Knochengesundheit mehr ins Bewusstsein rücken |
10.10.2007 09:14 Uhr |
Knochengesundheit mehr ins Bewusstsein rücken
Désirée Kietzmann, Berlin
Über sieben Millionen Deutsche leiden an Knochenschwund, und die Tendenz ist steigend. Die Veranstalter des Welt-Osteoporose-Tags (WOT) am 20. Oktober wollen die Öffentlichkeit in diesem Jahr erneut für die immer noch unterschätzte Volkskrankheit sensibilisieren. Das diesjährige Motto, das auch von der International Osteoporosis Foundation (IOF) ausgerufen wurde, lautet »Verhindere den Knochenbruch – Kenne und vermindere Dein Osteoporose-Risiko«.
Jede dritte Frau über 60 ist in Deutschland von Osteoporose betroffen. Experten schätzen, dass in zehn Jahren mehr als 40 Prozent der über 50-jährigen Deutschen an Knochenschwund leiden werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Osteoporose sogar in die Liste der weltweit zehn bedeutendsten Krankheiten aufgenommen. Dennoch ist das Bewusstsein der Deutschen für das Leiden sehr gering. In einer Umfrage gaben weniger als die Hälfte der Teilnehmer an, die Krankheit »dem Namen nach« zu kennen. Lediglich 15 Prozent der Befragten hielten sich für osteoporosegefährdet.
Diese Zahlen zeigen, wie schlecht informiert die Bevölkerung ist. Die Apotheke ist als Anlaufstelle in Gesundheitsfragen prädestiniert, den Einzelnen für das Volksleiden zu sensibilisieren und ihn auf sein individuelles Risiko aufmerksam zu machen.
Informationstage zur Osteoporose mit Knochendichtemessung haben deshalb ihren festen Platz im jährlichen Aktionsplan vieler Apotheken. Zum diesjährigen WOT hat das Kuratorium Knochengesundheit einen Fragenkatalog herausgebracht, mit dessen Hilfe PTA oder Apotheker gemeinsam mit dem Patienten dessen Osteoporosegefährdung einschätzen können. Den Osteoporose-Risikotest finden Interessierte unter www.osteoporose.org/kk/osteoporose.htm. Das Kuratorium Knochengesundheit e. V. widmet sich seit seiner Gründung 1986 dem unterschätzten Volksleiden.
Krankheit verläuft lange symptomlos
Die Knochensubstanz besteht bis zu 70 Prozent aus anorganischen Stoffen, vor allem Calcium- und Phosphatsalzen, und unterliegt einem ständigen Umbau. Bei gesunden Knochen halten sich Aufbau- und Abbauprozesse die Waage, sodass die Knochenmasse konstant bleibt. Bei Osteoporose-Kranken ist dieses empfindliche Gleichgewicht gestört. Die Osteoklasten, die so genannten Knochenfresszellen, gewinnen die Oberhand, was letztlich zum Verlust der Knochenmasse führt. Damit steigt auch das Risiko für Knochenbrüche.
Die Krankheit verläuft schleichend und über lange Zeit vollkommen schmerzfrei. Dies ist auch der Grund, warum weniger als 25 Prozent der Betroffenen rechtzeitig und adäquat behandelt werden. Häufig diagnostiziert der Arzt die verringerte Knochenmasse erst nach dem ersten Bruch. Charakteristisch sind Wirbelkörpereinbrüche, die jedoch oft mit einem Hexenschuss verwechselt werden. Über 400.000 Knochenbrüche ereignen sich jedes Jahr aufgrund einer Osteoporose. Besonders häufig betroffen sind neben den Wirbelkörpern Unterarm und Hüfte. Langfristig führt die Osteoporose zu einer Wirbelsäulendeformierung, die chronische Schmerzen verursacht.
Calcium und Sport schützen
Osteoporose ist kein ausschließliches Frauenleiden. Auch wenn Frauen aufgrund der Hormonumstellung nach den Wechseljahren besonders gefährdet sind, erkrankt ebenfalls jeder fünfte Mann ab 50 an Osteoporose. Denn Estrogenmangel ist nicht der einzige Risikofaktor. Außerdem hat die Lebensführung einen entscheidenden Einfluss auf die Knochengesundheit: Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, einseitige Ernährung und fehlende sportliche Betätigung wirken sich negativ aus.
Die Autoren einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2006 sehen gar einen Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Genuss von phosphorsäurehaltiger Cola und der Entstehung von Osteoporose im Alter. Tatsächlich hatten Frauen, die täglich Cola tranken, eine um 3,7 Prozent niedrigere Knochendichte am Oberschenkelhals. Bei anderen kohlensäurehaltigen Getränken konnten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang beobachten.
Calcium ist der wichtigste Baustoff für die Knochen und gehört deshalb auf jeden Speiseplan. Wer den Bedarf von einem Gramm täglich nicht über die Nahrung decken kann, sollte entsprechende Präparate gegen die Unterversorgung einnehmen. Die Kombination mit Vitamin D3 garantiert die Aufnahme und Einlagerung des Minerals in den Knochen.
Oxalsäurehaltige Lebensmittel wie Rhabarber oder Spinat fällen Calcium als Oxalat aus und verhindern so seine Resorption aus dem Darm. Neben der richtigen Ernährung ist Sport die beste Prophylaxe. Denn körperliche Betätigung stärkt nicht nur die Muskeln. Bei jeder Bewegung übertragen sich die Kräfte auch auf die Knochen, was die Osteoblasten dazu animiert, Knochenmasse aufzubauen.
Therapie mit Tücken
Hat sich Osteoporose bereits klinisch manifestiert, so versucht der Arzt mit Hilfe von Arzneimitteln den Zustand der Knochen zu verbessern oder eine weitere Verschlechterung hinauszuzögern. Bisphosphonate hemmen die Aktivität der Osteoklasten und reduzieren dadurch den Knochenabbau. Da die Resorptionsrate nach oraler Applikation lediglich zwischen 1 bis 10 Prozent der eingenommenen Dosis liegt, müssen PTA oder Apotheker dem Patienten bei der Abgabe dieser Präparate die Einnahmevorschriften genau erklären: Der Patient muss die Tabletten morgens, nüchtern, mit einem Glas Leitungswasser einnehmen. Bis zur ersten Mahlzeit muss er eine halbe Stunde warten. In dieser Zeit darf er sich nicht wieder hinlegen, da sonst Mageninhalt in die Speiseröhre fließen kann und diese reizt.
Eine Beobachtungsstudie deckte vor zwei Jahren auf, dass über 60 Prozent der Patienten Bisphosphonate und calciumhaltige Präparate gleichzeitig einnahmen. Die daraus resultierende Komplexbildung führt zum Wirkverlust und letztlich zur Unterversorgung.
Die Estrogensubstitution bei postmenopausalen Frauen zur Prophylaxe einer Osteoporose ist seit der WHI-Studie in die Diskussion geraten. Die Hormonersatztherapie erhöhte bei den Studienteilnehmerinnen das Risiko für Thrombosen, Schlaganfälle, Herzinfarkte und wahrscheinlich Brustkrebs. Die noch relativ neue Substanz Raloxifen ist ein selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM), der Estrogen-artig auf den Knochen und Estrogen-antagonistisch auf das Brust- und Uterus-Gewebe wirkt. Der Wirkstoff reduziert die Gefahr von Knochenbrüchen und gleichzeitig von Brust- und Gebärmutterkrebs.
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