen­schießen, Bowling und Kegeln, Gymnastik, Jazz Dance, Laufen und Rudern.
  • Mit erhöhtem Sturz- und Verletzungsrisiko verbunden und deshalb nicht geeignet sind Eislauf, Fechten, Golfen, Kanufahren, Klettern, Mannschaftssport, Mountainbiking,
  • Reiten, Skifahren, Snowboarden, (Wind-)Surfen und Wasserski.
  • Keinesfalls geeignet sind extremes Bodybuilding, Extremsportarten wie Bungee­jumping, Paragliding,
  • Gerätetauchen, (Halb-)Marathon, Kampfsport; ebenso Kontaktsport arten wie Eishockey, Sporttauchen, und Sport in Höhen über
  • 2500 Metern.

Quelle: Sulprizio et al. 2016. Sport in der Schwangerschaft

Moderat statt intensiv

Während des Trainings sollte die werdende Mutter immer genau auf die Signale ihres Körpers achten und entsprechend reagieren. Treten Schmerzen, Erschöpfung oder Unwohlsein während des Sports auf, sollte sie die Aktivität stoppen und eventuell einen Arzt aufsuchen. Wichtig: Während der Schwangerschaft steht der Erhalt der Fitness im Vordergrund, keine Leistungssteigerung. Training für oder die Teilnahme an Wettkämpfen sollte unterbleiben.

Weiter sollte die werdende Mutter ihre Herzfrequenz im Blick haben. Unter-20-Jährige dürfen laut Sulprizio in Herzfrequenzzonen zwischen 140 und 155 Schlägen pro Minute trainieren, 20- bis 29-Jährige zwischen 135 und 150. Für 30- bis 39-Jährige gilt ein Herzfrequenzbereich zwischen 130 und 145 Schlägen pro Minute, ab 40 Jahren zwischen 125 und 140 Schlägen pro Minute. Ein anaerober Energiezustand, der bei hoher Belastung auftritt, sollte vermieden werden, damit das Ungeborene ausreichend Sauerstoff und kein für es schädliches Lactat erhält. Aufgrund eines möglichen Sauerstoffmangels sollte auch Höhensport über 2500 Meter, zum Beispiel Alpin-Ski oder Klettern, vermieden werden, und auch Flaschentauchen ist in der Schwangerschaft aus diesem Grund nicht geeignet. Einer Überhitzung sollte immer durch eine ausreichende Flüssigkeits- und Energie­zufuhr vorgebeugt werden, bei Hitze und Schwüle sollte die Schwangere besser nicht trainieren. Insbesondere im ersten Trimenon sollte der Temperaturanstieg unter 1,5 °C und die Körperkerntemperatur unter 39,2 °C liegen, um Fehlbildungen zu vermeiden. Um eine Unterzuckerung zu vermeiden empfehlen Experten, maximal 45 Minuten am Stück zu trainieren.

Keine Rückenlage

Ab dem zweiten Trimenon sollte die Schwangere keine Übungen in Rückenlage ausführen, um einem Vena-cava-Syndrom vorzubeugen. Bei dieser Schwangerschaftskomplikation wird das Blut beim Rücktransport zum Herzen durch Druck der Gebärmutter auf die untere Hohlvene behindert. Kreislaufstörungen wie Schwindel, niedriger Blutdruck und Herzrasen können auftreten. In Extremfällen kann dies lebensbedrohlich für Mutter und Ungeborenes sein oder zu einer Frühgeburt führen. /

Bewegungstipps für zu Hause und unterwegs von Hebamme Ulla Wiesbrock-Schmidt

  • Auf die Haltung achten, nicht ins Hohlkreuz fallen, Knie nie durchdrücken, sonst verspannt der Rücken.
  • Füße immer gut abrollen.
  • Beckenboden während des Stehens oder Sitzens trainieren, dazu die entsprechenden Muskeln heben und senken.
  • Rückenschmerzen vorbeugen oder mindern: Becken, Hüfte, Oberkörper, Schulter, Arme nacheinander kreisen. Entspannt, lockert und kräftigt die entsprechenden Bereiche.
  • Ödemen vorbeugen: Beine und Füße nicht übereinander kreuzen, sondern parallel ausrichten. Füße kreisen. Beim Stehen das Gewicht von einem auf den anderen Fuß verlagern, Fersen heben und senken und so die Muskelpumpe zur Durchblutung aktivieren, Wechselbäder in der Reihenfolge kalt, warm, kalt.